"Städtebaulich verheerend": Stillstand in Rindertanz- und Sichelstraße - Kein Investor in Sicht

Trier · Eigentlich sollte in der Rindertanzstraße längst ein Hotel stehen, und auch für andere Teile des Quartiers gab es Pläne. Doch die wurden allesamt nie realisiert, weshalb die Fläche 2011 von der Stadt zurückgekauft wurde. Seither tut sich nichts auf der Brache, derweil das ehemalige Central-Hotel in der Sichelstraße zusehends verfällt.

Trier. Der Investor schien es eilig zu haben, noch vor der Jahrtausendwende wolle er sein Hotel fertigstellen, erklärte Arthur Friedrich 1998 in einer Bürgerversammlung. Im Rathaus war man guten Mutes, schließlich existierte eine "abgestimmte sichere Planungsgrundlage", schreibt der langjährige Oberbürgermeister Helmut Schröer in seinen Erinnerungen. Gemeinsam mit dem damaligen Baudezernenten Peter Dietze und den städtischen Gremien hatte er die Weichen dafür gestellt, dass die Brache alsbald städtebaulich aufgewertet werden könnte.
Doch eineinhalb Jahrzehnte später wird die Fläche nach wie vor als Parkplatz genutzt. Wo einst das Bischof-Korum-Haus (siehe Extra) stand, stehen heute Fahrzeuge und Glascontainer. Die Aufenthaltsqualität der Fläche tendiert gen null. Dabei sind es zur teuersten Einkaufsstraße der Stadt keine drei Fußminuten.
Es sollte also ein Leichtes sein, einen Käufer für ein Grundstück in dieser Lage zu finden. Doch seit sich Friedrich von seinen Plänen verabschiedete, herrscht Stillstand in der Rindertanzstraße. Friedrich hatte in den 90ern erst das alte Central-Hotel (siehe Extra) erworben, dann plante er eine Passage, welche Simeon- und Rindertanzstraße verbinden sollte. Dazu kam es nicht. Schließlich gab es Pläne für einen Hotelneubau. Stadt und Investor lobten gemeinsam einen städtebaulichen Wettbewerb aus, die Zeichen standen auf Realisierung. Das Quartier sollte ein vollkommen neues Gesicht bekommen.
Stattdessen bekam OB Klaus Jensen im Juni 2011 Post. Friedrich teilte ihm mit, sich von seinem Grundstück wieder trennen zu wollen. Die Stadt kaufte das Areal zurück. Dem Vernehmen nach zu jenem Preis, den der Unternehmer zwölf Jahre zuvor gezahlt hatte - obwohl die Grundstückspreise zwischenzeitlich um rund 30 Prozent gestiegen waren. Allerdings hatte der vorübergehende Grundstückseigentümer auch fast ein Jahrzehnt lang die Einnahmen aus den Parkgebühren eingestrichen. Erst seit 2009 fließt das Geld wieder an die Stadt, 2014 wurden auf der Fläche 98 000 Euro an Parkgebühren erwirtschaftet, teilte das Rathaus auf Anfrage mit.
Derweil zeichnet sich noch immer keine neue Nutzung ab. "Es gib einen rechtsgültigen Bebauungsplan, der neben den öffentlichen Freiflächen auch angrenzende private Flächen im Block innenbereich einbezieht. "Der Bebauungsplan wurde entwickelt auf der Grundlage eines Wettbewerbes mit Zielsetzung Hotel", sagt Ralf Frühauf, Pressesprecher der Stadt. Zwar hätten potenzielle Investoren "nach einer Realisierungschance eigener und abweichender Nutzungsvorstellungen zum Bebauungsplan" gefragt, doch weil für einen Hotelbau Planrecht bestehe und für andere Nutzungen eine Änderung des Bebauungsplans samt vorgeschaltetem Wettbewerb erforderlich sei, "hat bisher kein Investor konkretes Interesse gezeigt".
Geht es nach Dominik Heinrich, sollte die Stadt sich damit nicht abfinden und der Sache alsbald wieder annehmen. "Städtebaulich könnte der Bereich verheerender kaum sein", findet der Architekt und Ortsvorsteher von Trier-Mitte/Gartenfeld deutliche Worte. Heinrich hofft, dass sich der Architektur- und Städtebaubeirat "einmal grundsätzlich" mit der Rindertanzstraße befasst. "Die Stadt sollte sich zunächst im Klaren darüber werden, was sie will. Warum immer warten, bis ein Investor kommt, nur um dann wieder alles zurechtzubiegen?"
Käme es zu einer Bebauung des Platzes, wären im Vorfeld archäologische Untersuchungen notwendig, erklärt unterdessen Dr. Joachim Hupe vom Rheinischen Landesmuseum. "Im fraglichen Bereich ist mit Baubefunden römischer Wohnbebauung und natürlich mit mittelalterlichen Funden im Umfeld des Hofes Fetzenreich zu rechnen", erklärt der Archäologe. Was den Bereich des heutigen Parkplatzes an der Rindertanzstraße anbelangt, so sei dieser jedoch durch neuzeitliche Kelleranlagen des ehemaligen "Bischof-Korum-Hauses" bereits "weitgehend gestört, so dass hier allenfalls noch Restbefunde zu erwarten sind."Meinung

