Stausee hinterm Straßendamm

TRIER. Wie lassen sich "Sünden" im Wasserbau der vergangenen Jahrzehnte nutzen, um Hochwasser zu vermeiden? – Mit dieser Frage beschäftigt sich ein Projekt an der Fachhochschule Trier.

Es gibt viele Straßen in der Region - und viele dieser Straßen durchqueren Täler. Wenn ein Bach den Weg der Straße kreuzt, haben die Straßenbauer der vergangenen Jahrzehnte meist zu einfachen Mitteln gegriffen: Ein Betonrohr mit großzügig bemessenem Durchmesser leitet vielerorts das Wasser durch den Fuß des Damms. Für Organismen, die im Schlamm am Grund des Baches leben, sind die Rohre eine schwer zu überwindende Barriere. Und in Hinblick auf Hochwasserschutz bringen sie wegen ihres großen Durchmessers nicht viel. In einem großen Schwall strömt im Wasserbau-Labor der Fachhochschule Trier braunes Wasser aus einem Rohr mit 30 Zentimeter Innendurchmesser. Doch das Wasser steht im Rohr nur etwa bis zur Hälfte der verfügbaren Höhe. Reduziert wird die Menge durch einen Vorbau vor dem Einfluss ins Rohr. In der Natur würde sich bei sehr hohem Wasserstand des Bachs hinter der Barriere - und hinter dem Straßendamm - ein kleiner See bilden, der erst langsam wieder abfließt. "Wir arbeiten nach dem Nadelöhr-Prinzip", erklärt Thomas Kreiter, Mitarbeiter in dem Projekt. Das Wasser aufzustauen, ist gar nicht so einfach. Am Abfluß entstehen nämlich sehr hohe Fließgeschwindigkeiten. Im Versuch bremst eine Prallplatte aus Stahl, gegen die das Wasser aus einem schmalen Einlass schießt. "Das Wasser läuft beruhigt und deutlich langsamer durch das Rohr ab", sagt Kreiter. Mit der Konstruktion im Originalmaßstab testen die beiden Studenten Jeff Flies und Eric Krischel, wie Durchlass und Prallplatte angeordnet sein müssen, damit das Wasser optimal gebremst wird. Die beiden schreiben ihre Diplomarbeit im Rahmen des internationalen Forschungsprojektes "Water Retention by Landuse" (WaReLa). Für den Aufbau im Original-Maßstab haben sie sich nach eigener Aussage entschieden, weil die Wasserströmungen an dem Bauwerk so komplex sind, dass Simulationen am Computer sehr unsicher sind. Im Versuch lässt sich die Fließgeschwindigkeit dagegen exakt unter verschiedenen Bedingungen messen. Geleitet wird das Teilprojekt an der Fachhochschule (FH) Trier von Jochen Sartor, Professor im Fachbereich Bauingenieurwesen und Experte in Sachen Hochwasserschutz. In dem Projekt ist die FH einer von elf Partnern aus Deutschland, Luxembourg, Frankreich und der Schweiz. Das Projekt läuft an der FH noch bis Ende 2006.Bau erster Becken im Frühjahr

Der Bau von Rückhaltebecken hinter Straßendämmen ist nach Aussage von Sartor deutlich billiger als der herkömmlicher Rückhaltebecken - weil der Damm schon vorhanden ist. Um bis zu ein Drittel lässt sich bei geschicktem Einsatz von Rückhalteanlagen an Straßendämmen nach Angaben von Sartor ein Hochwasser reduzieren. Im Quellgebiet der Blies bei St. Wendel beispielsweise würde de sich bei einem Hochwasser wie dem von 1993 die Vorwarnzeit für die Anwohner um fünf Stunden verlängern. Auch die Lebewesen im Bach haben von dem Umbau etwas: Dank der niedrigeren Fließgeschwindigkeit und eines Gitters aus Baustahl am Boden des Rohrs kann sich ein Bachboden bilden, auf dem Organismen das Rohr auch gegen die Fließrichtung durchqueren können. Ob das alles so funktioniert, wie sie annehmen, wollen die Wasserbauer nach dem Laborversuch in der Praxis erproben. Im Laufe des Frühjahrs sollen fünf Klein-Rückhaltebecken nach der erprobten Technik in einem der Untersuchungsgebiete im nördlichen Saarland gebaut werden.

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