Interview mit Bernd Geller, Aids-Hilfe Trier „Test-Angebote werden zu selten angenommen“

Trier · Der Verein Aids-Hilfe Trier berät und informiert seit 1985 Menschen aus der Region über HIV. Auch Infizierte werden in der Saarstraße 55 mit ihren Sorgen unterstützt. Der Psychologe Bernd Geller ist seit Anfang der 2000er-Jahre für den Fachbereich Prävention zuständig.

 Bernd Geller.

Bernd Geller.

Foto: TV/Maria Adrian

Im Volksfreund-Interview erklärt er, wie sich das Bild der Immunschwäche-Krankheit in den vergangenen Jahren gewandelt hat.

Herr Geller, zum Welt-Aids-Tag wird einmal jährlich über HIV gesprochen. Sonst spielt das Thema in der Öffentlichkeit nur noch eine Nebenrolle. Wird die Krankheit unterschätzt?

Geller: Ohne Zweifel war HIV in den 1980er- und 1990er-Jahren aufgrund seiner starken Medienpräsenz ein größeres Thema als heute.

Negativ an dem Wegfall dieser medialen Aufmerksamkeit ist sicherlich, dass viele Menschen heute nach wie vor ein veraltetes und unrealistisches Bild von HIV haben und aus Unwissenheit oder Angst heraus einen Test unterlassen.

Patienten erleben außerdem noch heute Diskriminierung, was sich wiederum negativ auf die psychische Gesundheit auswirkt und Menschen mit noch nicht diagnostizierter Infektion vielleicht ebenfalls von einem Test abhält.

Auf der anderen Seite konnte HIV erst durch den Wegfall der „Dauerpräsenz“ zu einer „normaleren“ Infektionskrankheit werden, über die Menschen heute auch „normaler“ sprechen können.

Es hat also ein gesellschaftlicher Wandel stattgefunden?

Geller: Ja, gerade für viele Jugendliche ist es heute eine Selbstverständlichkeit ein Kondom zu benutzen, um Schwangerschaft und möglichen Krankheiten vorzubeugen. In der Anfangszeit meiner Arbeit in der Aids-Hilfe habe ich hingegen noch oft Diskussionen geführt, ob man seiner Partnerin oder seinem Partner durch den Vorschlag zur Kondombenutzung nicht Krankheit, Promiskuität oder Fremdgehen unterstellt – oder sich selbst in diesen Verdacht bringt. Das ist heute ganz klar anders.

Die Deutschen schützen sich also, die Präventionsarbeit ist erfolgreich?

Geller: Die rückläufigen Neuinfektionszahlen sind ein guter Beleg dafür, dass HIV-Schutz in Deutschland funktioniert. Dank der enormen medizinischen Entwicklung können sich Menschen heute nicht nur durch Kondome, sondern auch durch Therapie oder die vorbeugende Einnahme von HIV-Medikamenten vor Ansteckung schützen.

Gerade bei Männern, die Sex mit Männern haben, trägt vor allem die zunehmende Selbstverständlichkeit regelmäßiger HIV-Tests dazu bei, dass eine Infektion frühzeitig erkannt wird.

Bei Menschen, die sich über heterosexuelle Kontakte oder Drogenkonsum infizieren, haben wir aber leider noch steigende Fallzahlen. Eben auch, weil HIV-Testangebote von ihnen zu selten angenommen werden.

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