Kultur Julia Engelmann in Trier: Mit Poesie und Gesang Menschen bewegen

Trier · Mit musikalischer Begleitung, Gestik und ganz viel Poesie beschreibt Julia Engelmann Gefühle, für die anderen die Sprache fehlt. Am Ende des Abends minutenlanger Applaus im Stehen in der Europahalle.

 Julia Engelmann verzaubert bei ihrem Auftritt in der Trierer Europahalle ihre Fans mit Gedichten über die Liebe, über den Alltag und regt zum Nachdenken, aber auch zum Mitfeiern an.

Julia Engelmann verzaubert bei ihrem Auftritt in der Trierer Europahalle ihre Fans mit Gedichten über die Liebe, über den Alltag und regt zum Nachdenken, aber auch zum Mitfeiern an.

Foto: Lisanne Dornoff

Samstagabend, ein Konzert in der Europahalle. Wohin man blickt: Kaum ein Platz ist unbesetzt, die Reihen sind gefüllt. Gespielt wird hier jedoch kein Musikkonzert im herkömmlichen Sinn.

Julia Engelmann, 26 Jahre alt, gebürtig aus Bremen, schreibt Gedichte. Berühmt wurde sie Anfang 2014 durch ihre Teilnahme beim Bielefelder Hörsaal-Slam. Das Video von ihrem Auftritt hat auf YouTube mittlerweile über 12 Millionen Aufrufe.

Engelmann trägt ihre Gedichte ohne, aber auch mit Musik vor, mal gesprochen, mal gesungen. 2017 erschien ihr Musikalbum „Poesiealbum“.

Am T-Shirt-Verkaufsstand steht Katharina Schmitz, 19, aus Kaiserslautern. Entdeckt hat sie Julia Engelmann vor etwa vier oder fünf Jahren durch das Video auf YouTube. Seitdem war sie schon zwei Mal live bei einem Konzert dabei. „Sie ist so natürlich und authentisch“, schwärmt Katharina Schmitz. „Wie eine gute Freundin.“ Und ihre echte Freundin Elena, 23, ergänzt: „Irgendwie erreicht sie alle, egal, ob jung oder alt.“

Töchter sind mit ihren Müttern gekommen, viele junge Frauen, aber auch Mittvierziger und  -fünfziger sehnen sich nach Poesie und Lyrik.

Kathi Meier, 30, und ihre Freundin Tanja Müller, 37, aus Trier sind schon zum zweiten Mal bei Julia Engelmann. „Ich erkenne mich total oft in ihren Texten“, gesteht Kathi Meier „Sie regt mich zum Nachdenken an“, meint Tanja Müller. „Und zum Lachen!“, ergänzt ihre Freundin.

Dass Julia Engelmann geistigen Anspruch und Humor in ihren Texten verbinden kann, bezeugt Silke Kurzbach. Die Mitfünfzigerin ist durch einen Zufall bei dem Konzert. „Meine Tochter schreibt für ihr Studium eine Hausarbeit über einen Poetry Slam von Julia Engelmann. Zufällig haben wir ein Plakat von der Veranstaltung gesehen.“

Das erste Lied, „Jetzt“, gibt die Stimmung des Abends vor. Mit musikalischer Begleitung – Martin und Lukas sitzen abwechselnd an Klavier, Gitarre, Schlagzeug oder Rassel – singt Julia Engelmann: „Du bist so frei, wie du dich selber lässt. Vergiss mal die Zeit. Vergiss mal den Stress. (...) Herzlich willkommen, herzlich willkommen im Jetzt.“

Eine Gruppe in der ersten Reihe hat auf ihr Plakat „Lass es Konfetti regnen“ geschrieben. Das lässt sich Julia Engelmann nicht zweimal sagen, und so fliegen schon nach zehn Minuten die ersten Konfettischnipsel durch die Luft. „Über Konfetti freut sich jeder, alle lachen“, plaudert Engelmann. „Außer die, die so große Rillen in ihrem Dielenboden haben. Oder die, die es aufräumen müssen. Die lachen dann nicht ganz so laut.“
Bei Julia Engelmann wirkt nichts auswendig gelernt oder stumpf einstudiert. Sie bietet ihren Zuschauern eine individuelle Show: Gedichte und Lieder wechseln sich ab. Dazwischen erzählt Engelmann Anekdoten aus ihrem Alltag.

So habe ihr „Gangsta-Rap“ über Angliszismen bei ihren Großeltern gemischte Gefühle ausgelöst: „Eigentlich sagen meine Großeltern immer zu allem: Toll, so lange es dich glücklich macht.“ Beim Gangsta-Rap habe ihre Oma allerdings den Kopf geschüttelt. Das verstehe ja keiner. Ihr Opa, den sie bei dem Rap beim Mitwippen erwischt hatte, habe es  dagegen „eigentlich ganz peppig“ gefunden. Wobei man bedenken müsse: „Meine Großeltern sind im Schnitt 85, also mein Opa ist 86 und meine Oma ist 84 Jahre alt.“
Mit ihrer schwarzen Jeansjacke mit „Heute ist ein schöner Tag“-Aufdruck, ihren lustigen Tanzeinheiten und ihrer Offenheit strahlt Engelmann eine Freude aus, die ansteckend ist.

Am Mikrofon gesteht ihr ein Fan: „Deine Texte sind unglaublich berührend. Mach so weiter, denn das ist atemberaubend.“ Ein anderer Zuhörer fragt: „Wie schaffst du es, das auf den Punkt zu bringen, was jeder Mensch in seinem Kopf hat?“
Julia Engelmann antwortet. „Ich stelle mir meine Gedanken vor wie ein großes Meer. Ich steh mit den Füßen am Ufer und fang an, hier etwas wegzunehmen, da etwas hinzuzufügen. Außerdem liebe ich es, Dinge genau zu machen. Es gibt so viele schöne Dinge, so viele schöne Sachen zu beschreiben. Da macht es einfach Spaß, sich damit zu beschäftigen.“

Für diese Leidenschaft zur Lyrik, die Engelmann offen zur Schau stellt, bedankt sich eine weitere Zuschauerin: „Ich will dir danken, dass durch dich die Poesie wieder salonfähig geworden ist. Früher wurde ich für meine Leidenschaft zur Lyrik ausgelacht.“

Als Julia Engelmann bei dem Lied „Lass mal ne Nacht drüber tanzen“ ins Mikro schreit: „Trier, tanzen wir!“ erhebt sich der ganze Saal. Egal, welches Alter, egal, welches Geschlecht: Dieses Poesiekonzert bewegt die Menschen. Am Ende des Abends folgt denn auch tosender Applaus.

„Vielen Dank für diesen fantastischen Abend“, ruft Engelmann. Die 26-Jährige, die vor wenigen Jahren noch eine unbekannte Psychologiestudentin war, ist mindestens genauso überwältigt wie ihr Publikum. Wie es mit Julia Egelmann weitergeht und ob in Zukunft auch politischere Texte geplant sind, weiß sie selbst noch nicht so genau: „Ich lass’ mich immer selbst von mir überraschen, lasse mich von meinen Gedanken treiben. Ich habe wenig Zukunftsprognosen.“

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