Nachruf Die Region trauert um „Dr. No“

Trier · Langjähriger Stadtarchiv-Leiter und Geschichtsforscher Reiner Nolden ist im Alter von 69 Jahren gestorben.

Im ersten James-Bond-Film war Dr. No der Bösewicht, in der Stadtbibliothek Trier war Dr. No so etwas wie der gute Geist. Sein Name: Nolden. Reiner Nolden. Den Spitznamen mochte er, „so lange er nicht überstrapaziert wird“.

Von Renommee und seinen Fähigkeiten her eine international geschätzte und gefragte Kapazität, auf persönlicher Ebene eine verschmitzte rheinische Frohnatur, uneitel und überhaupt nicht dem gängigen Klischee von hochspezialisiertem Wissenschaftler und Leiter einer weltweit gefragten Einrichtung entsprechend.

Fragen zur Stadtgeschichte, zu Klöstern, zum jüdischen Leben oder zu Massenauswanderungen nach Amerika – an Nolden führte kein Weg vorbei. Er kannte die Antworten aus Quellen, die er zum Teil selbst erschlossen hat. Nolden, aus Drove bei Düren (NRW) stammend, in Marburg ausgebildeter Archivdienst-Assessor und Doktor der Philosophie, arbeitete seit 1982 im Haus Weberbach 25, dem Domizil von Stadtarchiv und -bibliothek. Und leistete dort Pionierarbeit. Die 2000-Jahr-Feier (1984) bescherte Trier so viel wissenschaftliche Aufmerksamkeit und Anfragen, dass er „wochenlang nicht aus dem Keller herauskam und dabei sah, was für tolle Sachen wir haben“. So wurde eine üppige Beständeübersicht zum Nebenprodukt des permanenten Forschens im „Gedächtnis der Stadt Trier“, das auch ein Gedächtnis der Region ist. In den Archivtresoren lagert auch das Goldene Buch von Prüm mit im Mittelalter sicherheitshalber von Mönchen angefertigten Abschriften uralter Urkunden, deren Originale tatsächlich verloren gegangen sind.

Nolden ist mit seinen zahlreichen Büchern und Aufsätzen selbst zur Quelle geworden. Viele Orte in der Region feiern Jubiläen, weil sie dank der Forschung des Mannes, der das Stadtarchiv von 1990 bis zur Pensionierung 2014 leitete, das Datum ihrer ersten urkundlichen Erwähnung kennen.

Der Uni-Honorarprofessor (seit 2012) war auch im Ruhestand Dauergast im Stadtarchiv und forschte weiter – ehrenamtlich. Ein Resultat seines ohnehin unbezahlbaren Engagements war der seit 100 Jahren erste Katalog über die ältesten Druckwerke der Stadtbibliothek.

Am vergangenen Sonntag erlag Reiner Nolden 69-jährig einer schweren Krankheit, die ihn seit Monaten an den Rollstuhl gefesselt hatte. Tragisch: Anfang Juli hatte er sich noch „relativ gut“ gefühlt und war mit herzlichem Beifall bedachter Gast einer Veranstaltung an alter Wirkungsstätte. Es sollte sein letzter öffentlicher Auftritt sein.

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