Trier investiert bei wachsendem Schuldenberg

Trier · Bei einer Gegenstimme hat der Trierer Stadtrat den Doppelhaushalt 2013/14 verabschiedet. Pro Jahr fehlen 48 Millionen Euro, die Gesamtschulden steigen auf 748 Millionen Euro. Nach der umstrittenen Zuschusskürzung 2012 für freie Träger der Jugendhilfe überweist die Stadt ihnen in Zukunft sogar mehr als zuvor.

 Seit Jahren muss die Asphaltdecke der Loebstraße ausgebessert werden. Die Komplettsanierung verschiebt sich wohl auf 2013. (Archivfoto)

Seit Jahren muss die Asphaltdecke der Loebstraße ausgebessert werden. Die Komplettsanierung verschiebt sich wohl auf 2013. (Archivfoto)

Foto: Friedemann Vetter

Bei der Haushaltssitzung des Trierer Stadtrats am Donnerstagabend herrschte vom Ergebnis her weitgehend Einigkeit. Doch die Fraktionssprecher sparten nicht mit Kritik (siehe Einzeldokumentation unten). Ulrich Dempfle (CDU) forderte Handlungsstärke von Oberbürgermeister Klaus Jensen, Sozialdezernentin Angelika Birk (Grüne) und Thomas Egger (FDP). Sven Teuber (SPD) plädierte für eine Vermögenssteuer auf Bundesebene. Petra Kewes (Grüne) schoss sich wegen des Streits um freiwillige Leistungen und Pflichtaufgaben auf die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) ein. Christiane Probst (FWG) kritisierte die Verschwendung von Planungskosten für unrealistische Bauprojekte. Karl-Josef Gilles (FDP) brach eine Lanze für die Ortsbeiräte. Erkrankte Linksfraktion Die krankheitsgeschwächte Katrin Werner (Die Linke) gab ihren Beitrag nur schriftlich zu Protokoll, ihre ebenfalls erkrankte Fraktionskollegin Linde Andersen fehlte komplett. So kam die einzige Gegenstimme von Werner, die in dem Haushaltsplan keinen Weg zur sozialen und kulturellen Teilhabe sah. Beim Pressegespräch am Mittag hatte Oberbürgermeister Klaus Jensen vorgestellt, was sich bei den Beratungen im Vergleich zu seinem Entwurf Mitte Oktober geändert hatte. Im Ergebnishaushalt des Jahres 2013 sind von 354 Millionen Euro Ausgaben 48 Millionen nicht durch Einnahmen gedeckt. 2014 ist das Defizit ähnlich hoch. Die leichte Verbesserung gegenüber dem Erstentwurf ist vor allem auf neu berechnete Steuereinnahmen zurückzuführen. Denn die Fraktionen brachten in der Beratung laut Jensen zwar "keine langen Wunschlisten" ein, erwirkten aber einige Aufschläge. Größte Überraschung: Bei den freien Trägern der Jugend- und Sozialarbeit gibt die Stadt in Zukunft sogar mehr aus als vor der umstrittenen Kürzung. Um die Sparforderungen der ADD für das Jahr 2012 zu erfüllen, hatte der Stadtrat im Juni eine fünfprozentige Kürzung der Zuschüsse beschlossen. Die freien Träger hatten dadurch im laufenden Jahr 168.000 Euro (fünf Prozent) weniger zur Verfügung. Reaktion auf Proteste Nach massiven öffentlichen Protesten reagieren die Kommunalpolitiker: Die freien Träger bekommen ab 2013 nicht nur wieder ihr ursprüngliches Budget, sondern darüber hinaus noch einen Aufschlag, der vor allem Gehaltssteigerungen auffangen soll. Zusammengerechnet sind das 300.000 Euro mehr als zuletzt. Eine weitere Änderung betrifft das Ortsbeiratsbudget. Die Fraktionen lehnten eine von Jensen vorgeschlagene Verringerung von bisher 400.000 auf 300.000 Euro für alle 19 Ortsbeiräte zusammen ab. Demnach können die Ortsbeiräte weiterhin mit der gleichen Summe wie in diesem Jahr arbeiten. Bei der Straßenunterhaltung stockte der Rat die angesetzte Summe wie schon im Vorjahr um eine Million Euro auf. Mehr Geld fließt auch in die Optimierung von Rad- und Fußwegen. Zur Überwachung des ruhenden Verkehrs wird das Personal an Hilfspolizisten verstärkt, die sich durch Mehreinnahmen beim Bußgeld allerdings selbst finanzieren sollen. Größtes Investitionsprojekt ist das Brand- und Katastrophenschutzzentrum in Ehrang, die neue Nebenwache der Berufsfeuerwehr. Kurios: Allein vier der neun Millionenprojekte 2013 betreffen Ehrang (siehe Bilder). Triers Schuldenberg wächst von Ende 2012 bis 2014 voraussichtlich von 670 auf 748 Millionen Euro. Jensen: "Dank des Entschuldungsfonds des Landes haben wir in 15 Jahren knapp 300 Millionen Euro Schulden weniger als ohne den Fonds." Meinung

