"Störungsfrei und ohne falsche Kumpanei"

TRIER. (mst) Ein halbes Jahrzehnt lenkte Gerhard Eichner den Oberbürgermeister durch Stadt und Land. Dann musste er aus gesundheitlichen Gründen das Steuer abgeben.

Große Worte sind seine Sache nicht. Gerhard Eichner (Foto: Marcus Stölb) beobachtet lieber: "Ich kann stundenlang Leute angucken, ohne auch nur ein Wort zu sagen", sagt er, und es klingt fast ein wenig stolz. Dass Eichners Mitteilungsbedürfnis Grenzen hat, mag ihm in seinem Beruf geholfen haben; fünf Jahre chauffierte der 58-Jährige Oberbürgermeister Helmut Schröer. Eine Aufgabe, die dem professionellen Fahrer höchste Diskretion und absolutes Vertrauen abverlangte. Denn dagegen, dass er viel vom Leben und Wirken des OB's mitbekam, konnte er sich ja nicht wehren: "Man kann nicht weghören", räumt Eichner denn auch ein. Doch das Erlebte habe er sogleich wieder vergessen, kaum dass er aus dem Auto gestiegen war, behauptet er. "Das ist, wie wenn Sie einen Mantel ablegen".Diskretion und Vertrauen oberstes Gebot

Anfang der 60er Jahre verschlug es den Franken Eichner nach Trier. Bei einer Transportstaffel der Bundeswehr fuhr er Tankwagen, belieferte Fliegerhorste mit Flugbenzin. Später dann sollte er Stadtbusse fahren, bevor er Chauffeur des Stadtwerke-Direktors wurde. Auch hier war Diskretion und Vertrauen oberstes Gebot. Vielleicht hat Eichner das ein oder andere Autotelefonat Schröers noch in Erinnerung - davon erzählen würde er nie. Denn die Loyalität zu seinem "Chef", wie er Schröer respektvoll nennt, hält auch im Ruhestand. Dass er als "kleiner Mann, der ohnehin nichts bewegen kann" nie wirklich Interesse für Politik entwickelte, erleichterte die Zusammenarbeit: "Der Chef hat mir nie Ratschläge erteilt, wie ich zu fahren hatte. Und umgekehrt habe ich ihm nie in seine Sachen hineingefunkt", beschreibt er die Arbeitsteilung. "Korrekt" sei das Verhältnis zwischen ihm und Schröer gewesen, störungsfrei und ohne jede falsche Kumpanei. Allmorgendlich um halb acht, nahm Eichner den blauen Daimler mit dem Kennzeichens TR-200 in Empfang. Ein kurzer Gruß, selten ein Plausch - Eichner kümmerte sich um den Wagen. Seine "Tagesbefehle" holte er sich im Vorzimmer des OB's ab, wo Liesel Clemens die Termine des Stadtoberhaupts koordiniert. Nur selten habe Schröer einen Witz erzählt, statt dessen ungezählte Akten im Auto abgearbeitet.Verspätungen wieder eingefahren

Dem wortkargen Eichner hat das gefallen. Und manchmal hat er den OB auch bedauert wegen dessen Arbeitspensums. Doch "was der Chef sich selbst abverlangt, dass erwartet er auch von seinen Mitarbeitern", weiß Eichner aus Erfahrung. Oft war es seine Aufgabe, Schröers Verspätungen wieder einzufahren. Auf bis zu 245 Stundenkilometer beschleunigte er den Dienstwagen, Geschwindigkeitsbeschränkungen nicht ignorierend. Denn für Knöllchen musste Eichner selbst aufkommen, und derer gab es drei in fünf Jahren. Wäre es nach Eichner gegangen, hätte er den OB in dessen Ruhestand gefahren: "Ich wollte mit dem Chef in Pension gehen". Doch das Herz streikte, am vorzeitigen Ruhestand führte kein Weg mehr vorbei. Inzwischen geht es Eichner wieder besser, mehr Zeit bleibt ihm nun für Frau Gisela, die beiden Töchter und acht Enkelkinder. Und für den eigenen Wohnwagen, der in Irrel in der Eifel steht und den Eichners seit drei Jahren als Wochenenddomizil dient. Wenn Eichner genug vom "Rummel" in der Stadt hat, fährt er an die Prüm: Seinen roten Ford Fiesta hatte Eichner sich vor drei Jahren im Internet ersteigert: für 500 "Mark - nicht Euro".

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