Gastronomie Trierer Weinhexe wechselt den Wirt

Trier · Lino Ley, die beliebte Wirtin der „Weinhexe“ in Trier, geht Anfang Oktober in Ruhestand. Nachfolger der Kult-Gaststätte ist ein prominenter Trierer. Doch Lino geht nicht so ganz.

 Prost! Lino Ley übergibt die Weinhexe Anfang Oktober an ihren Nachfolger Jürgen Jakobs. Darauf stoßen beide mit einem Glas Crémant an.

Prost! Lino Ley übergibt die Weinhexe Anfang Oktober an ihren Nachfolger Jürgen Jakobs. Darauf stoßen beide mit einem Glas Crémant an.

Foto: TV/Verona Kerl

Lino Ley kennt sich aus – mit Menschen und mit Wein. Was nicht unbedingt verwunderlich ist, empfängt doch die Wirtin der Weinhexe seit 40 Jahren Gäste in der Saarstraße 18 und lässt diese gern und ausführlich an ihrer Liebe zum Wein teilhaben. Doch Anfang Oktober ist Schluss damit. Obwohl die 75-Jährige ihren Beruf liebt – ihre „Berufung“ wie sie sagt – sei nun die „Götterdämmerung“ über sie hereingebrochen. Das wurde ihr klar, als Tochter Andrea nach acht Jahren zum 1. Januar wieder in ihren alten Job als Arzthelferin zurückkehrte.

Die Frage wie es mit der Weinhexe nach dem Tag X weitergehen soll, hat sie lange beschäftigt. Sie überstürzte nichts und wartete. Auf den Wirt, der die heimelige Atmosphäre der Weinhexe schätzt und bewahren will, der sich aufmerksam um die Gäste kümmert, und der genau wie sie mit Leib und Seele Gastgeber ist. Der ideale Kandidat war eigentlich längst da, ein Stammgast, den Lino bereits seit 20 Jahren kennt.

Jürgen Jakobs, 55 Jahre, Restaurantleiter von Blesius Garten in Trier-Olewig. Als ihm Lino Ley das Angebot machte, die Gaststätte zu pachten, überlegte er genau zwei Tage. Dann sagte er zu. „Das hat mich nicht überrascht“, lacht Lino. „Schließlich kennt er ja den Laden.“

Stimmt, nickt Jakobs. „Ich übernehme die Weinhexe so wie sie ist. Das Konzept aus leckerem Essen, freundlichem Service und gemütlicher Atmosphäre gefällt mir.“ Jakobs, ein waschechter Trierer Junge und Vollprofi, hat das Metier buchstäblich mit der Muttermilch aufgesogen. „Ich bin in die Gastronomie hineingeboren. Wir hatten zu Hause eine Bäckerei mit Café in der Lindenstraße. Daher bin ich nichts anderes gewohnt.“ Seine Karriere begann im Restaurant Pfeffermühle in Zurlauben, wo er eine Lehre zum Koch absolvierte und lange Jahre arbeitete. Er wechselte zur Historischen Schlossmühle nach Horbruch (Landkreis Birkenfeld), bevor er beim Blesius Garten anheuerte, wo er seit 19 Jahren die Verantwortung für das Restaurant trägt. „Zum Teil haben wir dieselben Gäste. Ich kenne viele, die in die Weinhexe kommen“, freut sich Jakobs.

Wer jetzt mutmaßt, dass er die Speisekarte umkrempelt und selbst kocht, so wie Lino Ley dies jahrelang getan hat, irrt. Jakobs will einen Koch engagieren: „Nur wenn Not am Mann ist, stelle ich mich auch an den Herd.“ Die Speisekarte bleibe erst mal so wie sie ist. Neuerungen oder Änderungen will er behutsam einführen.

 Lino Ley und Jürgen Jakobs harmonieren. Beste Voraussetzungen für einen reibungslosen Wechsel in der für Weinliebhaber eine der ersten Adressen Triers. Und so nimmt sich Jakobs die Ratschläge von Ley gerne zu Herzen: „Bleib’ nie weg von den Gästen! Das hab ich ihm mit auf den Weg gegeben. Der Gast muss betreut werden, ohne das Gefühl zu haben, überrumpelt zu werden. Das Persönliche spielt eine wichtige Rolle.“

Ein Standpunkt, aus dem die erfahrene Gastronomin spricht. Stammkunden mögen die nette, heimelige Atmosphäre, die interessanten Gäste sowie die Tatsache, dass man dort leicht neue Leute kennenlernt. Vor allem aber die eigenwillige Wirtin: „Es macht Spaß, sich mit ihr zu unterhalten und zu streiten. Lino hat manchmal ihre ganz eigene Meinung, die sie ungern bis gar nicht revidiert. Über Wein weiß sie alles.“

Für ihre Zeit nach der Weinhexe schwirren in Lino Leys Kopf schon wieder viele neue Ideen umher. „Ich will ein paar Reisen machen. Ich will Dinge inszenieren. Mir schwebt vor, einen eigenen Stammtisch zu gründen.“ Jakobs erhebt Einspruch. „Aber mach’ nicht zu viel. Wenn ich Hilfe brauche und dich rufe...“ Lino Ley grinst: „Den Stammtisch würde ich ja hierher einberufen. Wenn Du mich brauchst, bin ich da.“

Das könnte schneller passieren, als sie glaubt. Denn ihr Nachfolger hat ein recht aufwändiges Hobby. Eins, dass ihn stadtbekannt gemacht hat. Als Zugnummer der Karnevalsgesellschaft „M’r wieweln noch en Zalawen“ ist er aus der fünften Jahreszeit in Trier nicht wegzudenken. Seine Büttenreden sind legendär, sein Talent außergewöhnlich, seine Rollen skurril, seine Fans zahlreich. Die kann und will er nicht enttäuschen.

„Im Karneval mache ich auf jeden Fall weiter“, versichert er. Von seinen vielseitigen Begabungen profitieren möglicherweise auch die Gäste der Weinhexe. Lino Ley ist sich da ganz sicher. „Vielleicht gibt er ja das ein oder andere Konzert. Da wird ihm bestimmt was einfallen.“ Jürgen Jakobs scheint nicht abgeneigt, doch seine künstlerischen Ambitionen stehen für ihn nicht im Vordergrund: „Ich will mich hier erst einmal einrichten. Das andere kommt nach und nach. Wobei... im Blesius Garten habe ich an Weihnachten auch Konzerte gegeben.“

Eine fließende Übergabe haben sich Lino Ley und Jürgen Jakobs vorgestellt. Keine tränenreiche Abschiedsparty, keine pompöse Eröffnungsparty. Auf die Frage, was die Kult-Gastwirtin ab Oktober vermissen wird, bleibt sie fast eine Antwort schuldig. Aber nur fast. „Darüber habe ich noch nicht nachgedacht. Ich hoffe nichts. Man muss auch mal was Neues anfangen“, sagt sie und blickt abgeklärt auf die Vergangenheit zurück: „Wenn ich nochmal anfangen würde, ich würde nichts ändern.“

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