Straßenstrich in Trier? Nicht vor meiner Haustür!

Trier · Der Trierer Straßenstrich soll weg aus der Ruwerer Straße. 4,5 Jahre hat Ordnungsdezernent Thomas Egger gebraucht, um dieses Vorhaben in einem Konzept festzuschreiben. Als Standortalternative ist die Bitburger Straße vorgesehen - an der allerdings ohnehin schon seit Jahren Damen käuflichen Sex anbieten. Die Kreisverwaltung stellt sich gegen Eggers Konzept.

Im Sommer 2011 standen sie plötzlich am Rand der Ruwerer Straße: Frauen in Glitzerminirock, tief ausgeschnittenen Tops, hochhackigen Schuhen. Halb Ruwer war in Aufregung: Schon der Anblick der leichten Damen sei jugendgefährdend, echauffierten sich gar einige. Auch Triers damaliger Oberbürgermeister Klaus Jensen bezeichnete den neuen Straßenstrich an der belebten Ein- und Ausfallstraße als "inakzeptabel". Einfach verbieten ging allerdings nicht: Die Ruwerer Straße liegt außerhalb des Sperrgebiets der Stadt. Und nur innerhalb von Sperrgebieten ist Straßenprostitution verboten.

Ob und wie das Sperrgebiet auszuweiten ist, und wo die Prostituierten stattdessen ihrem - legalen - Job nachgehen könnten, dazu versprach Ordnungsdezernent Thomas Egger damals die Entwicklung eines Konzepts.
Viereinhalb Jahre später liegt dieses nun vor.
Beschlussreif ist es allerdings offenbar immer noch nicht. Über eine Stunde lang hat Eggers Dezernatsausschuss das Papier in seiner jüngsten Sitzung hinter verschlossenen Türen diskutiert. Gereicht hat das nicht. Die Beschlussvorlage soll demnächst erneut auf die Tagesordnung. Auch das Gesundheitsamt der Kreisverwaltung Trier-Saarburg ist von Eggers Lösungsvorschlag nicht begeistert.
Dem TV liegt sowohl das bis dato nicht-öffentliche Konzept als auch die interne Stellungnahme der Kreisverwaltung vor.

"Rechtsverordnung zum Schutz der Jugend und des öffentlichen Anstands im Bereich der Stadt Trier" ist Eggers Papier überschrieben. Inhaltlich besteht es aus einem Satz: "Für das gesamte Stadtgebiet mit Ausnahme der Bitburger Straße außerhalb der Wohnbebaung wird verboten, auf öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen, in öffentlichen Anlagen sowie an sonstigen Orten, die von dort aus eingesehen werden können, der Straßenprostitution nachzugehen".

An der Bitburger Straße, beziehungsweise der Zufahrt zum Parkplatz der Hochschule, gibt es allerdings ohnehin schon seit Jahrzehnten einen Straßenstrich. Im Effekt ist Eggers Konzept ein einfaches Verbot; eine Ausweitung des Sperrgebiets, ohne für die Damen eine Alternative zu schaffen.
Versucht hatte Egger das: die Metternichstraße in Trier-Nord, die Gottbillstraße (verläuft hinter dem Zewener Gewerbegebiet entlang der Bahngleise), und auch die Diedenhofener Straße im Gewerbegebiet Euren hatte der Ordnungsdezernent in den Focus genommen für eine Verlegung des Straßenstrichs aus der Ruwerer Straße. Statt an der wichtigsten Zufahrt vom Ruwerer Tal nach Trier hätten die Prostituierten dann an Gewerbegebietsstraßen gestanden. "Aber überall regte sich heftiger Widerstand", erklärt Egger im TV-Gespräch. In der Metternichstraße befürchteten zum Beispiel die anliegenden Fitnessstudios, dass Freier zumindest im Sommer leichtbekleidete Besucherinnen des Fitnesstudios mit den Sexarbeiterinnen verwechseln könnten. "Und auch aus allen anderen Straßen, die wir in Betracht gezogen haben, gab's heftige Beschwerden seitens der anliegenden Firmen. Es ist wiedermal so: Jeder sieht ein, dass eine Lösung hermuss - aber keiner will diese vor seiner Haustür haben."
"Gefährlich und unsicher"

