Straßenstrich: CDU will Sperrgebiet ausweiten

Trier · Außerhalb des Trierer Sperrgebiets ist Straßenprostitution erlaubt. Rechtlich hat die Stadt daher gegen die beiden Prostituierten in der Ruwerer Straße nichts in der Hand. Die Kommunalpolitik überlegt, ob der Sperrbezirk vergrößert werden soll.

Trier. Fünf große grüne Altglascontainer stehen am ehemaligen Bahnübergang in der Ruwerer Straße. Dass diese ihren Nutzen einbüßen könnten, darum sorgt sich zwar nicht halb Ruwer, aber doch eine ganze Reihe Bürger. "Die Männer trauen sich doch gar nicht mehr, Altglas dahin zu bringen", befürchtet einer. Der Grund ist nicht etwa die Angst vor einem plötzlichen Wiederauftauchen des schwarzen Panthers, der im vorigen Sommer im Ruwertal gesichtet worden war. Die Ursache für die befürchtete Container-Verwaisung ist viel menschlicher: In unmittelbarer Nähe der Behälter stehen seit einigen Tagen - jeweils pünktlich zum Feierabendbeginn im angrenzenden Industriegebiet - zwei Frauen, die in Minirock und High Heels den Vorbeifahrenden ihre Liebesdienste anbieten (der TV berichtete). Wer also am Glascontainer parkt, dem könnte - so die Bedenkenträger - leicht ein anderes Anliegen zugeordnet werden als das moralisch tadellose Entsorgen alter Flaschen.
Lästermäuler behaupten dagegen, die Glascontainer seien ein ideales Alibi fürs Nur-mal-Gucken und würden daher einen immensen Zulauf erleben. Wer recht hat, kann die zuständige Entsorgungsfirma nicht aufklären: "Keine Auffälligkeiten bisher", meldet ART-GmbH-Mitarbeiter Thomas Schwarz. Die Trierer Kommunalpolitik läuft sich trotzdem schon mal warm. Überstürzen will zwar keiner irgendetwas. "Aber wenn der Straßenstrich sich über die nächsten Wochen hinaus dort etabliert und die Stadtverwaltung nicht selbst initiativ wird, dann wird die CDU eine Ausweitung des Sperrgebiets beantragen", erklärt CDU-Fraktionschef Ulrich Dempfle. Schließlich handele es sich um den Ortseingang nach Ruwer. "Die Prostituierten verleihen der Straße einen Milieucharakter und schädigen so das Image des Stadtteils", sagt Dempfle. Auch Betriebe hätten sich bei ihm beschwert. Sie befürchten, dass man einst bei Loeb- und Ruwerer Straße nicht mehr von der Route spricht, an der die Handwerkskammer liegt, sondern von der Straße, an der sich der Trierer Straßenstrich findet.
SPD: "Nicht überreagieren"


Auch Christiane Probst hat Beschwerdeanrufe erhalten. "Zunächst einmal sollte der Ruwerer Ortsbeirat das Thema diskutieren", schlägt die Chefin der FWG-Fraktion vor. Zwar gehöre Straßenprostitution auch zur Gesellschaft, "aber wenn Kinder und Jugendliche das so vorgeführt bekommen, ist das schon ein Problem". Mit ihrer Fraktion habe sie zwar noch nicht gesprochen, "aber ich persönlich würde der Ausweitung des Sperrgebiets zustimmen."
Bei den Grünen ist man abwartender. Zwar könne es für die anliegenden Betriebe problematisch sein, wenn sich der Straßenstrich ausweite. "Aber wenn wir einfach das Sperrgebiet vergrößern, verlagern wir die Angelegenheit nur", sagt Fraktionschef Gerd Dahm. Viel wichtiger als die Frage, wo die Frauen stünden, sei zudem, unter welchen Bedingungen sie arbeiten würden.
Innerhalb der SPD-Fraktion hat man zwar noch keine Rücksprache gehalten. "Aber zwei Schwalben machen ja auch noch keinen Sommer", sagt Rainer Lehnart. Herunterspielen will er die Angelegenheit allerdings nicht. "Aber man muss jetzt auch nicht hektisch und moralisch überreagieren - vielleicht löst sich der Fall ja noch von selbst." Zumindest eine der beiden Prostituierten hatte schließlich erklärt, dass ihre Geschäfte nicht gut laufen.Meinung

 Straßenstrich (Symbolbild).

