Corona-Folgen Keine Arbeit, keine Einnahmen - Theaterpädagogin aus Trier: „Ich habe heulend vor Anträgen gesessen“

Trier · So richtig durchstarten – das war Melanie Telles Plan für dieses Jahr. Dann kam Corona und traf sie gleich doppelt: als selbständige Theaterpädagogin und als alleinerziehende Mutter von vier Kindern.

 Garten statt Schulungsraum: Nur Melanie Telles Haustiere finden das gut.

Garten statt Schulungsraum: Nur Melanie Telles Haustiere finden das gut.

Foto: Karin Pütz

Seit der Corona-Krise ist ein Wort in aller Munde: „systemrelevant“. Lehrer sind es, Schauspieler nicht. Die Berufsbezeichnung Theaterpädagoge beschreibt beide Begriffe. Doch während die Bundesliga demnächst wieder auf dem Platz kickt und foult, gilt für alles, was auch im weitesten Sinne mit Kunst und Kultur zu tun hat, das Prädikat „nicht systemrelevant“.

Seit drei Jahren arbeitet Melanie Telle als selbständige Theaterpädagogin. „Ich habe mir gerade etwas aufgebaut und wollte durchstarten, da kam Corona“, sagt die 43-jährige alleinerziehende Mutter von vier Söhnen.

Dass sie momentan nicht arbeiten darf und bei der Bewilligung von Fördergeld durch alle Raster falle („ich habe jetzt keine betrieblichen Kosten“), ist nur eine ihrer Sorgen. „Ich habe stundenlang heulend vor diversen Anträgen gesessen. Ich fand das alles schwer verständlich. Allein die Einordnung, in welche Kategorie man gehört, war eine bürokratische Hürde“, erzählt sie und ergänzt: „Aber mein größter Frust ist nicht das fehlende Geld.“ Denn einer ihrer Auftraggeber ist eine Einrichtung für körperlich und psychisch beeinträchtigte Jugendliche und junge Erwachsene. „Gerade bei den jungen Leuten habe  ich so große Erfolge gesehen – dann kam Corona“, sagt Melanie Telle.

„Mit der Theaterpädagogik kann man Menschen in ihren Kompetenzen fördern und fordern. Sich trauen, sich selbst zu vertrauen. Nähe zulassen, anderen Menschen gegenüber sicher auftreten, Körpersprache anwenden und lesen, Eigen- und Selbstwahrnehmung einschätzen – alles das ist mit Theaterpädagogik zu erreichen“, erklärt Melanie Telle. Nun kann sie wochen- oder gar monatelang nicht mit ihren Schülern arbeiten, um das zu festigen, was sie bereits trainiert hatten.

Auch ihre generationsübergreifenden Kurse im Eurener Druckwerk kann sie nicht geben, was sie sehr bedauert, auch wenn ihre etwa 20 Kursteilnehmer verständnisvoll und geduldig reagierten.

Keine Arbeit, keine Einnahmen, doch Melanie Telle ist ein positiver Mensch, dem es trotz der eigenen Schwierigkeiten gelingt, anderen durch die Krise zu helfen.

Ihr sei bewusst, dass es viele Menschen gibt, denen es schlechter gehe. „Im Freundeskreis habe ich ein bisschen die Seelsorge-Funktion“, sagt sie lachend. Auch ihre Söhne im Alter von 12 bis 22 Jahren, von denen nur der Älteste nicht mehr bei ihr wohnt, momentan bei Laune zu halten, gelingt ihr „meistens. Zum Glück haben wir einen Garten und wohnen am Wald. Ich habe die Kinder beschäftigt mit dem Anlegen von Beeten, und sie haben Unkraut gejätet. Ich achte darauf, dass sie sich körperlich betätigen und dass ich mit ihnen im Gespräch bleibe.“

Wann sie ihren nicht systemrelevanten Job wieder ausüben darf, kann Melanie Telle nicht sagen. Aber sie hat eine Idee, auch wenn sie das finanziell nicht retten wird: „Ich werde jetzt meine Programme darauf ausrichten, mehr Einzeltrainings zu geben.“

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