Trierer Stadtrat beschließt: Wir nehmen den Marx, aber...

Trier. · 42 Ja-Stimmen, sieben Nein, vier Enthaltungen: Der Trierer Stadtrat beschließt, das umstrittene Denkmal-Geschenk aus China anzunehmen. Beendet ist die Debatte damit noch nicht.

 Beschlossene Sache: Das Geschenk wird angenommen.

Beschlossene Sache: Das Geschenk wird angenommen.

Foto: Michael Schmitz


"Revolution an der Porta Nigra", so betitelt die Süddeutsche Zeitung am Montag einen Artikel über die Karl-Marx-Figur, die China der Stadt Trier schenken will. Am späten Abend berichten das Heute-Journal im ZDF und das Nachtmagazin in der ARD über die Debatte in der Stadt und im Stadtrat. Auch die Leserbriefspalten im Volksfreund sind seit Wochen gut mit Marx-Pro & Contra-Meinungen gefüllt. Das zeigt schon, dass es keine gewöhnliche Entscheidung ist, die der Stadtrat sich da zum Ende der öffentlichen Sitzung auf die Agenda gesetzt hat. Ungewöhnlich ist auch, dass sich der Rat eine Stunde lang Zeit nimmt, um ausführlich das Für und Wider zu diskutieren.

Man dürfe ein Geschenk nicht annehmen von einem Staat, der die Menschenrechte mit Füßen tritt - das ist die Position, die die FDP (zwei Ratsmitglieder) vertritt (siehe Stimmen zur Sitzung unten). Die AfD (zwei Ratsmitglieder) lehnt ebenfalls mit diesem Argument die Skulptur ab, die der chinesische Bildhauer Wu Weishan entworfen hat. Zugleich hat die Partei aber auch generelle Probleme mit der Person Karl Marx und dem, was kommunistische Regime aus seinen Werken herausgelesen und in meist repressive Politik umgesetzt haben. Die Grünen (neun Sitze) sind dagegen geteilter Meinung, einige wollen die Statue zwar annehmen, aber mit wenig Begeisterung. Andere, wie Reiner Marz, streiten mit gleich mehreren Wortmeldungen energisch gegen das Geschenk. Bei der Abstimmung sagen drei Grüne Ja, drei Nein, es gibt eine Enthaltung.

Die große Mehrheit im Rat aber hat offenbar ihren Frieden mit dem weltbekannten Philosophen gemacht, der am 5. Mai 1818 in der damaligen Brückengasse 664 geboren wurde, der heutigen Brückenstraße 10. Auch dass die Stadt Trier ihren großen Sohn viel zu lange vernachlässigt habe, ist Konsens. Die SPD stimmt mit 14 Ratsmitgliedern geschlossen für das Geschenk und deutet auch schon an, dass sie mit dem umstrittenen Standort (in der Nähe des Simeonstifts) und der Größe der Figur (4,90 Meter auf einem 1,40 Meter hohen Sockel) gut leben kann. Auch die Unabhängige Bürgervertretung Trier UBT (vier Stimmen), die Linke (drei Stimmen) und die Piratin im Rat sind für die Annahme des Geschenkes. Nicht einmal die Trierer Christdemokraten, deren Partei auf Bundesebene über Jahrzehnte den Kommunismus als größtes Feindbild pflegte, hat etwas gegen das Geschenk einzuwenden. 16 Mitglieder der größten Ratsfraktion stimmen zu, drei enthalten sich der Stimme.

Köhlers Antrag macht CDU-Zustimmung möglich

Möglich macht das aber erst der Änderungsantrag, den CDU-Fraktionschef Udo Köhler gleich zum Beginn der Debatte einbringt. Beschlossen wird demnach nur, dass der Stadtrat das Geschenk einer Karl-Marx-Statue durch die Volksrepublik China annimmt. "Standort, Größe und Art und Weise der Ausführung werden hiermit, um im Wortlaut von Karl Marx zu bleiben, nicht manifestiert", sagt Köhler. In der sogenannten Schenkungsanzeige, die dem ursprünglichen Beschlussvorschlag des Stadtvorstandes anhing, war als Standort der Simeonstiftplatz genannt - wo kürzlich auch ein Dummy der Figur Modell gestanden hatte. Auch war dort die Rede von 70?000 Euro Kosten, die für das Errichten des Fundaments, den Aufbau von Sockel und Statue geschätzt würden. Diese Kosten sollten sich chinesische Botschaft und Stadt Trier teilen, hieß es in der Vorlage. Auch das ist nun erstmal nicht beschlossen worden.
Auch wenn der Beschluss im Vergleich zu der Vorlage geändert wurde, so sind Oberbürgermeister Wolfram Leibe und Baudezernent Andreas Ludwig nach der Sitzung erst einmal erleichtert. Leibe sagt: "Das Ob - die Grundentscheidung zur Annahme des Geschenks - ist jetzt getroffen worden. Das gibt Herrn Ludwig die Möglichkeit, jetzt mit dem chinesischen Generalkonsulat und Herr Weishan die Details zu besprechen." Am 7. und 8. April reist Leibe zu Gesprächen in die Trierer Partnerstadt Xiamen - auch da könnte es am Rande um die Skulptur gehen. Leibe hofft deshalb, dass über das "Wie" der Statue, also Größe, Aufstellungsort und Kosten, in der Stadtratssitzung am 6. April entschieden werden könnte.

Die Stadt Trier hat also mit dem Beschluss Ja gesagt zu einem geschenkten Karl Marx aus China, die Debatte über seine Ausführung wird die Stadt aber noch einige Wochen beschäftigen. Vielleicht gibt es also bald erneut Grund für Heute-Journal und Nachtmagazin, Reporter nach Trier zu schicken. Und auch Leserbriefe sind weiter willkommen.Kommentar

Gute Debatte, guter Beschluss
Sachlich, ernsthaft und wenig polemisch: Der Trierer Stadtrat hat eine dem Thema Karl-Marx-Skulptur angemessene Debatte geführt. Die unterschiedlichen Meinungen im Rat spiegeln die Meinungen in der Bevölkerung. Auch die getroffene Entscheidung ist vernünftig. Die Annahme des Geschenkes stärkt dem Stadtvorstand den Rücken. Die Ablehnung hätte China bloßgestellt, Trier peinliche Schlagzeilen gebracht und die Partnerschaft mit Xiamen in Frage gestellt. Für den Standort am Simeonstiftplatz könnte es bei einem Folgebeschluss eine Mehrheit im Rat geben. Nach wie vor scheint aber die Höhe der Skulptur vielen Ratsmitgliedern nicht geheuer zu sein - auch das ist ein Spiegelbild zur Meinung in der Bevölkerung. Die Zeit bis zur Entscheidung sollte der Stadtvorstand nutzen: Entweder, um mit dem Künstler zu verhandeln, oder um den Rat und die Trierer vom Sechs-Meter-Karl zu überzeugen.
m.schmitz@volksfreund.de
Extra: Stimmen aus der Sitzung

 Wie geht es jetzt weiter? Nach einer ersten Abstimmung über einen Änderungsantrag der CDU zum Marx-Beschluss ist unklar, ob nun noch einmal über den Antrag abgestimmt werden muss. Der Stadtvorstand berät sich und kommt zum Schluss: Zweite Abstimmung muss sein. Auch dieser Antrag wird angenommen.

Wie geht es jetzt weiter? Nach einer ersten Abstimmung über einen Änderungsantrag der CDU zum Marx-Beschluss ist unklar, ob nun noch einmal über den Antrag abgestimmt werden muss. Der Stadtvorstand berät sich und kommt zum Schluss: Zweite Abstimmung muss sein. Auch dieser Antrag wird angenommen.

Foto: Marcus Hormes

Eine Stunde lang hat der Trierer Stadtrat über die Annahme der Karl-Marx-Skulptur diskutiert. Der TV dokumentiert einen Teil der Wortbeiträge.

