Trauer, Wut, Fassungslosigkeit – alles in einem

TRIER. Aller schlechten Dinge sind drei, wenigstens für Anke Hanakam. Zum dritten Mal nach 2002 und 2004 hat die Eurenerin frei umherliegende Menschen-Knochen auf dem Friedhof ihres Stadtteils gefunden. Vom städtischen Grünflächenamt fühlt sie sich bitter enttäuscht: "Einmal kann so etwas ja passieren. Aber wiederholen darf es sich nicht."

Anke Hanakam ist Stammgast auf dem Eurener Friedhof, besucht ihn bis zu fünfmal wöchentlich. "Nicht aus Langeweile, sondern weil viele Angehörige von mir dort liegen", sagt die 62-jährige. 1984 kam Tochter Anja bei einem Verkehrsunfall ums Leben, vor zwei Jahren starb ihr Mann. Trauer macht sensibel. Deshalb sei sie geschockt gewesen, als sie im Frühjahr 2004 frei umherliegende Schädelstücke sah, die aus frischem Erdaushub herausschauten. Nach dem Fund eines Unterkiefers zwei Jahre zuvor war für Anke Hanakam das Maß voll. Sie wandte sich an den Trierischen Volksfreund, der in einer Teilausgabe über die grausigen Funde berichtete. Damals schwor sich die Eurenerin, "die Augen auf dem Friedhof ganz weit aufzumachen". Aus triftigem Grund: Anfang dieses Jahres wurde nach 20-jähriger Ruhezeit das Reihengräberfeld aufgehoben, in dem ihre Tochter bestattet worden ist. Und just dort erlebte sie in der vergangenen Woche Unfassbares. "Ich war auf dem Weg zu der Stelle, an der sich das Grab meiner Tochter befand, da sah ich schon von weitem ein Schädelstück aufblitzen. "Da kam auf einmal alles zusammen: Wut, Trauer, Zorn, Fassungslosigkeit", beschreibt sie die "Welle unguter Gefühle", die sie erfasst habe, "so geht man doch nicht mit Toten um." Zu allem Unglück fand sie auf dem ausgehobenen Gräberfeld außer dem Schädelfragment noch mehr Knochen, darunter ein Stück Wirbelsäule. Ihre erste Anlaufstelle war nicht mehr das städtische Grünflächenamt ("von denen bin ich bitter enttäuscht"), sondern der Trierische Volksfreund. Gestern beim Ortstermin mit dem TV wuchs die "Sammlung" noch weiter an. "Ich habe hier selber schon viele Knochen herumliegen sehen", bestätigte eine 74-jährige Eurenerin, die das Grab ihres Mannes pflegte. Eine andere Friedhofsbesucherin sieht sich "jetzt endgültig bestätigt" in ihrer Absicht, sich nach dem Ableben einäschern zu lassen: "Ich will nicht, dass meine Knochen irgendwann hier die Leute schocken." Die von ihr entdeckten menschlichen Überreste hat Anke Hanakam "mit nach Hause genommen, damit sie behütet sind. Ich rücke sie erst dann wieder heraus wenn man verspricht, dass sie ordentlich beigesetzt werden." Grünflächenamts-Chef Franz Kalck bedauert die Vorkommnisse, sieht sich aber "außer stande, eine Garantie dafür zu geben, dass so etwas nicht mehr vorkommt." Viele Trierer Friedhöfe seien - wie der Eurener - seit Generationen belegt und der Erdaushub von Überresten durchmischt: "Wenn es heftig regnet, können solche Reste freigespült werden." Schlampige Arbeit schließt Kalck aus: "Unsere Friedhofsarbeiter gehen sorgfältig zu Werke." Dennoch will er noch einmal mit ihnen reden und um noch mehr Sorgfalt bitten. Auch mit Anke Hanakam will er sprechen: "Ich kann ihren Unmut nachvollziehen." Die Fundknochen würden noch einmal beigesetzt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort