Tatort Schule

"Perspektiven für eine gewaltfreie Schule?" wollen im Moment Polizisten, Lehrer und Forscher aus ganz Deutschland in der Katholischen Akademie in Trier erarbeiten. Zuerst ging es gestern um "Amok in der Schule".

Trier. Amokläufe an Schulen kommen nicht häufig vor. Aber wenn sie passieren, erschüttern sie die Menschen weltweit und sorgen für ein gewaltiges Medienecho. Weniger hat sich bisher die deutsche Wissenschaft mit dem Thema beschäftigt. Aber ein Forscher, der sich mit dem Thema "Amok in der Schule" auskennt, eröffnete gestern Nachmittag die Tagung "Perspektiven für eine gewaltfreie Schule?" in der Katholischen Akademie. Christian Bergmann promoviert am Lehrstuhl von Professor Britta Bannenberg für Kriminologie an der Justus-Liebig-Universität in Gießen - eine der Top-Expertinnen für Amokforschung in Deutschland. Schwierig bei der Prävention von Amokläufen ist laut Bergmann immer, die Gefahrenlage richtig einzuschätzen.

In der Region hatten zum Beispiel am Willibrord-Gymnasium in Bitburg und in der Realschule in Daun im Oktober und im Dezember 2008 Schüler mit Amokläufen gedroht (der TV berichtete). Allerdings entpuppten sich die Drohungen als bitterböse Schülerscherze. Nichtsdestotrotz lösten die Schüler mit ihrem Streich kostspielige Polizeieinsätze aus.

Bergmann beschäftigt sich in seiner Forschung vor allem mit Täterprofilen und Bedrohungslagen. Und das ist meist nicht unproblematisch: Täter können oft nur von Gerichtsmedizinern untersucht werden, denn die meisten der hauptsächlich männlichen 15- bis 25-jährigen Täter sind vorher unauffällig und bringen sich nach der Tat um - sie können also nicht mehr psychiatrisch untersucht werden. Zwar stellt sich im Nachhinein oft heraus, dass die Täter in Waffen vernarrt waren oder dass ihr Verhältnis zum Vater nur über die Beschäftigung mit Waffen aufgebaut war. Aber oft merken Lehrer, Freunde oder Eltern vor der Tat nicht, dass mit den Tätern etwas nicht stimmt.

Deshalb ist es schwierig, hier konkrete Handlungsanweisungen für Eltern oder Lehrer zu geben. "Man muss als Lehrer eine Antenne für Problemlagen haben", sagt der Forscher. Im Elternhaus hingegen gelte: "Keine Grenzen oder zu viele Grenzen, das ist beides schlecht." So nennt er das Beispiel von Robert Steinhäuser, der 2002 im Gutenberg-Gymnasium in Erfurt 16 Menschen und sich selbst getötet hat. Dessen Elternhaus war laut Bergmann ein überbesorgtes.

Um Amokläufe und Gewalttaten an Schulen zu verhindern, schlägt Bergmann eine enge Zusammenarbeit zwischen Eltern, Lehrern und Polizei vor. Er fordert auch ein positives Schulklima mit Vertrauenslehrern, die sich wirklich um die Kinder kümmern, und härtere gesetzliche Regelungen beim Waffenbesitz und beim Jugendschutz. Extra Die Tagung "Perspektiven für eine gewaltfreie Schule? Projekte und Konzepte" dauert noch bis Freitag, 23. Januar. Polizisten aus Stuttgart, Frankfurt an der Oder sowie Bremen, Lehrer aus Freiburg und Mediatoren aus Berlin versprechen sich von der Konferenz Impulse für ihre Arbeit. Brutale Prügeleien und Amokläufe an Schulen wollen sie künftig vermeiden. Heute und morgen stehen noch insgesamt sieben Vorträge auf dem Programm. Unter anderem spricht Judith Hilgers von der Arbeitsgemeinschaft sozialwissenschaftliche Forschung und Weiterbildung von der Universität Trier zum Thema "Happy slapping als Phänomen jugendlicher Gruppengewalt". (cmk)

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