Stärkung oder Abschaffung der Ortsbeiräte

Trier · Politikwissenschaftler der Uni Trier haben alle 264 Ortsbeiratsmitglieder der Stadt angeschrieben und über ihre Rolle im kommunalpolitischen Entscheidungsprozess befragt. Knapp die Hälfte hat geantwortet. Das klare Ergebnis: Hier muss vieles besser werden.

 Wolfgang Lorig (links) und Stefan Henn. TV-Fotos: Jörg Pistorius/istock

Wolfgang Lorig (links) und Stefan Henn. TV-Fotos: Jörg Pistorius/istock

Trier. Politik-Professor Wolfgang Lorig war überrascht, als seine Sekretärin ihn anrief und ihn informierte, in seinem Büro warte eine Gruppe von Ortsbeiratsmitgliedern auf ihn. Vor Ort wurde die Überraschung sogar noch größer: "Ich war wirklich perplex, wieviel Frust und Empörung sich in diesem Gespräch Bahn brachen", sagt Lorig in einem Gespräch mit dem TV. "Das hatte ich nicht erwartet."
Die Begegnung der ehrenamtlichen Kommunalpolitiker mit dem Hochschullehrer der Uni Trier war kein Zufall. Kurz vorher hatte Oberbürgermeister Klaus Jensen alle 19 Ortsbeiräte schriftlich darüber informiert, "dass ein Team des Fachbereichs Politikwissenschaft sich intensiv mit der politischen Beteiligung in den Trierer Stadtteilen befassen möchte" (der TV berichtete). Unter Lorigs Leitung hatte eine studentische Arbeitsgruppe einen 28 Fragen umfassenden Katalog erstellt. Die Idee ist 2012 entstanden - eine Folge der vom Ortsbeirat Heiligkreuz gestarteten Debatte um eine effektivere Einbindung der Stadtteilgremien in die Entscheidungsprozesse.
130 der 264 angeschriebenen Ortsbeiratsmitglieder haben geantwortet, eine Quote von 49,24 Prozent. Das Ergebnis: "Die Ortsbeiräte sehen Optimierungsbedarf in den Entscheidungsprozessen und der Kommunikation", erläutert Lorig. "Sie fordern außerdem eine Erweiterung der Entscheidungsrechte und eine stärkere Haushaltsautonomie."
Der Kern dieser Forderungen: Die Beschlussvorlagen der Verwaltung sollen in den Ortsbeiräten beraten werden, bevor sie auf den Tagesordnungen der Dezernatsausschüsse und schließlich auch des Stadtrats landen. So sollen die Hinweise und Beschlüsse der Ortsbeiräte eine stärkere Berücksichtigung finden.
Die Ortsbeiräte fordern außerdem eine Optimierung der Kommunikation mit der Verwaltung und eine "Machtübertragung" auf die Stadtteilgremien, eine Ausweitung der Entscheidungsrechte und eine stärkere Autonomie im Rahmen der Ortsteilbudgets.
Basierend auf der Befragung der Ortsbeiräte und einer nicht repräsentativen Befragung von 96 Trierer Bürgern hat Lorigs Arbeitsgruppe Handlungsszenarien zur "Zukunft der lokalen Demokratie in den Trierer Stadtteilen" entwickelt. Ebenso wie im Papier des Ortsbeirats Heiligkreuz taucht hier die Neuordnung der Beratungsabläufe auf: Die Ortsbeiräte sollen zu einem Thema gehört werden, bevor es auf den Tagesordnungen der Ausschüsse und des Stadtrats landet. Die Beschlüsse und Begründungen der Ortsbeiräte sollen in die Verwaltungsvorlagen für Ausschüsse und Stadtrat einfließen.
Doch das Papier der Arbeitsgruppe ist keine simple Verstärkung der bereits aus Heiligkreuz bekannten Forderungen. Die Politikwissenschaftler dachten auch in eine völlig andere Richtung. Deshalb gehört zu den Handlungsszenarien auch eine Verschlankung der Ortsbeiratsstruktur durch Zusammenlegung einzelner Räte - und auch die komplette Abschaffung der Ortsbeiräte taucht in der Analyse auf. Diese geht jedoch mit einer Stärkung der Rolle des Ortsvorstehers als Schlüsselfigur einher und ersetzt den Ortsbeirat durch ein vierteljährlich tagendes Ortsteilforum mit Vertretern aus den Bereichen Bildung, Soziales, Wirtschaft und Kirche.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort