STADTGESPRÄCH

Es war einmal ein berühmter Trierer Maler. Der hieß Heß, lebte von 1904 bis 1998, und hatte sogar einen Vornamen: Reinhard. Weil er so berühmt war und ein Vorbild dazu, benannte die Stadt vor einem Jahr eine Straße im Neubaugebiet auf dem Petrisberg nach ihm.

Reinhard-Heß-Straße, das hätte den Künstler sehr gefreut. Im Jahr seines 100. Geburtstages gehört die Reinhard-Heß-Straße schon wieder der Vergangenheit an. Seit Donnerstagabend heißt es nun offiziell Maler-Heß-Straße - der Stadtrat votierte einstimmig für die Änderung des Namens. Vorausgegangen war ein Widerspruch von Anwohnern, dem der Stadtrechtsausschuss statt gegeben hat. Armer, Vornamen-loser Reinhard Heß. Der mutige Maler, der sich im Dritten Reich nicht hat verbiegen lassen und deshalb zu den Galionsfiguren der regionalen Nachkriegs-Kunstszene avancierte, wird nun postum dafür bestraft, dass es eine Nazi-Größe gleichen Nachnamens gab. Die Bewohner des Neubaugebiets hätten, so heißt es, unliebsame Verwechslungen und Verwirrungen ihrer auswärtigen Besucher befürchtet. Sehr fürsorglich, denn Besuch, der Reinhard nicht von Rudolf zu unterscheiden vermag, der gehört in der Tat geschont. Man sollte ihm auch tunlichst nicht sagen, dass es im benachbarten Luxemburg einen Europa-Parlamentarier und Wirtschaftsminister namens Goebbels gibt. Erst recht sollte man das Telefonbuch gut verstecken. Denn darin gibt es allein für die Stadt Trier 32 Heß- und Hess-Eintragungen. Im lokalen Adressbuch finden sich Menschen mit Namen Heß und Hess in gar dreistelliger Anzahl. Für den Fall, dass deren Wirken dereinst mit Straßen-Benennungen gewürdigt werden soll, hier vorsorglich drei - politisch ganz korrekte - Namensvorschläge: Ortsvorsteher-Heß-Straße, Urologe-Heß-Straße, Autohändler-Hess-Straße… Roland Morgen

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