Trierer Stadtrat: Kompromiss in Sachen Straßenstrich

Trier · So richtig zufrieden schien niemand, trotzdem stimmten 28 der insgesamt 47 anwesenden Trierer Stadträte am Donnerstagabend dafür, dass der Straßenstrich in der Ruwerer Straße der Stadt bleiben darf - allerdings nur in den Nachtstunden.

Zu mäkeln hatte außer der SPD jede Fraktion etwas an dem Vorschlag von Ordnungsdezernent Thomas Egger, wo in Trier künftig Straßenprostitution erlaubt sein soll und wo nicht. Ursprünglich hatte Egger empfohlen, die Ruwerer Straße, in der im Sommer 2011 plötzlich Prostituierte ihre Dienste anboten, komplett zum Sperrgebiet zu erklären. Nur die Bitburger Straße sollte für Straßenprostitution weiter freigegeben sein. Doch gegen diesen Vorschlag regte sich heftiger Protest. Egger bessert nach und schlug am Montag vor, in der Ruwerer Straße eine "Toleranzzone" zu belassen - allerdings beschränkt auf die Zeit zwischen 22 Uhr und 4 Uhr.

Trotz ausgiebiger Diskussionen in den verschiedenen politischen Gremien - im Grunde seit Sommer 2011 - debattierte der Trierer Stadtrat am Donnerstagabend erneut knapp eine Stunde über die Vorlage.

Die Meinungen lagen dabei nicht nur zwischen den Fraktionen weit auseinander. In der CDU reichen die Einstellungen von "Trier muss rein rechtlich gesehen noch mehr Gebiete für Straßenprostitution freigeben" (Thomas Albrecht) bis "der Strich muss weg aus der Ruwerer Straße" (Fraktionsvorsitzender Udo Köhler) .

Zu Beginn der Diskussion versuchte Harald Thein-Regelin, stellvertretender Ortsvorsteher von Trier-Ruwer, den Stadtrat davon zu überzeugen, die Beschlussvorlage abzulehnen. "In dem betreffenden Abschnitt der Ruwerer Straße sind nicht nur Gewerbebetriebe ansässig, dort gibt es auch 24 Wohnungen mit insgesamt 70 Anwohnern. Alle, mit denen ich gesprochen habe, beschweren sich über die Lärmbelästigung und den Dreck, den der Straßenstrich verursacht. Wird der Strich auf die Nachtstunden eingeschränkt, konzentriert sich der Betrieb auf die Zeit zwischen 22 Uhr und 4 Uhr und die Lärmbelästigung wird noch stärker", argumentierte Thein-Regelin.

Thomas Albrecht (CDU) äußerte Verständnis für die Anlieger. "Aber Städte über 50.000 EInwohnern müssen nun mal der Straßenprostitution ausreichend Platz einräumen - so steht es im Gesetz", argumentierte der Staatsanwalt. Eggers Vorlage ging dem Juristen denn auch nicht weit genug. Albrecht befürchtete, dass der Beschluss nicht "gerichtsfest" sein könnte. "Nur auf einem kleinen Stück auf der Bitburger Straße und in der Ruwerer Straße in den Nachstunden Straßenprostitution zuzulassen ist zu wenig, laut Gesetz müssten wir wohl mehr Straßen dafür ausweisen", sagte Albrecht. Trotz seiner Einwände stimme er der Vorlage zu, erklärte Albrecht, "weil wir die Kuh nach mehr als vier Jahren Diskussionszeit ja endlich mal vom Eis bekommen müssen".

Mit ihm stimmten weitere fünf CDUler für den Nachtstrich, 12 CDUler votierten mit Nein. Darunter der CDU-Fraktionsvorsitzende Udo Köhler, der im Vorfeld gegenüber dem TV erklärt hatte, dass der Straßenstrich auf jeden Fall aus der Ruwerer Straße verschwinden müsse und der sich für die alleinige Ausweisung der Parkplätze entlang der Bitburger Straße als Toleranzzone ausgesprochen hatte (der TV berichtete).

Ohne größere inhaltlichen Einlassungen kündigte Maria Duran-Kremer (SPD) an, dass die SPD der Beschlussvorlage zustimmen werde. Detlef Schieben, ebenfalls SPD, ergänzte, dass der Rat sich fragen müsse, was passiere, wenn die Vorlage keine Mehrheit im Rat finden würde, "dann bliebe alles so, wie es jetzt ist", sagte Schieben.

Christiane Wendler von den Grünen begrüßte, dass nun endlich über die Vorlage abgestimmt werden könne, "allerdings nicht wegen des guten Inhalts, sondern wegen der langen Zeit, die es gebraucht hat, einen Kompromiss zu finden." Eine Lösung, mit der alle Fraktionen froh seien, gebe es wohl nicht, sagte Wendler. "Wir sind jedenfalls mit der zeitlichen Begrenzung auf die Nachtstunden alles andere als zufrieden. Aber um die Sache zum Abschluss zu bringen, stimmen die Grünen zu."

