Tour durch Trier, wie es einmal war

Trier · Die Fotografie als historische Quelle steht im Fokus einer gemeinsamen Veranstaltung des Stadtarchivs und der Fotografischen Gesellschaft Trier am Montag, 7. März, 18 Uhr. Bei der Veranstaltung im Archiv-Lesesaal (Weberbach 25) zeigt Bernhard Simon eine Auswahl der Fotoschätze seines Hauses.

Tour durch Trier, wie es einmal war
Foto: roland morgen (rm.), Anja Runkel ("TV-Upload morgen"

Trier. Nix los auf dem Hauptmarkt. Kutscher warten mit zwei zweispännigen Viersitzern und einem einspännigen Zweisitzer am Marktkreuz auf Kundschaft, die weit und breit nicht in Sicht ist. Provinzstadt-Idylle mit einem Hauch von mediterraner Siesta?

Ganz und gar nicht. Der Schattenwurf der Kutschen verrät: Das Foto ist morgens im Frühjahr oder Herbst entstanden. Vermutlich an einem Sonntag. Möglicherweise, als im Dom und in St. Gangolf gerade Gottesdienst ist. So ganz menschenleer sind Hauptmarkt und Simeonstraße aber doch nicht. Bei genauem Hinsehen erkennt man Passanten - als schemenhafte, verwischte Gestalten.

Nur wer in Bewegungslosigkeitkeit verharrt, ist später wiederzuerkennen auf dem in Langzeitbelichtung entstandenen Bild.
"Aufgenommen wurde es um 1875 und ist damit eines der ältesten Fotos aus unserem Bestand", sagt Bernhard Simon (59), Leiter des Stadtarchivs. Die Aufnahme stammt von Peter Krapp (1827-1900), laut Adressbuch von 1861 einer der ersten Trierer mit der Berufsbezeichnung "Photograph". Als Krapp seine Kamera im Obergeschoss vermutlich des Hauses links vom Gangolfportal auslöst, entsteht ein Dokument von außerordentlicher Bedeutung für seine Heimatstadt. Noch immer sind gemalte oder gezeichnete Ansichten vom Hauptmarkt das Maß der Dinge. Doch wie es dort wirklich aussieht, zeigt nur die Fotografie, die damit zur historischen Quelle wird.

Mehr als 100 000 Fotos, Negative und Ansichtskarten umfasst der Bildbestand des Stadtarchivs, das sein Leiter Bernhard Simon gerne "als das Gedächtnis Triers" bezeichnet. Dass neben Urkunden, Handschriften und Büchern den Lichtbildern ein besonderer Stellenwert zukommt, liegt auf der Hand. Denn nur die Fotografie dokumentiert detailliert den Wandel, den Trier gerade in den letzten anderthalb Jahrhunderten erlebt hat. Nach der Gründung des Kaiserreichs (1871) wird die preußische Schlacht- und Mahlsteuer abgeschafft. Damit verliert Triers Stadtmauer, die längst nicht mehr zur Verteidigung, sondern nur noch als Zollgrenze dient, ihre Bedeutung.

Das Provinznest wird Boomtown. Und wie Stadttore und größtenteils die Mauer der Spitzhacke zum Opfer fallen, müssen auch viele teils jahrhundertealte Häuser dem Modernisierungshype der Gründerjahre weichen. Wilhelm Deuser (1861-1953), der zwischen 1903 und 1908 historische Gemäuer und ganze Straßenzüge fotografiert, wird unfreiwillig zum Chronisten eines Stadtbildes, das dem Untergang geweiht ist. Zwei Weltkriege und ein Wirtschaftswunder später "kennen wir das Aussehen vieler verschwundener Bauten und Stadtteile nur noch aus Deusers Fotografien", weiß Simon. "Sie sind für die Heimat- und Bauforschung unentbehrliches dokumentarisches Material."Ausstellung mit Deuser-Fotos

 Hüter wertvoller historischer Dokumente: Bernhard Simon, Leiter des Trierer Stadtarchivs. TV-Foto: Roland Morgen

Hüter wertvoller historischer Dokumente: Bernhard Simon, Leiter des Trierer Stadtarchivs. TV-Foto: Roland Morgen

Foto: roland morgen (rm.) ("TV-Upload morgen"
 Kurz vor dem Abriss 1898: Der Brunnen auf dem Viehmarkt.

Kurz vor dem Abriss 1898: Der Brunnen auf dem Viehmarkt.

Foto: roland morgen (rm.), Anja Runkel ("TV-Upload morgen"
 Ungewohnte Ruhe auf dem Hauptmarkt. Diese Aufnahme von Peter Krapp ist rund 140 Jahre alt.

Ungewohnte Ruhe auf dem Hauptmarkt. Diese Aufnahme von Peter Krapp ist rund 140 Jahre alt.

Foto: roland morgen (rm.) ("TV-Upload morgen"


Sie spielen auch in der Vortragsveranstaltung am Montag, 7. März, 18 Uhr, im Lesesaal des Stadtarchivs (Weberbach 25) eine besondere Rolle. Die rund 90 historischen Fotos, die Simon darin präsentiert, stammen zu fast zu einem Drittel von Deuser. Die Bilder stammen aus einer privaten Schenkung und werden für einige Wochen ausgestellt.

Der "fotografische Rundgang durch die Stadtgeschichte" beginnt mit Krapps Hauptmarkt-Bild und dem Abriss der Stadttore und reicht bis in die 1960er Jahre. Selbstverständlich mit dabei: Das Hotel Porta Nigra, abgerissen 1966.
Zur Einführung wird Richard Krings, Vorsitzender der Fotografischen Gesellschaft Trier, das Thema Fotos und Quellen aus Historikersicht beleuchten.
Der Eintritt zur Gemeinschaftsveranstaltung von Stadtarchiv und Fotografischer Gesellschaft Trier ist frei.

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