Straßenstrich (Symbolbild).

Foto: istock

Doppelmoral
Der Anblick der beiden Prostituierten in der Ruwerer Straße mag vielleicht nicht jedem gefallen. Jugendgefährdend ist er allerdings nicht. Denn auch Kinder und Jugendliche haben schon so viel Gespür, um zu bemerken, dass die beiden Frauen zu einem gesellschaftlichen Randbereich gehören. Kein Mädchen wird sich die beiden Prostituierten als Vorbilder aussuchen. Und Jungs aus stabilen sozialen Verhältnissen werden ihr Frauenbild auch nicht aus dem Anblick der beiden beim Vorbeifahren im elterlichen Auto gewinnen. Kritikwürdige Rollenvorbilder liefern dagegen Medien und Modewelt. Wenn Models, die 17 sind und wie 15 aussehen, für Werbeplakate von Klamottenketten mit nasser Bluse im Sand knien und dabei eine Erotik ausstrahlen, der man sich kaum entziehen kann, oder wenn Heidi Klums minderjährige Top-Models auf Kommando sexy sein müssen, "weil der Kunde es so will", dann hat das eine viel prägendere Wirkung. Wie groß diese ist, sieht man schon an den Schmollmündern, die eine ganze Generation junger Mädchen und Frauen auf ihren Facebook-Profilbildern zieht. Aber weil dieser Sexismus in der Mitte unserer Gesellschaft stattfindet und nach allen Regeln der Ästhetik fotografiert und gefilmt wird, regt sich darüber keiner auf. c.wolff@volksfreund.de"Verbot der Prostitution" ist der Artikel 297 des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch überschrieben. Darin heißt es, dass für "Teile des Gebiets einer Gemeinde über 20 000 Einwohner (…) für öffentliche Straßen, Wege, Plätze, Anlagen und für sonstige Orte, die von dort aus eingesehen werden können", Prostitution verboten werden kann. Das Verbot kann auch auf bestimmte Tageszeiten beschränkt werden. Die Zuständigkeit für den Erlass eines solchen Verbots hat am 1. Januar 2011 gewechselt: Nicht mehr die Landesregierung - in Trier vertreten durch die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion - sondern die Landkreise und kreisfreien Städte selbst sind für die Festlegung ihrer Sperrgebiete zuständig. woc In der Rotlichtbranche herrscht offenbar eine große Fluktuation. Wie viele Prostituierte genau in Trier arbeiten, können daher weder das Finanzamt noch das städtische Ordnungsamt sagen. Neben dem Bordell in der Luxemburger Straße, den vier Clubs in Trier-Nord, den Bars in der Karl-Marx-Straße und den beiden Straßenprostituierten in der Ruwerer Straße sind dem Finanzamt aktuell rund 20 Wohnungen - verteilt auf das gesamte Stadtgebiet - gemeldet, die Prostituierte für ihr Gewerbe nutzen. Die Prostituierten sind zu einer jährlichen Steuererklärung verpflichtet. "Die meisten Damen arbeiten selbstständig und können Betriebskosten absetzen", sagt Jost Löns, Sprecher des Finanzamtes Trier. Dazu zählen etwa Ausgaben für Telefon, Mietkosten für eine Wohnung oder ein Zimmer, dienstliche Reisen, Zeitungsannoncen und Hygieneartikel. Bei Unterwäsche wird genau hingesehen: "Spezielle Wäsche erkennen wir als Betriebskosten an, normale Unterwäsche nicht", erklärt Löns. Kosmetik, wie etwa ein roter Lippenstift, kann ebenfalls nicht abgesetzt werden. "Make-up benutzen die Damen ja auch außerhalb ihres Arbeitslebens, das sind keine Betriebskosten", sagt Löns. woc

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