Systemfehler wird schöngeredet

Leserbrief zum Bericht "Die Förderklasse tut der ganzen Schule gut" (TV vom 2. November) über das Auguste-Viktoria-Gymnasium in Trier:

Es ist ein Ärgernis, was ich als Schüler dieser sonst ganz angenehmen Schule zu lesen hatte. Die journalistische Leistung ist ziemlich fragwürdig, da man sich als "Regelschüler" fragt: Wie kann die Aussage, dass die Förderklasse der ganzen Schule guttut, getroffen und als Überschrift verwendet werden, wenn nicht nach der Meinung der "Regelschüler" gefragt wurde?

Es freut mich sehr für einen Hochbegabten, wenn er sich an unserer Schule wohlfühlt. Ich kann auch Aussagen wie "Wir haben keine Probleme" von unserem Schulleiterteam sehr gut nachvollziehen. Unter einem einzigen Gesichtspunkt: Die Fassade darf nicht bröckeln.

Denn wo von individueller Förderung und Integrationsprozessen gesprochen wird, lassen die Veränderungen zu wünschen übrig. "Die Hochbegabtenschule ist ein Motor für individuellere Förderung", wird die Leitung des Hochbegabtenzweigs zitiert. Aber anscheinend kann ich als "Regelschüler" so individuell sein, wie ich will, und werde deswegen nicht stärker gefördert. Für mich stehen Integration und die Tatsache, dass Hochbegabte in einer separaten Klasse untergebracht sind, in einem krassen Gegensatz. Da frage ich mich manchmal - und da bin ich nicht der Einzige - wohin dieser von Frau Birk angesprochene "Prozess" uns denn führt.

Ich besuche diese Schule, seitdem der Hochbegabtenzweig existiert, und kenne das Ganze nicht anders. Trotzdem finde ich es unglaublich, wie ein solcher Systemfehler so schöngeredet werden kann. Die politische Verantwortung hat nicht die Schule, sondern die Landespolitik.

Die Hochbegabten haben es ganz sicher nicht leicht, wenn sie anfangs diese Schule besuchen. Jedoch kann ich mich noch gut daran erinnern, dass mir einige Schüler sehr elitär vorkamen und wohl teilweise nicht angemessen mit ihrem Status umzugehen wussten.

Trotzdem finde ich es schwer, ihnen das übel zu nehmen. Integration wird schließlich nicht durch Separierung gefördert.

Lasse Marz, Trier

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