Trier braucht Geld - und alle zahlen mit

Trier · Oberbürgermeister Klaus Jensen hat dem Stadtrat gestern Abend den Haushaltsentwurf 2012 vorgelegt. Damit beginnt die heiße Phase der Etatberatungen, die mit der Verabschiedung im Stadtrat am 15. Dezember enden soll. Trier hat 600 Millionen Euro Schulden, 2012 wird das Jahresdefizit bei 56 Millionen Euro liegen - sechs Millionen weniger als 2011.

Trier. Es scheint unmöglich zu sein, die Präsentation von Triers katastrophaler Finanzlage mit guten Nachrichten zu verbinden. OB Jensen versucht es dennoch. Er tritt mit einer Rede vor den Stadtrat, die nichts beschönigt, zeigt dabei aber Entschlossenheit, die Qualität des Lebens in Trier zu unterstreichen, so gut es geht. Und es geht durchaus.

Die guten Nachrichten: Die Arbeitslosenquote ist so niedrig wie seit 30 Jahren nicht mehr, die Studenten strömen in immer höheren Zahlen zum Hochschulstandort Trier, die Zahl der Baugenehmigungen ist landesweit spitze und die der Unternehmensinsolvenzen weit unter dem Durchschnitt. Jensen: "In Trier lebt es sich sehr gut, die Stadt entwickelt sich."

Die Zahlen: Nur ihre Finanzen entwickeln sich nicht. 337 Millionen Euro muss die Stadt 2012 ausgeben, doch nur 281 Millionen Euro nimmt sie ein. So kennt man den Trierer Haushalt seit vielen Jahren. Und doch gibt es auch hier gute Nachrichten.
"Wir konnten den Fehlbedarf für 2012 im Vergleich mit der Nachtragshaushaltsplanung für 2011 um fast sechs Millionen Euro senken", betont Jensen. Die in die Stadtkasse fließende Gewerbesteuer wird nach der Erhöhung des Hebesatzes um 30 Prozentpunkte (der TV berichtete) mit 52,2 Millionen Euro eingeplant: 10,5 Millionen mehr als 2011. Für 56 Prozent der Unternehmen bedeute das eine Steigerung um 150 Euro pro Jahr, so Jensen. Auch die Grundsteuer wird angehoben: Ein Einfamilienhaus durchschnittlicher Größe schlägt dann mit 40 Euro mehr zu Buche.

Der Entschuldungsfonds: Jensens Haushaltsentwurf stützt die zurzeit größte Hoffnung seiner Stadt, den astronomisch hohen Schuldenberg von 600 Millionen Euro jemals loszuwerden oder auch nur spürbar zu senken. Dieser 2012 startende und bis 2026 laufende Fonds soll es den teilnehmenden Kommunen ermöglichen, die Liquiditätskredite - in einem Privathaushalt wäre das der Überziehungskredit eines Girokontos - deutlich zu reduzieren. "Trier kann in der 15-jährigen Laufzeit dieses Fonds eine Entschuldungshilfe in Höhe von 205 Millionen Euro erwarten", erklärt Jensen.

Die Einsparungen: Aber: Jede Kommune, die dabei sein will, muss ihren Beitrag leisten. Triers Ticket für 2012 kostet 4,5 Millionen Euro, die durch Einsparungen oder Mehreinnahmen erreicht werden müssen. Trier hilft sich mit einem Blick auf die abgesagten Antikenfestspiele und das Aus der Eishalle, das allein ein Sparvolumen von 250 000 Euro pro Jahr ergibt. Und so geht es weiter, wenn Trier im Fonds bleiben will. "Alle Bevölkerungsschichten und Interessenverbände müssen sich auf einschneidende Konsolidierungsrunden einstellen", betont Jensen. Dem Theater wurde ein hart umstrittenes Sparvolumen von einer Million Euro verordnet, der Haushalt zeigt bisher 700 000 Euro an. Auf den jährlichen und 900 000 Euro teuren Kunstrasenplatz müssen die Trie rer Fußballvereine 2012 verzichten. Ein neuer Sportentwicklungsplan soll den Erhalt und die Sanierung der Trierer Sportstätten regeln. Für 2012 kündigt Jensen noch größere Einschnitte an: "Wir werden klar sagen müssen, welche unserer Schulen wir schließen werden."

Die Investitionen: Auch eine hoch verschuldete Stadt muss investieren. Die größten Posten im Plan sind die Sanierung der Theodor-Heuss-Hauptschule mit 1,6 Millionen Euro, der auf 2012 verschobene Neubau des Brand- und Katastrophenschutzzentrums mit vier Millionen Euro, die Umgehung Ehrang B 422 mit 2,5 Millionen Euro und der Ausbau der Loebstraße mit 1,6 Millionen Euro.

Meinung

Jeder Rückzieher ist ein Eigentor
Oberbürgermeister Klaus Jensen ruft nach einer hochwertigen Entscheidungskultur im Stadtrat. Damit hat er recht. Konsequenz und Standfestigkeit werden die Fraktionen beweisen müssen, wenn Trier dem Entschuldungsfonds des Landes dauerhaft beitreten will. Leider wurde die Trierer Politik in den letzten Jahren oft eher von Wankelmütigkeit und ruckartigen Kursänderungen geprägt. Notwendige Grundschulschließungen? Nicht mit uns. Das Aus für die Eishalle? Muss doch nicht sein. Grün in der Stadt? Aber nur dann, wenn keine Facebook-Initiative für eine Tankstelle kämpft. Unpopuläre Entscheidungen wie die 2012 anstehenden Schulschließungen tun denen, die sie betreffen ebenso weh wie denen, die sie treffen müssen. Dennoch muss ein Verantwortungsträger im Stadtrat in der Lage sein, konsequent zu diesen Entscheidungen zu stehen und sie zu vertreten, auch wenn ihm heftiger Gegenwind entgegenschlägt. Jeder Rückzieher ist ein Eigentor. j.pistorius@volksfreund.de

Extra

Die Ablehnung: Tief Petra hatte Trier im Griff und ließ einen Schneesturm toben, als im Rathaussaal bildlich gesprochen der Blitz einschlug. Man schrieb den 17. Dezember 2010, als der Rat den Haushalt mit 27 gegen 26 Stimmen ablehnte. CDU, FWG, Linke, NPD und zwei Stimmen aus der FDP kippten den Entwurf. OB Klaus Jensen war überrascht, entsetzt und fassungslos. Eine Wiederholung dieses Eklats will er in diesem Jahr vermeiden. "Ich werde intensiv bei allen Fraktionen für diesen Haushalt werben und mich um einen Ausgleich aller Interessen bemühen", sagt der Oberbürgermeister im Gespräch mit dem TV. Allerdings schickt er eine Warnung hinterher: "Wir brauchen definitiv eine hochwertigere Entscheidungskultur in Trier. Die im Rat vertretenen Fraktionen dürfen keine populistisch diktierten Entscheidungen treffen. Wer meint, im Wettstreit der Parteien kurzfristig punkten zu müssen, versündigt sich an der Stadt Trier und ihren Einwohnern." jp

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