Bürgerentscheid Die Trierer haben entschieden: Blau bleibt blau

Trier · Das Ergebnis des ersten Bürgerentscheids in Trier ist eindeutig: Knapp 72 Prozent stimmen für den Erhalt der Tankstelle in der Ostallee, die nun weitere zehn bis 15 Jahre an ihrem Standort bleiben darf.

 Gespanntes Warten auf das Abstimmungsergebnis im Foyer des Rathauses. Oberbürgermeister Wolfram Leibe freut sich über das große Interesse. In der Tankstelle in der Ostallee läuft derweil das normale Geschäft.

Gespanntes Warten auf das Abstimmungsergebnis im Foyer des Rathauses. Oberbürgermeister Wolfram Leibe freut sich über das große Interesse. In der Tankstelle in der Ostallee läuft derweil das normale Geschäft.

Foto: Friedemann Vetter

Sonntag, 19 Uhr. Seit einer Stunde zählen rund 300 Helfer in den 53 Wahllokalen in ganz Trier die Abstimmzettel aus. Ja, die Tankstelle in der Ostallee soll bleiben. Nein, der Pachtvertrag soll Ende des Jahres auslaufen. Die Ergebnisse melden die Wahlhelfer an die Stadtverwaltung. Auf der großen Leinwand im Foyer vorm Rathaussaal werden die Ja- und Nein-Stimmen präsentiert und ständig aktualisiert.

Millimeter um Millimeter wächst der graue Balken, der die Ja-Stimmen abbildet, über den grünen Nein-Balken hinaus. Gebannt blicken drei Dutzend Trierer, darunter auch Oberbürgermeister Wolfram Leibe und Baudezernent Andreas Ludwig, auf die Computergrafik. Was einige – auch aus den vorderen Reihen der Stadtverwaltung – am frühen Abend noch nicht glauben wollten, zeichnet sich ab: Beim ersten Trierer Bürgerentscheid wird die magische Hürde  genommen.

Mehr als 15 Prozent aller 86 340 Wahlberechtigten stimmen für den Erhalt der Tankstelle. Um 19.27 Uhr ist es soweit: „Das Quorum ist erreicht“, ruft Oberbürgermeister und Leiter der amtlichen Abstimmung, Wolfram Leibe, ins Foyer.

Damit ist also entschieden: Die Aral-Tankstelle in der Ostallee bleibt für mindestens zehn Jahre, mit Verlängerungsoption um weitere fünf Jahre, an ihrem jetzigen Platz bestehen. Der Beschluss des Stadtrates, der entschieden hatte, dass der Pachtvertrag Ende des Jahres auslaufen sollte, ist gekippt.

Jutta und Thomas Albrecht ist die Freude über den erfolgreichen Bürgerentscheid ins Gesicht geschrieben. Strahlend lassen sie sich die beiden CDU-Stadtratsmitglieder vor der Leinwand mit dem Ergebnis fotografieren. „Ich bin ja schon seit langem ein großer Anhänger von mehr und direkter Bürgerbeteiligung“, sagt Thomas Albrecht.

Andreas Ludwig, ebenfalls CDU, ist weniger froh. „Mehrheit ist keine Wahrheit – das sind zwei völlig unterschiedliche Dinge“, sagt der sichtlich geknickte Baudezernent, der in den vergangenen Monaten mit Leidenschaft gegen die Tanke gekämpft hat. „Fachlich und sachlich ist die Entscheidung falsch, mitten im historischen und denkmalgeschützten Alleenring eine Tankstelle zu belassen. Aber die demokratische Entscheidung werde ich natürlich akzeptieren“, sagt Ludwig. „Demokratie tut manchmal weh“, sagt auch Oberbürgermeister Leibe. Weiter will er sich als neutraler Leiter der amtlichen Abstimmung  nicht äußern.

Dass der Entscheid so deutlich ausfällt, hätte Tankstellen-Befürworterin Jutta Albrecht nicht gedacht: Um Emotionen oder die Absicht, dem Stadtrat mal zu zeigen, wer in der Stadt eigentlich das Sagen hat, sei es bei der Abstimmung nicht gegangen, ist die Mariahoferin überzeugt. „Die Sachargumente der Tankstellenbefürworter waren einfach stärker – die Tankstelle ist für ganz viele Menschen wichtig“, ist sie überzeugt.

Auch Triers FDP-Chef Tobias Schneider freut sich über den Ausgang der Abstimmung: „Die Wahlbeteiligung von immerhin knapp 23 Prozent zeigt, dass die Trierer das Instrument Bürgerentscheid nutzen wollen.“ Dass das Quorum, um Stadtratsbeschlüsse zu kippen, bei 15 Prozent angesetzt ist, hält er nicht für zu gering. „Von mir aus könnte die Hürde noch viel niedriger sein“, sagt Schneider.

Markus Nöhl, Vize-Vorsitzender der SPD im Stadtrat, macht dagegen aus seiner Enttäuschung keinen Hehl. Zusammen mit den Grünen und 20 weiteren Institutionen und Organisationen hatte die SPD im „Nein Tanke!“-Bündnis für einen grüneren Alleenring gekämpft. „Aber es ist uns nicht gelungen, genügend Mitstreiter zur Abstimmung zu bewegen“, sagt Nöhl. Das Bündnis habe mit grundsätzlichen und langfristigen Entwicklungen argumentiert. „Das macht es schwieriger, Leute zu aktivieren. Mit einer emotionalen Kampagne, wie die Tankstellen-Befürworter sie teilweise geführt haben, ist das einfacher.“ Fakt sei zudem, dass bei einer Wahlbeteiligung von knapp 23 Prozent 77 Prozent der Trierer nicht abgestimmt hätten. „Und ich glaube, dass darunter viele sind, die die Tankstelle nicht weitere 15 Jahre möchten“, vermutet Nöhl. „Aber das sind offenbar gleichzeitig diejenigen, die wollen, dass für solche Entscheidungen der Stadtrat zuständig ist und bleibt.“

Markus Römer, seit Februar CDU-Vorsitzender von Mitte/Gartenfeld, hatte das im Juni angemeldete Bürgerbegehren initiiert. „Glückwunsch!“, ruft Baudezernent Ludwig ihm zu, als das Ergebnis feststeht – und klingt dabei etwas gequält. Römer ist an diesem Abend ein gefragter Mann im Rathausfoyer: „Ich habe damit gerechnet, dass es mehr Stimmen für die Tankstelle gibt als dagegen. Aber dass wir das Quorum schaffen, hat mich zittern lassen. Mir fällt ein Riesenstein vom Herzen“, sagt er in die Mikrofone, die ihm an diesem für Trier historischen Sonntagabend entgegen gestreckt werden.

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