Vorgeschmack auf den Wahlkampf Von Marcus Hormes Ausgerechnet der meist sehr sachliche und ruhige CDU-Fraktionssprecher Ulrich Dempfle hielt gestern eine ungewohnt offensive und aggressive Haushaltsrede. Dabei ging es weniger um nackte Zahlen, sondern um massive Kritik am Stadtvorstand. Selbst Christdemokratin und Baudezernentin Simone Kaes-Torchiani kam nicht ganz ungeschoren davon, da die Planung für den Moselbahn-Durchbruch auf sich warten lässt. Tatsächlich bieten OB Klaus Jensen und seine Dezernenten viele Angriffsflächen, vor allem was ihre Tatkraft und greifbare Ergebnisse angeht. Auch die Abstimmung untereinander lässt teilweise zu wünschen übrig. Etliche Ansatzpunkte also, mit denen die CDU in den Oberbürgermeisterwahlkampf 2014 ziehen kann. Dann wird es allerdings nicht reichen, nur Kritik zu üben, sondern die CDU muss selbst konkrete Verbesserungsvorschläge machen, um glaubwürdig zu sein. Das blieb die Fraktion bisher etwa beim Schulkonzept schuldig. Um ihre jahrzehntelange Vormachtstellung in Trier zurückzuerobern, braucht die Partei außerdem einen Top-Spitzenkandidaten für den Posten des Oberbürgermeisters. Und da bedarf es vermutlich noch viel Fantasie und Überzeugungskraft bis zu einer erfolgversprechenden Lösung. m.hormes@volksfreund.deDie teuersten Projekte


Umbau Integrierte Gesamtschule: 3,24 Millionen Euro (2014: 4 Millionen). Ausbau Loebstraße: 1,12 Millionen Euro (2014: zwei Millionen). Sanierung Theodor-Heuss-Schule: 1,58 Millionen Euro (2014: 0). Sanierung Zurmaiener Straße (Stadion bis Ascoli-Piceno-Straße): eine Million Euro (2014: 1,7 Millionen). Ortskernsanierung Ehrang: 1,08 Millionen Euro (2014: 304.000). Ortsumgehung Ehrang B 422: 3,45 Millionen Euro (2014: 1,69 Millionen). Neubau Feuerwehr-Nebenwache: 5,02 Millionen Euro (2014: 5,1 Millionen Euro). Neubau Kindertagesstätte Ehrang: eine Million Euro (2014: 1,55 Millionen). Baugebiete BU 13/14 Tarforster Höhe: 1,8 Millionen Euro (2014: 2,67 Millionen).