Nicht einverstanden mit Eggers Kapitulation ist die beim Gesundheitsamt der Kreisverwaltung angesiedelte "Beratungs- und Untersuchungsstelle für SexarbeiterInnen". Die Beratungsstelle plädiert in einem internen Schreiben an die Stadtverwaltung "für die weitere Nutzung der Ruwerer Straße als Straßenstrich", die Ausweitung des Sperrgebiets auf das gesamte Stadtgebiet könnte zu einer "Verschiebung der Straßenprostitution in abgelegene und unbekannte Plätze" führen. Die Bitburgerstraße als Ausweichstelle bewertet die Kreisverwaltung als "gefährlich und unsicher", sie stelle "keine geeignete Option für die Frauen dar".
Laut Gemeindeordnung müssen Städte mit mehr als 50?000 Einwohnern Straßenprostitution grundsätzlich zulassen. Freigegeben werden dürfen dafür laut Rechtssprechung zum Schutz der Frauen nicht nur hinterste Winkel oder uneinsehbare Gelände in Waldnähe, wo die Damen möglichen Kriminellen schutzlos ausgeliefert wären. Die Bitburger Straße ist allerdings nicht gerade ein heller, sicherer Standort.
Dabei hatte der Trierer Stadtrat Egger vor vier Jahren explizit mit auf den Weg gegeben, dass bei der Neukonzeption des Sperrgebiets auch die Sicherheit der Frauen eine Rolle spielen soll.
Egger selbst weiß um die Schwächen seines Konzepts. "Ich sehe es daher auch eher als Diskussionsgrundlage denn als Beschlussvorlage", sagt er und räumt ein: "Es stimmt schon: Wir haben uns in den vergangenen vier Jahren im Kreis gedreht, einen echten Schritt weiter sind wir nicht."

Extra

Straßenprostitution in Trier
Drei bis fünf Frauen bieten laut Beratungsstelle der Kreisverwaltung Trier Saarburg an der Ruwerer Straße ihre Dienste an, an der Bitburger Straße sind es tagsüber zwei bis drei Damen und abends zwei. An beiden Standorten seien seit mehreren Jahren überwiegend die gleichen Frauen tätig. In der Ruwerer Straße beginnen die Frauen nicht vor Einbruch der Dunkelheit zu arbeiten. Laut Beratungsstelle fühlten die Frauen sich dort - auch wegen der regelmäßigen Polizeipatrouillen - generell sicher. Die Straßenprostitution habe sich in den vergangenen Jahren in Trier nicht nennenswert ausgebreitet oder vergrößert, sondern "behält eine stabile Angebotszahl". Eine Vertreibung der Frauen aus der Ruwerer Straße würde laut Fachstelle der Kreisverwaltung nicht zu einer Reduzierung der Straßenprostitution in Trier führen, sondern lediglich zu einer Verlagerung - auch an unbekannte oder wechselnde Plätze. Da die Parkplätze und Ausfahrten an der Bitburger Straße bereits durch Frauen besetzt seien, würden die Frauen aus der Ruwerer Straße dort eher nicht hin ausweichen wollen.Sonstige Prostitution: Laut einer Erhebung der Zeitung Welt am Sonntag im Jahr 2013 arbeiten in deutschen Großstädten rund 120 Prostituierte pro 100.000 Einwohnern. In der 105.000-Einwohner-Stadt Trier sind dagegen laut Schätzungen der Stadt rund 170 Prostituierte in tätig (unter anderem in 12 Bordellen und bordellartigen Betrieben). Dass es damit in Trier überdurchschnittlich viele Prostituierte gibt, liegt wohl an Triers Nähe zu Luxemburg, Frankreich und Belgien, in denen Prostitution teilweise verboten ist.

Meinung

Trotz viereinhalb Jahren Bearbeitungszeit ist Ordnungsdezernent Egger mit seinem Straßenstrich-Konzept alles andere als ein großer Wurf gelungen. Dass Sperrgebiet einfach auf die komplette Stadt bis auf den "Traditionsstrich" an der Bitburger Straße auszuweiten - das stand bereits 2011 zur Diskussion. Wegen Bedenken, die Frauen in diese unbelebte Ecke abzudrängen, wurde von dieser Idee damals abgerückt. Wie kann Egger jetzt genau jenen Vorschlag als "Diskussionsgrundlage" präsentieren?
Sicher: Wer eine Straße zum Straßenstrich machen will, der muss sich auf heftigen Gegenwind der Anlieger einstellen. Allerdings hatte Egger lange genug Zeit, um für Verständnis zu werben und breite Akzeptanz zu organisieren. Stattdessen hat er es noch nichtmal geschafft, eine einvernehmliche Lösung mit der zuständige Beratungsstelle der Kreisverwaltung zu finden. Christiane Wolff
c.wolff@volksfreund.de

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