Die FWG konnte sich nicht dazu durchringen, über ihren Schatten zu springen und lehnte die Beschlussvorlage ab. "Das ist keine akzeptable Lösung", kommentierte Margret Pfeiffer-Erdel die Vorlage aus Eggers Dezernat. "Der Ruwerer Ortsbeirat hat sich ganz klar dagegen ausgesprochen, dass der Straßenstrich in der Ruwerer Straße verbleibt. Dass wir das einfach ignorieren, werden die Ruwerer nicht tolerieren", warnte die Ortsvorsteherin von Trier-Pfalzel.

Die Linken positionierten sich am anderen Ende des Meinungsspektrums: "Es wäre Aufgabe der Stadtverwaltung gewesen, für mehr Akzeptanz für die Sexarbeiterinnen zu werben und einzustehen", erklärte Fraktionsvorsitzende Susanne Kohrs. "Aber die Vorlage löst kein Problem: Die Sicherheit der Prostituierten wird nicht erhöht, es wird kein Vorschlag gemacht, wie der Müll, der im Zusammenhang mit dem Strich anfällt, besser weggeräumt werden kann. Stattdessen werden die Frauen in die Nachtstunden verdrängt und in ihrer Berufsausübung eingeschränkt", schimpfte Kohrs. Die Linke stimmte der Vorlage denn auch nicht zu.

AFD-Vorsitzender Michael Frisch schaffte es in seinem Redebeitrag zwei völlig unterschiedliche Perspektiven einzunehmen. Der Straßenstrich sei menschenunwürdig und sollte schon aus moralischen Gründen "so weit wie möglich zurückgedrängt werden". Denn die Frauen arbeiteten dort nicht freiwillig, viele hätten Zuhälter, die sie zu dem Job zwingen würden. "Von einer selbstständigen Ausübung eines normalen Berufs kann nicht die Rede sein!", erklärte Frisch. Bei seinen Ausführungen zum Sicherheitsaspekt stellte er die Prostituierten nur wenige Sekunden später dann allerdings doch als völlig selbstverantwortlich dar: "Es gibt nun mal Berufe, die mit hohen Risiken behaftet sind - wer den Job als Straßenprostituierte ausübt, muss sich dessen bewusst sein. Die Gesellschaft kann jedenfalls nicht für die Sicherheit der Frauen verantwortlich gemacht werden."

Katharina Haßler von der FDP wiederum schlug sich auf die Seite der Frauen: "Ich sehe die zeitliche Begrenzung kritisch - auch, weil ich nicht weiß, wie das kontrolliert werden soll. Führt das Ordnungsamt dort künftig Stechuhren ein, oder wie soll das laufen?", fragte Haßler.

Schlussendlich stimmten 28 Ratsmitglieder dafür, dass die Ruwerer Straße in der Nacht weiter für Straßenprostitution freigegeben bleibt (CDU: fünf Ja-Stimmen, FDP: eine Ja-Stimme, SPD: 11 Ja-Stimmen, Grüne: 9 Ja-Stimmen), 19 Ratsmitglieder lehnten ab (12 CDU, 3 FWG, 2 AFD, 2 Linke). Zusätzlich beschloss der Rat, dass über ein Jahr lang Erfahrungen mit der neuen Regelung gesammelt und ausgewertet werden sollen, um die Regelung anschließend überprüfen und gegebenenfalls ändern zu können.

Der Beschlussvorlage von Baudezernent Andreas Ludwig zu städtebauplanerischen Leitlinie für den Umgang mit Bordellen stimmte der Rat mehrheitlich zu . Damit ist festgeschrieben, dass sich in Trier über die zwölf genehmigten ansässigen Bordelle hinaus keine weiteren Bordelle ansiedeln dürfen. Gegen die ebenfalls zwölf Bordelle und bordellartigen Betriebe, die es in Trier gibt, die aber keine baurechtliche Genehmigung haben, will die Stadt Nutzungsuntersagungen prüfen.

SPD zieht Antrag zurück

"Sexistische Werbung eindämmen" war der Antrag überschrieben, den die SPD im Stadtrat stellte. Sexistische Werbung, in Trier insbesondere Bordellwerbung, könne "physisch und psychisch nachhaltig schädlich wirken" auf Jungen und Mädchen, erklärte SPD-Sprecher Nikolaj Stöckle-Jacob. Als Erwachsener sei man teilweise für sexistische Werbung bereits desensibilisiert. Aber als ihn seine sechsjährige Tochter kürzlich gefragt habe, warum die Frau auf dem Plakat eine Nikolausmütze anhabe und sonst nur eine Unterhose, sei er um eine Antwort verlegen gewesen. "Wir können unseren Kindern nicht erklären, dass man gegen solche Werbung, die Frauen zur Ware degradiert, nichts machen kann. Es geht darum, Haltung und Werte zu vermitteln."

