Gegen Verpackungsmüll Trierer Läden verschenken jetzt Wasser
Trier · Dutzende Geschäfte bieten inzwischen kostenloses Wasser zum Trinken an,Tausende Bürger fordern ein System für Kaffeepfandbecher und die Linke schlug Dienstagabend eine Verpackungssteuer im Stadtrat vor – alle mit einem gemeinsamen Ziel, wie unsere Autorin erfährt.
Neben der Eingangstür eines gemütlich beleuchteten Cafés klebt rechts unten in der Scheibe ein runder Aufkleber mit hellblauem Wassertropfen und der Aufschrift „Refill-Station“. Hier soll man kostenlos Trinkwasser auffüllen können.
Da sich unter meinen Weihnachtsgeschenken auch eine schicke Trinkflasche befand, soll die Refill-Station des Cafés gleich getestet werden. Etwas gehemmt, mit leicht trockenem Hals und leerer Trinkflasche in der Handtasche betrete ich das Café Hygge in der Neustraße, in dem ich später noch mit dem Verantwortlichen der Refill Trier Initiative verabredet bin. Ist es möglich, meine Flasche hier auffüllen zu lassen? Freundlich nimmt die Barista meine leere Flasche entgegen, hält sie unter einen schlanken silbernen Wasserhahn und füllt sie randvoll auf. Kostenlos. Viele meiner Studienfreunde tragen derzeit so eine schicke Trinkflasche mit sich herum, die in Städten wie ein angesagtes Lifestyle-Accessoire wirkt. Sie demonstriert Umwelt-Engagement, doch Georg Härtl findet, dahinter steckt mehr als schöner Schein. Der motivierte Politikstudent und Studentin Sarah Ehresmann bringen die Initiative in Trier ehrenamtlich voran. Sie soll dabei helfen, Plastikmüll und Wassertransportwege zu vermeiden.
Die Initiatoren Seit Mai überzeugen die beiden immer mehr Cafés und Geschäfte davon, kostenloses Leitungswasser an Kunden und Nicht-Kunden zu verschenken, indem sie mitgebrachte Trinkflaschen auffüllen. Gleich an ihrem ersten Tag im Mai hatten Härtl und Ehresmann zehn neue Refill-Stationen für ihre Idee gewonnen und mit blauem Sticker gekennzeichnet. Im Internet sind alle Stationen auf einer Karte markiert (www.refill-deutschland.de/trier).
Der bisherige Erfolg Immer wieder bekommen die Studenten eine E-Mail, dass ein weiteres Geschäft mitmachen möchte. „Als Unternehmen kann man sich die Sticker auch selbst ausdrucken und uns dann Bescheid geben, dass man eine Station geworden ist. Wenn wir persönlich hingehen, können wir auch noch mal kurz erklären, dass die Hygienebedingungen einen extra Wasserhahn vorschreiben, der nicht gleichzeitig zum Anrichten von Speisen genutzt werden darf“, sagt Härtl.
Jedes Unternehmen darf mitmachen. Wer Lust hat, kann die Sticker beim Unverpackt-Laden neben der Porta bekommen und selbst zu seinem Lieblingscafé bringen. Für die Laden- und Cafébesitzer ist der Vorteil, Menschen ins Geschäft zu locken, die sich dann gleichzeitig umschauen. Auch auf der Facebook-Seite von Refill Trier posten Härtl und Ehresmann Fotos der neuen Refill-Stationen und machen damit noch ein bisschen Werbung für die umweltbewussten Unternehmen.
Alexander Becker, der Inhaber des Hood Dogg in der Grabenstraße sagt, er erhoffe sich von seiner Teilnahme keinen Mehrwert: „Wer Wasser benötigt, der sollte das auch kostenlos bekommen! Natürlich bieten wir auch regionales Mineralwasser zum Verkauf an“. Die Hauptbefürchtung der meisten Gastronomiebetriebe sei außerdem am Anfang, dass sich Leute, sobald sie den Sticker am Laden gesehen haben, an einen Tisch setzen, dort eine Flasche kostenloses Trinkwasser bestellen und den Tisch damit für andere Gäste blockieren. „Das geht natürlich nicht“, erklärt Härtl. „Ein Refill-Nutzer darf auch nicht traurig sein, wenn eine Station ihn im Alltagsstress doch einmal abweist. Dann kann man es bei der nächsten Station versuchen.“
Fragen fällt manchmal schwer Warum aber war es mir im ersten Moment so unangenehm, etwas zu erbitten, das ich nicht bezahlen würde? Härtl glaubt, es liege noch an der Kultur in Deutschland, dass man kostenloses Leitungswasser nicht gewohnt sei. Er selbst habe vor dem Studium ein Jahr lang in Australien in der Gastronomie gearbeitet und dort zu jeder Bestellung kostenloses gekühltes Leitungswasser gereicht. Er erfuhr, dass Gastronomien in Australien per Gesetz dazu verpflichtet sind, auf Nachfrage kostenloses Leitungswasser herauszugeben. Auch in Deutschland ist Leitungswasser laut Bundesumweltministerium von hervorragender Qualität. Neben dem Umweltaspekt spart man Geld und unnötige Schlepperei. Toll fände Härtl, wenn es in Trier einen öffentlichen hygienischen Trinkbrunnen gäbe, der seine Idee stützen könnte. Dieser ist als Vorschlag im entwicklungspolitischen Aktionsplan der Stadt Trier bereits enthalten. Laut Härtl prüfen die Stadtwerke derzeit bereits, ob es dafür einen geeigneten Standort in Trier gibt.
Bürger fordern Pfandsystem Härtl und Ehrsmann unterstützen auch die Trierer Petition gegen Kaffee „zum Mitholen“ in Einwegbechern: Die Petition über ein Pfandbechersystem in ganz Trier unter dem Motto „Pfandbecher To Go“ haben schon über 2258 Menschen unterschrieben. Das sei laut Petitionsseite wichtig, weil in Deutschland stündlich 320 000 Einweg-Kaffeebecher in den Müll geworfen würden – nach einer durchschnittlichen Nutzungsdauer von weniger als 15 Minuten. Die Idee stammt ursprünglich aus Freiburg, wo die dortige Abfallwirtschaft schon 2016 als erste deutsche Großstadt den „FreiburgCup“ einführte.
Vorbild Weihnachtsmarkt In fast 500 Kommentaren nennen die Unterstützer der Trierer Petition ihre Gründe. Einer sagt zum Beispiel: „Überall ist in der Stadt Müll am Wegesrand verteilt. Je weniger man überhaupt erst produziert, desto weniger verschmutzt am Ende die Umwelt“. Ein anderer sagt, dass es auf dem Weihnachtsmarkt doch auch mit Pfandbechern für Glühwein funktioniere. Ein Gegenargument lautet dort aber, dass Mehrweg-Pfandbecher oft eine schlechtere Umweltbilanz hätten: „Sie werden zu oft gegen neue Becher ausgetauscht, sobald die Mehrwegbecher nicht mehr gut aussehen. Besser ist Müllvermeidung, den Kaffee in Ruhe im Restaurant trinken, statt mitzunehmen“.
Der Inhaber des Hood Dogg würde definitiv an einem Pfandsystem in Trier teilnehmen. Derzeit sei es noch schwer, in der Systemgastronomie komplett auf Müll zu verzichten, auch wenn man versuche, alle Verpackungen kompostierbar oder nachhaltig produziert zu erwerben. Die Initiatorinnen der Petition fordern Trier auf: „faggel net su rom, haal dropp!“ (Fackel nicht so lange, mach hin!)
Müll auf der Straße Härtl hat schon jetzt immer eine Glasflasche bei sich und versucht Abfall so gut es geht zu vermeiden, da auch recyclebares Material oft verbrannt werde. Es sei mit etwas Routine nicht schwer, den Rucksack mit einer Stofftasche für den spontanen Einkauf, Mehrwegbecher für Kaffee To Go und eben einer wiederbefüllbaren Wasserflasche auszustatten. Das sei nicht jedermanns Sache – aber er will mit Refill Trier helfen, die Hemmschwelle zum Mitmachen zu verringern. Auf dem Fußweg nach Hause sehe ich plötzlich überall Müll und denke, dass ein Pfandsystem für Kaffeebecher für mich wohl sinnvoll wäre, da ich einen eigenen Becher oft vergesse. Für das neue Jahr nehme ich mir aber vor, die hübsche Trinkflasche immer einzustecken, als erster Schritt für weniger Müll in Trier.
Mehr Informationen und alle Refill Stationen können auf der Webseite oder der Facebook-Seite der Initiative eingesehen werden. Zum Beispiel unter refill-deutschland.de oder www.facebook.com/RefillTrier Die Petition kann unter www.openpetition.de/petition/online/trier-befrei-dich-vom-muell-pfandbecher-to-go unterschrieben werden.