Trier ist machtlos gegen Trinkgelage in der Nacht

Trier · Die Diskussion um die Tankstelle Ostallee hat es wieder auf den Tisch gebracht: Doch ein Verbot, in der Öffentlichkeit Alkohol zu trinken, lässt sich rechtlich nicht durchsetzen - so sieht es die Stadt. Trier hat allerdings bereits alle Voraussetzungen, öffentliche Gelage zu unterbinden. Nur hat die Verwaltung weder das Personal noch die Mittel, diese Regeln konstant durchzusetzen.

Trier. Grölende und pöbelnde Jugendliche, Scherbenhaufen und Müllecken, verdreckte Parks und Straßen: Trinken in der Öffentlichkeit ist der rote Faden durch viele sehr emotional geführte Trierer Diskussionen in den vergangenen beiden Jahren.
Die Verbote: Als im Frühjahr 2010 die Empörung über einen ständig verdreckten Palastgarten wie eine Welle durch Triers Kneipen, Wohnzimmer, Internetforen und Rathaussäle rollte, zog das Ordnungsamt ein generelles Alkoholverbot auf Grünflächen und Spielplätzen in Erwägung, wurde aber vom Dezernatsausschuss gestoppt.
Auch die Debatte um ein Grillverbot im Palastgarten, die im Mai dieses Jahres viel Adrenalin freisetzte, war im Kern eine weitere Runde im Kampf gegen öffentlich kreisende Spirituosen und Sechserpacks, die hinterher als Scherbenhaufen am Ort des Gelages zurückbleiben. Gemeinsam mit noch wesentlich unangenehmeren Hinterlassenschaften.
Der jüngste Höhepunkt war die Tankstelle Ostallee, die beinahe zum Sündenbock für berechtigte Anwohnerbeschwerden über alkoholisiert durch den Alleenring ziehende Cliquen geworden wäre - bis sich herausstellte, dass es auch in diesem Punkt gar nicht um eine rund um die Uhr offene Tankstelle geht, sondern um grölende Trinker in der Nacht, die üble Spuren hinterlassen und ihren Stoff in den meisten Fällen wohl aus wesentlich günstigeren Quellen als einem Tankstellenshop beziehen.
Die Verwaltung: Doch die Stadtverwaltung will offenbar eine Wiederholung der Verbotsdebatte aus dem Frühjahr 2010 vermeiden. "Wir halten ein Verbot, in öffentlichen Räumen Alkohol zu konsumieren, aufgrund der eingängigen bundesweiten Rechtsprechung für nicht durchsetzbar", sagt Ralf Frühauf vom Presseamt Trier.
Die Gerichte: Diese Haltung der Rathausspitze hat ihre Berechtigung. Mannheim und Magdeburg sind 2009 und 2010 mit Alkoholverbotsverordnungen vor ihren Oberverwaltungsgerichten gescheitert. Magdeburg hatte "das Lagern oder dauerhafte Verweilen in Verbindung mit Alkoholkonsum in der Öffentlichkeit" verboten, "wenn dessen Auswirkungen geeignet sind, Dritte erheblich zu beeinträchtigen". Zu weich und ungenau formuliert, urteilten die Richter. Es sei nicht erkennbar, welches Verhalten verboten und welches noch erlaubt sei.
Das Gesetz: Staatsanwalt und CDU-Ratsmitglied Thomas Albrecht hat in dieser Sache recherchiert und teilt die Auffassung des Presseamts: "Ein allgemeines Alkoholkonsumverbot wäre rechtlich nicht zulässig. Erst müsste ein entsprechendes Gesetz wie in Baden-Württemberg verabschiedet werden." Dort dürfen Tankstellen, Kioske und Supermärkte seit 2010 zwischen 22 und 5 Uhr keine Alkoholika mehr verkaufen. Der damalige Innenminister Heribert Rech (CDU) begründete diesen Vorstoß des Landes so: "Wir müssen die nächtlichen Gelage, die Aggressivität und Gewalt beenden."
Die Trierer Regeln: Allerdings, so betont Albrecht, wäre ein solches Verbot in Trier gar nicht nötig, um die nächtlichen Belästigungen zu verhindern. Denn die Stadt hat eine Gefahrenabwehrverordnung, und diese verbietet es, "sich derart zum Konsum oder nach dem Konsum von Alkohol niederzulassen, dass dort als Folge andere Personen oder die Allgemeinheit durch anpöbeln, lautes Singen, johlen, schreien, lärmen, Notdurft verrichten, erbrechen, beschimpfen gefährdet werden können". Eine klare Geschichte.
Dazu komme das bundesweit geltende Ordnungswidrigkeitengesetz. Dessen Paragraf 118 legt fest: "Ordnungswidrig handelt, wer eine grob ungehörige Handlung vornimmt, die geeignet ist, die Allgemeinheit zu belästigen oder zu gefährden und die öffentliche Ordnung zu beeinträchtigen."
Die Kontrolleure: Doch der kommunale Vollzugsdienst als Arm des Ordnungsamts ist in Trier nur acht Mann stark. Die völlige Überforderung des Vollzugsdienstes mit zahllosen Pflichten ist seit Jahren ein zentrales Trierer Problem. Albrecht bestätigt: "Mit den bestehenden Regeln könnte man einiges machen, doch ihre Einhaltung wird so gut wie gar nicht überwacht."

Extra: Verkaufsverbote

Dominik Heinrich, Ortsvorsteher von Trier-Mitte und Mitglied der Ratsfraktion der Grünen, lenkt den Kern der Diskussion vom Verbot des Konsums auf ein Verbot des Verkaufs. "In Bezug auf Alkoholmissbrauch und Umgehung des Jugendschutzgesetzes scheinen Tankstellen eine unrühmliche Rolle zu spielen." Heinrich verweist auf einen Rheinland-Pfalz betreffenden Rechtsstreit, der bis vors Bundesverwaltungsgericht ging. Die kreisfreie Stadt Frankenthal zwischen Worms und Ludwigshafen hat ihren Tankstellenbetreibern den Verkauf von Alkohol zwischen 22 und 6 Uhr zwar nicht völlig untersagt, ihn aber in Menge und Härtegrad stark beschränkt. So dürfen nur noch 0,1 Liter pro Kunde von Stoffen mit mehr als 14 Prozent Alkoholvolumen verkauft werden, und das auch nur an Auto- und Motorradfahrer und ihre Mitfahrer. Fahrradfahrer und Fußgänger bekommen nachts gar keinen Alkohol. Dagegen gerichtete Klagen scheiterten vor dem Verwaltungs-, Oberverwaltungs- und Bundesverwaltungsgericht. jp

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