Geburtstag „Bin ein moderater Reformer“ - Trierer Bischof Ackermann wird 60

Trier · Das Amt als Bischof habe bei Stephan Ackermann den Blick auf die katholische Kirche verändert. Am 20. März wird er 60 Jahre alt. Woraus schöpft der Bischof jetzt angesichts der schwierigen Situation seiner Kirche Kraft?

Der Trierer Bischof Stephan Ackermann wird heute 60 Jahre alt.

Foto: dpa/Harald Tittel

Als Jugendlicher hätte sich der Trierer Bischof Stephan Ackermann auch gut vorstellen können, Musiklehrer zu werden. „Ich habe Gitarre gespielt, Klavier gelernt und Musik war eines meiner Abiturfächer“, sagt Ackermann. Doch dann er habe er sich kurz vor dem Abi entschieden, katholische Theologie zu studieren. „Mir war klar: Ich wollte etwas machen, was nicht mein Leben trennt in Beruf und Privatleben, sondern etwas, das mich ganz in Beschlag nimmt“, sagt Ackermann der Deutschen Presse-Agentur. Der gebürtige Eifeler wird an diesem Montag (20. März) 60 Jahre alt.

Die Entscheidung für den Priesterberuf habe sich „aufgebaut“: Er sei in seinem Heimatdorf Nickenich im Kreis Mayen-Koblenz sehr stark in der katholischen Jugendarbeit aktiv gewesen. „Das hat mir Freude gemacht.“ Und dann sei da die Faszination für Jesus und die christliche Botschaft gewesen. Dass die katholische Kirche einmal in solch eine Krise wie derzeit kommen könnte, darüber habe er damals nicht nachgedacht. „Ich bin da mit einer Unbefangenheit hineingegangen.“

Ackermann ist seit Frühjahr 2009 Bischof von Trier, der ältesten Diözese Deutschlands. Bundesweit bekannt wurde er Anfang 2010, als er nach der Enthüllung des Missbrauchsskandals in der katholischen Kirche zum Beauftragten der Deutschen Bischofskonferenz für Fragen des sexuellen Missbrauchs ernannt wurde. Im Herbst 2022 gab er das Amt ab, nachdem er auch in Kritik wegen schleppender Aufarbeitung geraten war. Ihn selbst habe das Amt verändert, hatte er bei der Übergabe gesagt. „Ich bin sensibler geworden für kirchliche Machtausübung.“

Überhaupt: „Diese Unbefangenheit“, die er als junger Mensch gegenüber der Kirche gehabt habe, die sei „in der Tat weggegangen“. An der Kirche als Gemeinschaft, die Jesus gestiftet habe, daran habe er nie gezweifelt. „Aber an Personen in der Kirche, auch an Satzungen, Anordnungen, an bestimmten Traditionen. Und wenn man stärker in der Verantwortung steht, wird der Zweifel größer. Man hinterfragt stärker Dinge, weil man auch mehr sieht.“

Es gebe Punkte, wo er sich frage: Muss das wirklich so sein? Zum Beispiel bei der Frage nach der konkreten Sozialgestalt der Kirche, nach dem Verständnis vom Amt des Priesters oder dem Bild des Bischofs. Aber auch bei den Fragen zur Rolle der Frau in der Kirche - und zum Zölibat. „Wenn Dinge als unumstößlich dastehen, da wird man umso nachdenklicher.“ Ende 2022 sagte er, er könne sich etwa die Weihe von Frauen zu Diakoninnen vorstellen. Ebenso hoffe er, dass künftig auch „verheiratete, erprobte Männer“ (viri probati) unter bestimmten Bedingungen Priester werden könnten.

Er sei bei der Bischofsernennung «nicht als Reformer» angetreten, sagt Ackermann. «Aber inzwischen würde ich sagen: Ja, ich bin ein Reformer, ein moderater Reformer, keiner mit der Brechstange.» Früher habe er sich „eher für konservativ“ gehalten. „Aber man lernt ja viel, Dinge verändern sich.“ So seien die jüngsten Veränderungen im kirchlichen Arbeitsrecht oder die Offenheit gegenüber Homosexuellen und queeren Menschen „notwendige und richtige Schritte.“ Seit Anfang des Jahres sind gleichgeschlechtliche Ehe oder Wiederheirat nach Scheidung kein Grund für eine Kündigung von Mitarbeitern der katholischen Kirche mehr.