Meinung der Fraktionen


Ulrich Dempfle, CDU: "Die Kommunen im seit 21 Jahren SPD-geführten Rheinland-Pfalz sind deutlich stärker überschuldet als in anderen Bundesländern. Es muss aufhören, dass für Prestige-Projekte wie Nürburgring oder Flughafen Hahn Millionen verfrühstückt und gleichzeitig die Kommunen so schlecht ausgestattet werden, dass sie nicht einmal die Löcher in ihren Straßen ausbessern können. Herr Jensen, Sie müssen dafür sorgen, dass dieses Verteilungsproblem aufhört! Frau Birk, sie haben besonders eklatant versagt bei der Jugendhilfe: Mit Rasenmähermethoden sparen Sie einfach bei allen freien Trägern fünf Prozent ein, ohne geringste Kenntnis, wie sich das auf die einzelnen Projekte auswirken wird. Außerdem investieren wir sinnlos Geld in notdürftig zu erhaltende Schulen, weil kein Schulentwicklungskonzept vorliegt und wir nicht wissen, welche Schulen langfristig erhalten werden. Herr Egger, wir brauchen klare Perspektiven für Kultur und Theater. Eine Vorlage für den neuen Standort der Hauptfeuerwache fehlt zudem völlig - da war ihr Vorgänger schon weiter." Sven Teuber, SPD: "Bildung ist in Deutschland mit einem Prozent unserer jährlichen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sträflich unterfinanziert. Wir brauchen hier vor Ort mehr Geld, damit wir Kindertagesstätten, Schulen oder Theater bauen und unterhalten können. Als verantwortungsvoller Kommunalpolitiker muss man sich über den Tellerrand hinaus Gedanken machen, wie wir uns der schwierigen Debatte über Pflichtaufgaben und freiwillige Leistungen durch Einnahmeverbesserungen des Staates entziehen können. Wir werden nicht müde zu fordern, dass der Bund eine Vermögenssteuer einführt, den Spitzensteuersatz erhöht oder ein Konnexitätsprinzip gesetzlich verankert. Aus Mangel an bezahlbarem Wohnraum entwickeln sich die Mieten in Trier immer dramatischer. Wir als Stadt müssen durch die schnellere und stärkere Ausweisung von Bauflächen dagegenwirken: Wir als SPD bekennen uns zu den im Flächennutzungsplan vorgesehenen Baugebieten Brubacher Hof, Zentenbüsch und Zewen. Wir brauchen diese Flächen, um der Lage Herr werden zu können." Karl-Josef Gilles, FDP: "Das Defizit ist zwar deutlich gesunken im Vergleich zu 2011 und 2012, aber es ist immer noch zu hoch. Leider können wir daran nicht viel ändern. Unsere Spielräume werden von Jahr zu Jahr geringer, immer mehr Pflichtaufgaben belasten die Stadt. Ohne einen angemessenen finanziellen Ausgleich seitens des Landes ist die fortgesetzte Übertragung kostenintensiver Aufgaben auf die Kommunen - zum Beispiel kostenlose Schülerbeförderung, Schulbuchausleihe oder gebührenfreie Kita-Plätze - nicht möglich. In der Vergangenheit sind wir allzu oft auf Projekte aufgesprungen, nur weil dafür Landes- oder Bundeszuschüsse in Aussicht gestellt wurden. Und wir haben bislang zu viel Geld vorschnell für die Planung von Projekten ausgegeben, die wohl nie mehr realisiert werden. Es gäbe genug Gründe, den Doppelhaushalt abzulehnen. Dass wir ihn dennoch mittragen, ist dem Bemühen der Verwaltung geschuldet, die Defizite zu reduzieren, und der Tatsache, dass die Schuldigen der Misere in Mainz und nicht in Trier sitzen." Christiane Probst, FWG: "In 2012 kam zum Glück das endgültige Aus für den Petrisbergaufstieg - der leider mehrere Hunderttausend Euro Planungskosten verschlungen hat. Ebenfalls durchgeplant, aber genauso unnötig und nicht finanzierbar sind die Umgestaltung des Porta-Nigra-Platzes und der Rückbau der zweispurigen Christophstraße für eine Bus- und Radfahrerzone. Das von der Verwaltung für 2012 zugesicherte Personalbemessungskonzept liegt immer noch nicht vor. Die Wirtschaftsförderung scheint aufgrund fehlender Kommunikation innerhalb des Stadtvorstandes und der Verwaltung immer noch ein Stiefkind der Stadtpolitik zu sein. Die Schulentwicklungsplanung ist immer noch nicht abgeschlossen. Doch trotz dieser Probleme sagt die FWG zum Haushaltsplanentwurf 2013/14 Ja, denn in Sachen Kita-Ausbau und Verkehrsinfrastruktur geht es voran. Für Radwege, Brücken und Straßen gab es fraktionsübergreifenden Konsens, das Budget um eine Million Euro aufzustocken. Und es werden starke bildungs- und sozialpolitische Akzente gesetzt! Petra Kewes, Bündnis90/Die Grünen: "Wir stimmen diesmal dem Haushalt zu, weil wir durch unsere Änderungsanträge zugunsten der Jugendhilfe, des Ortsbeiratsbudgets, für Fußgehende und Radfahrer für uns wichtige Akzente setzen konnten. Wir wollen, dass der Haushalt Bestand hat, und fordern daher alle Fraktionen und den Stadtvorstand zur Entschiedenheit und Solidarität in der Auseinandersetzung mit der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion auf! Für uns ist es nach wie vor unvorstellbar, dass die ADD den gesetzlich geforderten Kita-Ausbau und ebenso die Zuschüsse an die freien Träger der Jugendhilfe als freiwillige Aufgaben behandelt. Bei der Straßensanierung werden wir darauf achten, dass die Ziele des Mobilitätskonzepts erreicht werden und die Straßen insbesondere für Fußgehende und Radfahrende attraktiv sind. Bei der Sportstättenfinanzierung müssen wir uns angesichts knapper Finanzmittel auf den Sanierungsfall Toni-Chorus-Halle konzentrieren. Herr Jensen, Ihnen wünschen wir mehr Mut für Entscheidungen, auch wenn diese manchmal unpopulär sind." Katrin Werner, Die Linke: "Wäre dieser Haushalt ein Patient, dann befände er sich auf der Intensivstation. In diesem Haushalt sind zwar die Gelder für die Jugend- und Sozialarbeit wieder erhöht, womit wir aber keinen Durchbruch für unseren Patienten erzielen, sondern es nur schaffen, ihn in einem schlechten Zustand zu stabilisieren. Die freien Träger werden auch im Doppelhaushalt 2013/14 nicht genug Geld haben, um ein bedarfsorientiertes Angebot bereitzustellen. Sie werden weiterhin unter schlechten Bedingungen und bei schlechter Bezahlung arbeiten müssen. Die Grundvoraussetzung, die erfüllt sein muss, damit wir diesem Haushalt zustimmen können, ist eine sozial gerechte Ausrichtung - und diese sehen wir nicht. Die kulturelle Teilhabe für alle hat sich verschlechtert, Freizeit- und Kulturangebote schwinden. Das Gelände der Skatehalle wird im Doppelhaushalt schon mit dem Verkaufserlös geführt - ohne, dass die Skatehalle eine sichere Zukunft hat."

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