Veranstaltungen Ab sofort können alle in der Trierer Pauluskirche die Welt der Blinden erfahren

Trier · In Trier wurde die ungewöhnliche Ausstellung „Dialog im Dunkeln“ eröffnet: Zu sehen gibt es dort nichts, denn Blinde führen dort die Sehenden durch die Welt der Dunkelheit.

 Eröffnung vor der Tür ins Dunkle (vorne von links): Manfred Bitter (Nikolaus-Koch-Stiftung), Graciela Bruch (Globus-Stiftung), Schirmherrin Malu Dreyer und Initiator Andreas Heinecke.

Eröffnung vor der Tür ins Dunkle (vorne von links): Manfred Bitter (Nikolaus-Koch-Stiftung), Graciela Bruch (Globus-Stiftung), Schirmherrin Malu Dreyer und Initiator Andreas Heinecke.

Foto: Friedhelm Knopp

Die Idee ist der Rollentausch: Wenn Sehende in eine Welt absoluter Dunkelheit eintauchen, werden sie zu hilflosen Opfern ihres plötzlich ausgeschalteten Sehsinns. Nur Blinde können sie noch sicher durch diese schwarze Welt führen, denn sie sind allein auf Tast-, Gehör- und Geruchssinn angewiesen. Sinne, die bei Sehenden im täglichen Leben eher eine Nebenrolle einnehmen, bei blinden Menschen dagegen hoch entwickelt sind.

Um diesen Rollentausch für eine breite Öffentlichkeit erfahrbar zu machen, hat am Wochenende in der ehemaligen Trierer Pauluskirche die Ausstellung „Dialog im Dunkeln“ begonnen. Sie steht zunächst bis Ende Juli 2019 offen.

Veranstalter ist der gleichnamige Verein „Dialog im Dunkeln“ aus Hamburg. Zusammen mit dem Ausstellungsgestalter „Dialogue Social Enterprise“ hat er seit Oktober am Aufbau der aufwändigen Ausstellungsanlage gearbeitet. Doch für eine Gruppe Eröffnungsbesucher gibt es im total abgedunkelten Inneren nichts zu sehen. Nur mit Blindenstöcken ausgerüstet, müssen sie sich durch die Schwärze vorarbeiten. Jeder merkt sofort, dass er hier an seine Grenzen gerät. Halt gibt nur die beruhigende Stimme des blinden Führers Thomas Jäger, der alle behutsam durch die Themenräume „Parkanlage, Innenstadtstraße und Café“ leitet. Schon der „Park“ wird für die meisten Gäste zum Schreckerlebnis:

Die Füße ertasten mal gemulchten Boden, mal Gras, Vögel zwitschern, etwas Wind bläst, links fühlt die Hand eine Schilfwand, dann ein kleiner Baumstamm, eine Statue steht plötzlich im Weg, dann ein wackeliger Steg über einen Bach – für alle eine ernste Herausforderung. Die Schirmherrin der Ausstellung, Ministerpräsidentin Malu Dreyer, bringt es später bei der Eröffnungsfeier so auf den Punkt: „Eine Ausstellung, bei der es viel zu entdecken, aber nichts zu sehen gibt.“

Diese Entdeckungsreise bietet „Dialog im Dunkeln“ inzwischen weltweit auf fast allen Kontinenten an. Initiator und Schöpfer des Ausstellungskonzepts ist Andreas Heinecke, dem die Idee 1988 bei der Hilfe für einen plötzlich erblindeten Journalisten gekommen war. Heinecke: „Wir gehen an das Thema ,blinde Behinderte‘ nicht mit der pädagogischen Keule ran – sondern das darf durchaus unterhaltsam mit einem ,Geisterbahneffekt‘ daherkommen. Die Dunkelheit als Lernmedium und zur Unterhaltung, und das im Kontext mit Behinderung, möge für viele wie ein Sakrileg klingen – „aber alle, die dort hineingehen, kommen anders wieder raus“. Von einem „Kick mit Lerneffekt“ spricht Katharina Petersen von Social Enterpreise – „wir hatten auch schon Kindergeburtstage dabei“.

Und warum kommt man damit in die ehemalige Trierer Pauluskirche? Da verweist Initiator Heinecke auf die Trierer Nikolaus-Koch-Stiftung. Deren Vorsitzender Manfred Bitter sei auf den Verein zugekommen und habe die Pauluskirche als Standort empfohlen. Große Unterstützung erhalte das Projekt auch durch das Landesamt Soziales, Jugend und Versorgung. Dessen Beiträge stammten nicht aus dem Landeshaushalt, sondern aus Unternehmenspflichtabgaben bei Nichtbeschäftigung von Behinderten. Und als zusätzlicher Sponsor sei die Globus-Stiftung beteiligt.

Das Ergebnis nach wochenlanger Arbeit: Eine innen komplett als Ausstellung ausgestattete Pauluskirche und zwölf bis August beschäftigte Teilzeit- und Vollzeitkräfte, darunter elf Blinde. Heinecke: „Damit sind wir der größte Arbeitgeber von Blinden in ganz Rheinland-Pfalz.“ Aktiv eingebracht hat sich direkt gegenüber die Hochschule (HS) für Design mit ihren Studierenden Alois Kaufmann, Marc Hary, Jana Hempelmann, Florian Leible und Projektleiter Daniel Vollstedt. Die HS-Gruppe entwarf die Werbekampagne mit Plakaten, Social Media Posts und anderen Werbemitteln.

Bei der Eröffnungsfeier in der HS-Aula am Paulusplatz begrüßte Dekan Matthias Sieveke als Hausherr die Gäste aus Politik, Verwaltung, Kirche, Bildung und Verbänden. Grußworte sprachen Schirmherrin Malu Dreyer, Manfred Bitter von der Nikolaus-Koch-Stiftung, Graciela Bruch von der Globus-Stiftung und Andreas Heinecke vom „Dialog im Dunkeln“. Könnte es nach Juli 2019 am Standort Pauluskirche weitergehen? Heinecke und Bitter lassen die Frage offen: „Wir müssen abwarten, ob die Ausstellung gut ankommt. Wenn ja, dann wird es viele Gespräche und Überlegungen geben.“

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