Nach Ansicht des Sprechers der Reformbewegung „Wir sind Kirche“ in der Diözese Trier, Hanspeter Schladt, gibt sich Ackermann aber teils reformfreudiger als er es ist. Er zeige sich offen, halte dann aber nicht, was er verspreche, sagt Schladt in Neuwied.

Dass der Bedeutungsverlust der katholischen Kirche in den nächsten Jahren voranschreiten dürfte, daran hat Ackermann keine Zweifel. „Wir werden massiv kleiner werden.“ Man müsse sich von vielem, das einst selbstverständlich war, verabschieden - etwa „das Kulturprägende des christlichen Glaubens“ im Jahresverlauf. „Da spüre ich zwischendurch auch eine gewisse Wehmut.“ Und wenn er durchs Bistum Trier fahre, zu dem auch weite Teile des Saarlandes gehören, und an die leeren Kirchen denke: „Dann ist das ein Schmerzpunkt.“

1990 gab es bundesweit 28,5 Millionen Katholiken, 2021 waren es nach Angaben der Deutschen Bischofskonferenz nur noch 21,6 Millionen. Die Zahl der Priester sank im selben Zeitraum von fast 20 000 auf 12 280. „Von ihrer generellen Bedeutung her wird die Kirche weiter abnehmen“, sagt der Bischof. Aber man erlebe ja, dass Christen auch als Minderheit eine wichtige Rolle in der Gesellschaft spielen könnten.

Ackermann leitete, bevor er 2006 Weihbischof in Trier wurde, fast sieben Jahre das Priesterseminar in Lantershofen im Norden des Bundeslandes. Nach Abschluss seiner theologischen Ausbildung und einer zweijährigen Kaplanszeit in Bad Breisig stand er von 1991 bis 1998 der Leitung des Bischöflichen Priesterseminars Trier zur Seite. Zum Bistum Trier gehören rund 1,3 Millionen Katholiken.

In für ihn schwierigen Zeiten, in der er Kritik oder Rücktrittsforderungen ausgesetzt sei, schöpfe er Kraft aus seinem Glauben, sagt Ackermann. „Und ich erlebe natürlich auch Zuspruch. Das ist wichtig für mich.“ Ein wichtiger Rückzugsort sei seine Wohnung neben dem Dom. „Da habe ich auch eine Kapelle.“ Ansonsten finde er Ruhe beim Fahrradfahren, Wandern oder Spazierengehen.

Der Verein der Missbrauchsopfer und Betroffenen im Bistum Trier (Missbit) kritisiert, dass es Ackermann als Missbrauchsbeauftragtem nicht gelungen sei, „die Dinge wesentlich voranzubringen“, sagt Sprecher Hermann Schell. „Der Wille war sicherlich vorhanden, aber die Umsetzung war nicht im Sinne der Betroffenen.“ Ackermann sei nach wie vor nicht in der Lage, eine Betroffenperspektive einzunehmen.

Ackermann sagt, er werde seinen runden Geburtstag am Tag selbst nicht groß feiern. „Das ist ein normaler Werktag. Und es ist Fastenzeit.“ Er werde aber später mit der Familie im engen Kreis nachfeiern.

Ob es ihm etwas ausmache, 60 zu werden? „Wenn jetzt eine 6 vorne steht bei den Ziffern, dann kommt man in die Phase, wo viele Leute aus dem aktiven Arbeitsleben ausscheiden. Das ist beim Bischof ja nicht so“, sagt Ackermann. Da sei erst mit 75 Jahren Schluss. Aber manchmal merke er schon, dass er älter werde. „Wenn ich junge Leute sehe mit ihrer Energie, ihrer Unbefangenheit, ihrem Schwung und ihrer Entschiedenheit, da werde ich doch ein bisschen neidisch.“