Tausche Hörsaal gegen Elendsviertel

Raus aus der wohlhabenden kleinen Universitätsstadt, rein in die Slums der kenianischen Hauptstadt Nairobi: 19 Trierer Geografie-Studenten wollten herausfinden, wie man die afrikanischen Elendsviertel sicherer machen kann. Zurückgekehrt sind sie mit vielen interessanten Geschichten - und der Erkenntnis, dass Lebensfreude keine Frage des Wohlstands ist.

Trier. Auf der Landkarte sieht man nur eine große grüne Fläche. Doch die Realität sieht anders aus, besteht aus Matsch, Müll und Wellblech: Keine Karte verzeichnet die Elendsviertel in Nairobi, ebenso wenig existieren ihre Bewohner in offiziellen Statistiken. "Mehrere Hunderttausend Menschen leben auf einer Fläche, die etwa halb so groß ist wie die Trierer Innenstadt", bilanziert Andreas Eberth. Der Geografie-Student hat zusammen mit Kommilitonen und Dozent Johannes Michael Nebe Kenia und Tansania bereist, rund vier Wochen lang, danach folgte eine zweiwöchige Projektstudie zum Thema Sicherheit in den Slums von Nairobi. "Es ging uns um die Frage, wie man dort für mehr Sicherheit sorgen kann", sagt Katrin Hagebucher, die im achten Semester Geografie studiert.

Neben häuslicher Gewalt ist das mangelnde Vertrauen in staatliche Stellen das größte Problem: "Die Polizei vor Ort ist korrupt. Wer Unrecht erlebt, muss sich selbst helfen und kann auch der Justiz kaum vertrauen", bilanziert die Studentin Luisa Stemmler.

Investitionen in die Infrastruktur allein können kaum etwas ausrichten, befinden die Studenten. "Eine mögliche Lösung wäre es, wenn mehr Kinder eine Schule besuchen könnten. Dazu müssten sich verschiedene Organisationen vor Ort besser vernetzen, um mehr Angebote schaffen zu können", sagt Andreas Eberth, der nach der Exkursion noch ein Praktikum in einer Schule gemacht hat.

In Zusammenarbeit mit dem Förderungsprogramm "Safer Cities" der Vereinten Nationen haben die Studenten Slumbewohner befragt, Diskussionsveranstaltungen organisiert und mögliche Szenarien geprüft. Nebenbei haben sie die größten Slums in einer eigenen Karte festgehalten, aktuell arbeiten sie an der Ausarbeitung eines detaillierten Abschlussberichts.

Gewalt, Korruption und Armut - welche Eindrücke nimmt ein Mensch mit, der aus einem der reichsten Industrieländer in eines der ärmsten Gebiete der Erde reist? "Am meisten beeindruckt hat mich die Fröhlichkeit der Menschen dort", sagt Karin Spisla. "Die Kinder in den Straßen haben uns zugewunken, bei Familien waren wir jederzeit willkommen. Trotz der unvorstellbaren Armut verzweifeln die Menschen nicht. Für Europäer ist das ein fast schon unwirkliches Szenario." Mit Angst vor einer fremden Welt haben diese Eindrücke nichts zu tun, mit Respekt vor dem Leben der Menschen vor Ort dafür umso mehr. Das zeigt am deutlichsten die Karte, die die Studenten von den Slums angefertigt haben: Statt der grünen Fläche auf der offiziellen Darstellung sind nun verwinkelte Straßenzüge und Strukturen zu erkennen - sie zeigen das Leben, das zuvor ausgeblendet wurde.

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