Markus Nöhl (SPD) spricht sich für seine Fraktion klar für die Annahme des Geschenks aus. Man nehme die Statue nicht aus reiner Höflichkeit an, sondern um 2018 mit Gästen aus aller Welt, darunter auch vielen Chinesen, über Marx zu diskutieren. "Annäherung bringt Wandel", sagt Nöhl.

Richard Leuckefeld (Grüne) spricht zwar von einer "aufgezwungenen Denkmalkultur" und der prekären Menschenrechtssituation in China, es gelte aber, Trier aus einer Zwickmühle zu befreien. "Jahrzehntelang haben die Verantwortlichen es vermieden, Marx im Stadtbild zu würdigen." In dieses Vakuum stoße nun das chinesische Geschenk. Unterschwellig gebe es ein großes Unbehagen bei vielen Trierer, was an der mangelnden Auseinandersetzung mit Marx liege. "Uns bleibt nichts Anderes übrig, nehmen wir das Geschenk an."

Hermann Kleber (Unabhängige Bürgervertretung Trier, UBT) sagt: "Die Annahme eines Geschenkes setzt ein Mindestmaß an Vertrauen in den Schenkenden voraus". Die Trierer Partnerschaft mit der chinesischen Stadt Xiamen habe bewiesen, dass es dieses Vertrauen geben könne. Man dürfe es sich als Stadt aber nicht nehmen lassen, bei der Entscheidung über die Ausführung, den Sockel und den Standort mitzureden.

Theresia Görgen (Linke) sagt, Karl Marx gehöre zur Stadt Trier, die Statue werde eine neue Attraktion für Besucher der Stadt. Das Geschenk abzulehnen, könne sich Trier nicht leisten. "Schon allein dafür, was bis jetzt an Diskussionen stattgefunden hat, ist es das Kunstwerk wert."

Michael Frisch (AfD) spricht von einem "bemerkenswerten Anachronismus". Im Ostblock seien die Marxfiguren alle entfernt worden. Nur in China und bis 2012 auch in Nordkorea seien Marx-Denkmäler noch zu finden. "Wir wären also keineswegs in guter Gesellschaft." Marx habe seine Unschuld spätestens mit den Verbrechen des Kommunismus verloren.

Tobias Schneider (FDP) fragt: "Sollen wir uns von einem despotischen, unmenschlichen Regime eine Statue schenken lassen?" Er listet eine Reihe von Menschenrechtsverletzungen in China auf und fordert seine Ratskollegen auf: "Die Statue ist ein vergiftetes Geschenk. Lehnen Sie dieses Geschenk ab!"

Rainer Marz (Grüne) ist ein Gegner des Geschenks: "China tritt die Menschenrechte mit den Füßen und diskreditiert damit im Grunde Karl Marx." Die Statue bezahle die Regierung "aus der Kaffeekasse der Propagandaabteilung". Dass man von solch einer Regierung ein Geschenk annehme "will mir nicht in den Kopf." Wer ein Geschenk annehme, ehre damit den Schenkenden. Das Regime sei aber keine Ehre wert. "Wenn wir heute ablehnen - dieses Signal würde in China gehört!"

Nicolay Stöckle-Jacob (SPD) erinnert an die Aktionskunst des bekannten Künstlers Ottmar Hörl mit den kleinen Marx-Figuren vor zwei Jahren in Trier. "Darüber hat sich kein Mensch aufgeregt."

Thomas Albrecht (CDU) erinnert an die Trierer Städtepartnerschaft mit der Stadt Weimar, die bei der Gründung 1987 noch Teil der DDR war. "Damals haben wir dieselben Diskussionen geführt." Man habe die Partnerschaft aber beschlossen. "Und wie wichtig war es, dass wir das getan haben!"

Karl Biegel (CDU) sieht die Annahme des Geschenks pragmatisch: "Marx hat in China einen sauguten Ruf." Trier habe das Geschenk verdient, denn "wir haben in der Stadt jemanden mit Weltruhm." Ob man das Geschenk annehme oder nicht "juckt die in China so viel wie der berühmte Sack Reis, der in China umfällt".

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