Telefonseelsorge stößt an ihre Grenzen

Sie wird gebraucht wie nie: Mit 64 000 Gesprächen im vergangenen Jahr war die ökumenische Telefonseelsorge in Rheinland-Pfalz erneut bis an ihre Grenzen ausgelastet. Doch das Angebot ist bedroht.

Trier/Mainz. (ren) Wegen der rückläufigen Kirchensteuern "ist unsere Arbeit, wie sie heute ist, gefährdet", sagt Georg Krämer von der Telefonseelsorge Nahe-Hunsrück. Er spricht für das ganze Land.

Das Budget für die Telefonseelsorge Trier ist seit 20 Jahren nicht mehr gestiegen, berichtet Gabriela Kokott. Im Gegensatz zu den übrigen Stellen ist Trier als einzige in rein katholischer Trägerschaft - ein Vorteil, meint Kokott, weil dadurch die Verschiebetaktik zwischen ökumenischen Partnern entfällt. Kokott ist dennoch froh um den vor rund zehn Jahren gegründeten Förderverein: Ohne dessen Spenden und eingeworbene Sponsorengelder würde es für die über 1000 Euro kostende Ausbildung der 72 ehrenamtlichen Mitarbeiter "sehr eng".

Während eines Telefonats werden im Schnitt 8,1 vergebliche Anrufversuche registriert. Gesellschaftliche Entwicklungen spüren die 463 ehrenamtlichen Mitarbeiter in landesweit fünf Bezirken direkt.

Der Anteil jugendlicher Anrufer unter 20 Jahren kletterte in den vergangenen Jahren auf etwa 30 Prozent. Darunter sind viele Scherz- und Testanrufe, doch auch diese haben meist "einen ernsten Hintergrund", sagt Jochen Kreyer (Telefonseelsorge Mainz-Wiesbaden).

"Die Jugendlichen haben gelernt, dass Eltern oder Erwachsene nicht mehr so belastbar sind." Ihre Themen sind vor allem "Schulprobleme", "erste Beziehungen" und "erste sexuelle Erfahrungen".

Die Schließung psychiatrischer Kliniken zugunsten einer gemeindenahen Betreuung macht die Telefonseelsorge verstärkt zum Ansprechpartner für diese meist alleinlebenden Menschen. Rund ein Viertel der Anrufer ist psychisch krank.

Der Anstieg bei den männlichen Anrufern auf knapp 40 Prozent sei per se kein schlechtes Zeichen. "Männer entdecken zunehmend, wie wichtig es sein kann, über ihre Probleme zu reden und nicht alles mit sich allein auszumachen", sagt Heiner Seidlitz aus Kaiserslautern. Gleichzeitig seien Männer über ihr Rollenbild verunsichert. Trotz des steigenden Bedarfs ist laut Krämer an einen Ausbau der Kapazität nicht zu denken. Bei allen Anlaufstellen im Land, die durch Anrufweiterleitung vernetzt sind, stagnieren die Budgets oder sinken sogar. In Bad Kreuznach wurden die hauptamtlichen Koordinatorenstellen um 0,25 auf 1,75 Stellen gekürzt.

Die Telefonseelsorge ist jederzeit kostenlos unter 0800/ 1110111 erreichbar.

Internet: www.telefonseelsorge.de

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