Streit um Trierer Uni-Namen: Das Karl-Marx-Tabu

Trier · Heinrich Heine, Alexander von Humboldt und Martin Luther: Viele große Geister und Wissenschaftler der Geschichte zieren die Namen deutscher Universitäten. Von Zeit zu Zeit wird auch der Ruf nach einer Karl-Marx-Universität in Trier laut.

 Die Diskussion um Karl Marx als Namensgeber für die Trierer Universität ist derzeit wieder in vollem Gange. Doch die Chancen dafür stehen schlecht. TV-Foto: Friedemann Vetter

Die Diskussion um Karl Marx als Namensgeber für die Trierer Universität ist derzeit wieder in vollem Gange. Doch die Chancen dafür stehen schlecht. TV-Foto: Friedemann Vetter

Linken-Politiker Gregor Gysis Appell an die Stadt, zum 200. Geburtstag von Marx in fünf Jahren noch mal über die Umbenennung der Hochschule in Karl-Marx-Universität nachzudenken, löste unter Triers Lokalpolitikern heftige Reaktionen aus. In seiner Eröffnungsrede zur Karl-Marx-Installation von Ottmar Hörl vor der Porta Nigra am 5. Mai meinte der Linken-Politiker zudem, die Stadt Trier pflege einen verkrampften Umgang mit ihrem berühmtesten Sohn.

Das sagen Politiker: Besonders die jungen Lokalpolitiker wie zum Beispiel die Junge Union (JU) Trier bezogen zu Gysis Forderung Stellung. Die JU lehnt Marx als möglichen Namenspatron der Uni strikt ab. Ihrer Meinung nach hätten in Trier auch andere und ebenso bedeutende Persönlichkeiten ihre primäre Wirkungsstätte gehabt wie zum Beispiel Ambrosius, Caspar Olevian und Oswald von Nell-Breuning. Diese hätten es gleichermaßen verdient, bei der Namenswahl berücksichtigt zu werden, sagt der JU-Kreisvorsitzende Philipp Bett. Oberbürgermeister Klaus Jensen gefällt der aktuelle Name "Universität Trier", und für eine Umbenennung kann er sich nicht begeistern. "Ich habe in Mainz zum Beispiel noch nie einen Studenten sagen hören, er sei an der Johannes-Gutenberg-Universität. Die sagen alle, ich gehe zur Uni Mainz."

Das sagt der Asta: Studenten und Mitarbeiter der Universität lässt die hitzige Debatte, die Gysis Aufforderung unter Triers Lokalpolitikern auslöste, jedoch mehr oder weniger kalt. Nicht zuletzt, "weil entsprechende Versuche, den Uni-Namen zu ändern, von 1970 bis heute im Senat der Hochschule gescheitert sind", sagt Leif Knape, Sprecher des Allgemeinen Studierenden-Ausschusses (Asta) an der Universität Trier. Zwar hatte das Studierendenparlament im Jahr 2008 für sich beschlossen, künftig nur noch den Namen Karl-Marx-Universität zu führen. "Die Entscheidung des Studierendenparlaments zur Namensänderung ist jedoch rechtlich ohne jede Bedeutung, da nur ein Konsens im Senat der Hochschule mit Einverständnis des Wissenschafts- und Bildungsministeriums eine Namensänderung der Universität herbeiführen könnte", erklärt Triers Hochschulpräsident Michael Jäckel. Der Stadtrat habe mit der Umbenennung demgegenüber nichts zu tun.
Der Asta hat die Idee der Karl-Marx-Universität jedoch bis heute nicht begraben. Und zur Außendarstellung gegenüber der Presse und den Studierenden nennt sich der Asta bereits seit 2008 Studierendenausschuss der Karl-Marx-Universität. Es gäbe keinen anderen Wissenschaftler aus Trier, der so erfolgreich gewesen sei wie Marx, sagt Knape. Das solle man auch respektieren und mit einer Umbenennung der Universität honorieren. "Allerdings hat die Universität mit den finanziellen Einsparungen, die hier gerade erfolgen, gegenwärtig bedeutendere Probleme als ihren Namen", sagt Knape.