Die Stadtverwaltung solle daher prüfen, wie die Auswüchse von sexistischer und diskriminierender Außenwerbung auf städtischen Flächen eingedämmt werden könne. Auch auf private Betreiber von Werbeflächen solle in diesem Sinne eingewirkt werden. Die städtische Frauenbeauftragte und das Forum Gleichstellung sollten in die Prüfung, was als sexistischen Werbung definiert werden könne, eingebunden werden. "Andere Städte haben vorgemacht, wie solche Werbung eingeschränkt werden kann", sagte Stöckle-Jacob, ohne konkrete Beispiele zu nennen.

Bei den übrigen Fraktionen im Stadtrat stieß der SPD-Antrag allerdings nicht auf Gegenliebe. "Es handelt sich immerhin um Werbung für eine rechtlich zugelassene Dienstleistung", gab CDU-Sprecherin Jutta Albrecht zu bedenken. Zumal könne man die schwierige Beurteilung, was sexistisch ist, nicht den Mitarbeitern der Stadtverwaltung zumuten. Dass solche Werbung schädlich für die Psyche von Kindern und Jugendlichen sein soll bezeichnete Albrecht zudem als "hoffnungslos überzogen", zumal im SPD-Antrag keine wissenschaftlichen Studien angeführt seien, die dies belegen würden. "Fernsehsendungen mit Heidi Klum halte ich jedenfalls für wesentlich gefährlicher als diese Werbeplakate, die zumindest in der City ohnehin nur spärlich zu finden sind", sagte Albrecht. Mit den Worten "eine freie Gesellschaft hat Anspruch auf schlechten Geschmack", beendete die CDUlerin ihren flammenden Redebeitrag.

Christiane Wendler von den Grünen erklärte ebenfalls, dass die Grünen dem SPD-Antrag nicht zustimmen könnten. Mit dem Vorschlag im SPD-Antrag, dass "nackte Körper" nicht mehr auf Werbeplakaten dargestellt werden dürften, wenn diese "keinen direkten inhaltlichen Zusammenhang zum beworbenen Produkt" hätten, könne sie wenige anfangen, erklärte Wendler. "Ich kenne kaum einen direkteren Zusammenhang als den zwischen nackten Körpern und sexuellen Dienstleistungen, um die es auf den Bordellwerbeplakaten ja geht." Was sexistisch ist, sei zudem schwierig zu beurteilen. "Ich zum Beispiel finde Werbung, in der Frauen Waschmittel präsentieren, sexistisch", sagte Wendler. Solange es im Rat allerdings keinen Konsens gebe, was unter sexistische Werbung falle, sei es nicht sinnvoll, die Stadtverwaltung mit einem Verbot sexistischer Werbung zu beauftragen.

Hermann Kleber von der FWG machte darauf aufmerksam, dass seine Fraktion schon vor einiger Zeit eine Anfrage an das Ordnungsamt gerichtet habe, welche Möglichkeit die Stadt habe, gegen sexistische Werbung vorzugehen. "Die Anwort lautete: keine", sagte Kleber. "Wir tragen daher zwar die Stoßrichtung des SPD-Antrags mit, sollten daher auf eine rechtliche Grundlage warten, die Justizminister Maas ja hinsichtlich eines Verbots sexistischer Werbung angekündigt hat", sagte Kleber.

Auch die AFD konnte sich nicht für das SPD-Ansinnen erwärmen: "Als Wertekonservativer habe ich zwar Verständnis für das Anliegen - der von der SPD vorgeschlagene Weg ist allerdings völlig falsch", sagte AFD-Chef Michael Frisch. "Denn was sexistisch ist, was die Menschenwürde verletzt und was nicht, lässt sich nicht in einer kommunalen Verfassung festschreiben", sagte Frisch.

Für die FDP sprach Katharina Haßler: "Der Antrag der SPD klingt, als würde in Trier an jeder Straßenecke ganz schlimme, menschenverachtende Werbung hängen - aber das ist nicht der Fall." Ohnehin sei es nicht AUfgabe des Staates, für die Bürger zu entscheiden, was sexistische Werbung ist und was nicht. "Das kann der Bürger selbst - er ist mündig, entsprechende Werbung einordnen zu können", sagte Haßler.

Lediglich die Linke unterstützte den SPD-Antrag. "Wir haben schon häufiger darauf aufmerksam gemacht, dass die Bordellwerbung in Trier nicht tragbar ist", sagte Paul Hilger. Bei der von der SPD beabsichtigten Eindämmung gehe es um Sensibilisierung und darum, dem Thema in der Öffentlichkeit mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen. "Sexismus ist ein Problem, dem viel zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet wird - das fängt schon bei der Tatsache an, dass immer noch akzeptiert wird, dass Frauen für die gleiche Arbeit weniger Lohn erhalten", sagte Hilger.

Angesichts so viel Gegenwind von den anderen Fraktionen zog die SPD ihren Antrag zurück. "Wir stellen unseren Antrag zurück, bis Justizminister Heiko Maas eine rechtliche Grundlage für die Eindämmung sexistischer Werbung geschaffen hat", erklärte Antragsteller Stöckle-Jacob.

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