Trier ohne Stadtführer?

TRIER. Gut 100 Tage vor Beginn der Konstantin-Ausstellung droht der Stadt Trier ein touristisches Debakel: Mehr als die Hälfte der 115 Gästeführer weigert sich, einen vom Verein Tourist-Information (TIT) vorgelegten neuen Vertrag zu unterschreiben. Am Dienstag läuft das Ultimatum der TIT ab.

 Visitenkarte ihrer Stadt: Gästeführer prägen das Trier-Bild tausender Touristen. TV-Foto: Archiv/Josef Tietzen

Visitenkarte ihrer Stadt: Gästeführer prägen das Trier-Bild tausender Touristen. TV-Foto: Archiv/Josef Tietzen

Die Ansage von TIT-Geschäftsführer Hans-Albert Becker ist klar: Wer bis dahin nicht unterschrieben hat, sei an der Tätigkeit offenbar "nicht mehr interessiert", heißt es in einem Brief vom 5. Februar. Das sei ein "Vorgehen nach Gutsherrenart", halten die Gästeführer dagegen. "Vogel friss oder stirb: Das ist nicht akzeptabel", sagt eine der Sprecherinnen. Die Wurzel des Konflikts liegt mehr als ein Jahr zurück. Damals beschloss der TIT-Vorstand, ab 2007 die Preise für Gästeführungen zu verändern. Bis dahin mussten für Gruppenführungen 60 Euro bezahlt werden, davon gingen 48 Euro an den Führer und zwölf Euro als Vermittlungsgebühr an die TIT. Vor Jahren war das 4:1-Verteilungsverhältnis eingeführt worden und hatte seither unabhängig von der regelmäßig angepassten Gesamthöhe gegolten. Konkurrenz für "klassische" Stadtführung

Nun beschloss die TIT, künftig 70 Euro für eine Führung zu berechnen, aber nur zwei Extra-Euro an den Stadtführer weiterzugeben und die eigene Vermittlungsprovision auf 20 Euro anzuheben - ein Zuwachs von 66 Prozent. Dagegen liefen die Stadtführer Sturm. Nicht, weil sie selbst mehr wollten, sondern weil sie gegen die Preiserhöhung insgesamt waren. Hintergrund ist die Befürchtung, dass die "klassische" Stadtführung mehr und mehr ins Hintertreffen gerät - eingeklemmt zwischen Niedrigpreis-Rundfahrt-Angeboten und aufwändigen Schauspiel-Erlebnisführungen. Dass letztere - auch von der Werbung her - von der TIT mehr und mehr in den Mittelpunkt gerückt werden, schmeckt den Gästeführern nicht. Ihr Verdacht: Die erhöhte Abgabe solle diese Konkurrenz auf ihre Kosten subventionieren. TIT-Geschäftsführer Becker verweist im Gegenzug auf den Vergleich mit anderen Tourismus-Städten, wo 70 Euro für eine Führung "absolut normal" seien. Die Stadtführungen seien für die TIT unterm Strich ein defizitärer Bereich, die Erhöhung des Provisions-Anteils mithin "völlig legitim". Dass man die spektakulären Erlebnis-Führungen stark bewerbe, komme dem Tourismus in Trier generell zugute - und damit auch den Stadtführern. Dass der Konflikt in den letzten Monaten eskaliert ist, hat vergangenen auch damit zu tun, dass die TIT ihren Gästeführern einen Vertrag vorgelegt hat, den viele als Knebelung empfinden. Sie werden darin als Selbstständige behandelt, die für Fehler und Mängel bei Führungen selbst haften und die Verantwortung gegenüber dem Kunden alleine tragen. Im Gegensatz dazu behält sich die TIT aber das Recht vor, "die Vergütung und Provision nach Marktlage und finanziellen Notwendigkeiten zu ändern". Damit, so sehen es viele Gästeführer, kann die TIT ihr Honorar nach Gutdünken festlegen. "Die haben alle Rechte, und wir haben alle Pflichten", schimpft eine Stadtführerin.Das Tischtuch scheint zerschnitten

Das sei "so nie beabsichtigt gewesen", sagt wiederum die TIT-Vorsitzende, Triers Wirtschaftsdezernentin Christiane Horsch. Geschäftsführer Becker spricht von einer angedachten Vereinbarung auf drei Jahre. Das habe man nicht extra hineingeschrieben, weil man von einem "Vertrauensverhältnis" ausgegangen sei. Zurzeit würden "Dinge aufgebauscht, die jahrelang nie ein Problem waren", klagt Horsch. Man könne "den Vertrag auch ganz weglassen, wenn die Führer das wollen". Das klingt bei Becker anders. Man habe trotz des Proteststurms "keinen Anlass gesehen, viel am Vertragsentwurf zu ändern". Schließlich gebe es einen Beschluss des TIT-Vorstands. Das wiederum erbost die Vertreter der Gästeführer. Sie beklagen einen "völligen Mangel an Bereitschaft, mit uns zu reden". Das Tischtuch scheint im Moment zerschnitten. Wechselseitige Vorwürfe von mangelnder Kommunikationsbereitschaft und fehlendem Verständnis für die Position des anderen machen die Runde. Dabei sind sich TIT und Gästeführer in einem einig: Die hohe Qualität der Trierer Stadtführungen soll erhalten bleiben. Als "Trouble-Shooter" muss sich nun, einmal mehr, Oberbürgermeister Helmut Schröer betätigen. Er hat für Mittwoch zu einem Krisengespräch eingeladen. So lange wacht er als Treuhänder über die umstrittenen Verträge - damit die Frist nicht abläuft.

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