Das sagt das Ministerium: Die Bildungsministerin und gebürtige Triererin Doris Ahnen halte die aktuelle Diskussion über eine Karl-Marx-Universität indes für grundlos, sagt Yvonne Globert, Pressesprecherin des Ministeriums. Da dem Bildungsministerium aktuell kein Beschluss der Universität zur Umbenennung vorliege, äußere sich Ahnen derzeit nicht zur Debatte.
So stehen die Chancen für eine Umbenennung: Im Hochschulsenat, der neben dem Bildungsministerium über eine Namensänderung zu entscheiden hätte, ist die studentische Fraktion allein nicht mehrheitsfähig. Den vier studentischen Mitgliedern sitzen dort zwölf Professoren, fünf weitere Mitarbeiter der Hochschule und der Universitätspräsident Michael Jäckel gegenüber, der sich für einen neuen Namenspatron nicht begeistern kann (siehe Extra).Extra

Drei Fragen an Uni-Präsident Michael Jäckel.

Herr Jäckel, mit welchen Gefühlen verfolgt die Hochschulleitung die aktuelle Diskussion zur Namensänderung der Universität? Michael Jäckel: Das Thema wird immer wieder einmal "aufgeführt". Der Asta der Universität Trier hat auch einmal beschlossen, dass die Universität Karl-Marx-Universität heißt. Aber das ist eine Entscheidung, die für die Universität Trier nicht bindend ist. Eigentlich reden wir hier doch über einen alten Hut. An der Universität, in der Stadt und in der Region ist das kein Thema und wird auch kein Thema sein.

Stimmt es, dass die Unileitung Briefe des Asta mit Karl-Marx-Namenslogo ignoriert? Jäckel: Was heißt hier: ignoriert? Es gibt keine Karl-Marx-Universität Trier. Insofern könnte man jeden Brief, der ein solches Logo trägt, als nicht existent betrachten. Aber wenn ein Brief kommt - ich spreche jetzt für mich - ignoriere ich einfach das Logo und lese den Inhalt.

Welche Meinung haben Sie als Uni-Präsident zum Namen Karl-Marx-Universität Trier? Jäckel:Ich antworte Ihnen gerne mit Hilfe von Kategorien, die Karl Marx selbst zugeschrieben werden: Der Mehrwert einer solchen Entscheidung ist nicht erkennbar, eher die Entfremdung, die eine solche auslösen würde. Mit seinem Kapital sollte man sorgsam umgehen. Der These der Umbenennung folgt seit Jahren die Antithese, ohne erkennb are Aussicht auf Synthese. Von einem durch Dialektik angetriebenen Fortschritt keine Spur. Und - nur zur Erinnerung: Die Universität Leipzig hat im Jahr 1991 den Namen abgegeben. Ralf D ahrendorf, ein guter Kenner des Werks von Karl Marx, schrieb einmal: Kein Name "ist so gründlich und folgenreich gebraucht und missbraucht worden wie der von Marx". Lassen wir es also bei der Geschichte und bleiben wir bei der Tradition, die im Jahr 1473 begann. Es gibt viele Universitäten, die nie einen Zusatznamen hatten, zum Beispiel Köln, Basel, Rom, Stockholm, Wien - um nur wenige zu nennen. Hier, in Trier, bleibt es für die Universität also bei dem Namen der Stadt. Extra: Umfrage

Marlene Schubert, 24, studiert Archäologie: "Ich habe nichts gegen eine Umbenennung. Marx Erkenntnis, dass man nicht auf purem Kapitalismus beharren kann, ist auch in der heutigen Zeit noch von Bedeutung. Die Arbeitsbedingungen in Textilfabriken in Bangladesch oder Stundenlöhne von vier Euro in Deutschland sind Beispiele dafür, dass seine Ideen auch heute noch von Wert sind." Raphael Dittrich, studiert Wirtschaftssoziologie, 25: "Ich halte nichts von einer Umbenennung in Karl-Marx-Universität. Für mich ist das eine Politisierung der Uni, wobei gewisse Werte mitschwingen. Ganz egal, was man von Marx hält: Die Uni sollte neutral bleiben."

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