Eigentum verpflichtet!
Viele Trierer sind stolz auf ihre Stadt, die zweifellos zu den schönsten der Republik zählt. Doch diese lokalpatriotische Begeisterung kollidiert bisweilen mit einem erschreckenden Desinteresse an Phänomenen, die den positiven Gesamteindruck des Stadtbildes trüben. So ist nicht nachvollziehbar, dass sich kaum jemand mehr daran stört, in welch jämmerlichem Zustand sich das alte Central-Hotel präsentiert. Er investiere in den Erhalt der Immobilie, sagt der Eigentümer. Tatsächlich hat es den Anschein, als sei das Gebäude dem Verfall preisgegeben. Auch deshalb gilt es, keine Zeit mehr zu verlieren. Eigentum verpflichtet, und wenn der Eigentümer sich -aus welchen Gründen auch immer - nicht mehr in der Lage sieht, die Immobilie auf Vordermann zu bringen, sollte er sich von ihr wieder trennen. Wahrscheinlich würden Interessenten nicht Schlange stehen, doch zu warten, bis an einem Abriss kein Weg mehr vorbeiführt, wäre unverantwortlich. Anders verhält es sich mit dem Parkplatz an der Rindertanzstraße. Der ist wieder im Eigentum der Stadt, und deshalb ist es auch an ihr, einen neuen Anlauf zu unternehmen, um einen Investor zu finden. Die Lage ist zu bedeutend, als dass dieses Areal dauerhaft in diesem Zustand verbleiben darf! trier@volksfreund.deExtra

1933 eröffnet, war das Central Hotel der Familie Fassbender für viele Trierer eine gastronomische Institution. Auch der Biergarten zur Sichelstraße hin erfreute sich großer Beliebtheit. In den 1990ern schloss das Hotel, kurz darauf erwarb Friedrich das deutlich ältere und denkmalgeschützte Anwesen, das bis heute leer steht. 2010 sollte dort wieder neues Leben einziehen, die Gastro-Kette Vapiano hatte sich angekündigt. Für Friedrichs Architektin war es nur eine Frage der Zeit, bis der Leerstand ein Ende haben würde. Ein halbes Jahrzehnt später sagt sie, dass absehbar nicht mit einer Wiederbelebung der Immobilie zu rechnen sei. "Es bietet sich im Moment einfach nichts an", erklärte sie auf TV-Anfrage. Ob dennoch investiert werde? "Nur in Erhaltungsmaßnahmen", lässt die Architektin wissen. mstExtra

Vom Rindertanzplatz ist die Rede. Tatsächlich war die Fläche bis in die 60er Jahre bebaut. Hier stand das nach Bischof Michael Felix Korum benannte Haus. Es wurde zwischen 1929 und 1931 im Auftrag der "Marianischen Jünglingscongregation" errichtet. Ab 1942 war es Sammelpunkt für jüdischer Frauen und Kinder, die in die Konzentrationslager deportiert wurden. mst

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort