Stadtgeschichte Des Geschichtenerzählers dritter Streich

Trier · Triers Alt-OB Helmut Schröer hat wieder publikumswirksam in seinen Erinnerungen gekramt. Resultat: Balsam für die trierische Seele.

 Eifriger Verfasser Trierer Geschichten: Alt-Oberbürgermeister Helmut Schröer.

Eifriger Verfasser Trierer Geschichten: Alt-Oberbürgermeister Helmut Schröer.

Foto: Roland Morgen

Es waren wahrhaft legendäre Abende bei Mutti Krause. In ihrer Kultkneipe in der Hosenstraße traf sich halb Trier. „Geheischnöss“ (behagliche Vertrautheit) pur, dazu regelmäßig Livemusik, meist von den „Drei Jos“ (Jo Beer, Matthias Rump, Ric Bettendorf), später auch von der Leiendecker-Bloas.

Lang ist’s her. Ende März 1995 drehte Leni Krause (so ihr bürgerlicher Name) endgültig den Zapfhahn zu: Ein Hirnschlag hatte die damals 72-Jährige, die ihre Gastro-Karriere mit einer Frittenbude startete, zur Geschäftsaufgabe gezwungen. Vorbei war’s mit dem geflügelten Spruch „Mein zweites Zuhause ist bei Mutti Krause“. Im November 1999 starb das Trierer Original.

Dafür, dass sie dauerhaft in Erinnerung bleibt, sorgt Helmut Schröer. Im frisch erschienenen dritten Band seiner Reihe Trierer Geschichten widmet er ihr eines der zwölf Kapitel. „Es war mir ein dringendes Bedürfnis, Menschen, die unsere Stadt geprägt und besonders liebenswert gemacht haben, wieder ins Gedächtnis zu bringen.“ Ein anderer aus dieser Kategorie ist Werner Becker (1922-2003), den Schröer zum Protagonisten eines Kapitels über die Renaissance der Trierer Mundart macht. Die beherrscht der gebürtige Kölner selbst zwar nur rudimentär (häufigster Spontan-Ausspruch: „Dat giddet doch nit!“), weiß aber um ihre elementare Bedeutung: „Mundart ist Heimat. Und sie trägt zu Triers Unverwechselbarkeit bei.“ Insofern sei der neue Band „durchaus ein Heimatbuch. Aber auch ein Erinnerungsbuch“.

Schröer fällt es leicht, in Erinnerungen zu kramen. Dutzende Ordner füllen das, was er in seiner Trierer Zeit – erst als Berufsschullehrer, dann von 1977 bis 2007 als Stadtvorstandsmitglied, davon die letzten 18 Jahre als Oberbürgermeister – zusammengetragen hat und im Arbeitszimmer seines Hauses im Stadtteil Mariahof aufbewahrt. Zeitungsausschnitte, Fotos, Redemanuskripte, Schriftverkehr und andere Dokumente. „Ja, ich verfüge über ein ganz stattliches Archiv.“ Und das bemüht er gerne, um „Dinge vor dem Vergessen zu bewahren. Wenn keiner das tut, dann sind sie bald aus dem Gedächtnis.“

Als Stadtchronist im Stil von Emil Zenz (1912-1994) sieht er sich nicht: „Nein, der war Historiker. Ich bin kein Geschichtsschreiber.“ Aber einer, der Geschichten schreibt, die er hautnah und in verantwortlicher Position mitbekommen hat. So die 1999 zu Ende gegange „Franzosenzeit“ in Trier, der Bau des Messeparks in den Moselauen, der 2000. Stadt-Geburtstag 1984 oder die Entstehung des Altstadtfests – übrigens wie der Weihnachtsmarkt ein Event, das Schröer als damaliger Wirtschaftsdezernent etabliert hat.

Der Blick geht aber auch weit über die Stadtgrenzen und bis in die Antike zurück. Ambrosius, der „Heilige von Mailand“, wurde 339 in Trier geboren.

Selbstverständlich gibt es außerdem was zu lachen. Schröer lässt die Ära der karnevalistischen Rathaussitzungen Revue passieren: 1986 trat der noch von OB Felix Zimmermann angeführte Stadtvorstand als stilecht ausstaffierte Punkertruppe auf; anno 1998 drückte Stadtoberhaupt Schröer Karnevalsprinzessin Judith Williams (die später zur Teleshopping-Queen avancierte) die leere Stadtkasse in die Hand. Als in den 1990er Jahre immer mehr Dezernenten die nach einem von Schröer verfassten Drehbuch ablaufenden Veranstaltungen schwänzten, war diese Ära bald zu Ende.

Normalerweise präsentiert der Autor seine Trierer Geschichten gerne in öffentlichen Buchvorstellungen unter Moderation von Uni-Präsident Michael Jäckel im Lesesaal der Stadtbibliothek. Dort wären zum ursprünglich vorgesehenen Zeitpunkt Ende Oktober statt der üblichen 200 allenfalls 17 Besucher zugelassen gewesen: „Wir wollen die Präsentation möglichst im kommenden Frühjahr nachholen.“ Wenn die Pandemie hoffentlich vorbei ist, die das Erscheinen des neuen Buchs um einen Monat verzögert hat. Und wann kommt Band 4? Dazu will sich der Alt-OB, der am 23. November seinen 78. Geburtstag gefeiert hat und vor wenigen Wochen erstmals Urgroßvater geworden ist, noch nicht weiter äußern: „Abwarten. Aber einige Geschichten hätte ich noch auf Lager ...“

 Frisch erschienen: Band 3 der Reihen "Trierer Geschichten" von Alt-OB Helmut Schröer. Foto: Roland Morgen

Frisch erschienen: Band 3 der Reihen "Trierer Geschichten" von Alt-OB Helmut Schröer. Foto: Roland Morgen

Foto: Roland Morgen

Trierer Geschichten Band 3 ist wie alle Buchveröffentlichung von Helmut Schröer seit 2009 im Paulinus-Verlag Trier erschienen. Es umfasst 176 reich bebilderte Seiten und ist für 14,90 Euro erhältlich im Buchhandel und im Paulinus Online-Shop:
www.paulinus-verlag.de/shop/

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