Stolz sein und sich schämen

Zum Artikel "Erinnerungen an den Bombenangriff":

Bei dem Gedanken an den Bombenangriff auf Ehrang im Februar 1945 halte ich es dem Alter und dem Schmerz der betroffenen Dame zugute, wenn sie möchte, dass "neben Auschwitz" auch ihrer Toten gedacht werde. Aber der Redakteur hätte es sich besser dreimal überlegt, diesen Satz so zu zitieren. Denn er rückt gefährlich in die Nähe der NPD-Rede vom "Bombenholocaust". Hier werden Dinge in einen vergleichenden Zusammenhang gestellt, die einfach nicht vergleichbar sind, nämlich Kriegshandlungen, die auch Kriegsverbrechen sein können, und auf der anderen Seite die systematische Ausrottung eines ganzen Volkes, perfekt geplant und bürokratisch vorbereitet schon in Friedenszeiten. Und das als Endpunkt einer jahrelangen Ächtung, Schikane, Vertreibung, Enteignung (mit jahrhundertelanger Vorgeschichte). Von älteren Menschen, die ihre weltanschauliche Prägung in der Hitlerzeit erfahren haben, höre ich auch heute noch immer wieder verharmlosende, leugnende Aussagen zum Völkermord an den Juden oder die Aufrechnung mit den Untaten anderer Völker. Dabei bin ich durchaus der Meinung von Martin Walser, dass es nicht hilfreich ist, Auschwitz wie eine "Moralkeule" zu benutzen - weil dies nämlich sogleich die beschriebenen Abwehrhaltungen hervorruft. Was wird da abgewehrt? Gerne möchte ich die Uneinsichtigen fragen: "Was hälst du nicht aus?!" Wir sind das Volk der Dichter und der Denker, der Vergaser und Henker. Warum können wir nicht gleichzeitig stolz auf das eine sein und uns des anderen traurig schämen? In jedem Menschen ist beides angelegt. Doch wie schwer fällt es, eigene Schwäche oder Schuld einzusehen und einzuräumen; bis in höchste Kreise wird allenfalls von "Fehlern" gesprochen. Jeder Mensch, auch jedes Volk hat seine Schattenseite, seine dunklen Anteile. Wer sie nicht sehen will, nicht akzeptieren kann, nicht in sein Selbstbild integrieren mag - der ist zu bedauern und eine latente Gefahr für sich und seine Umwelt. Evamarie Bode, Trier

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