Triers Geisterhaus steht in der Südallee

Trier · Seit sechs Jahren steht das alte Polizeipräsidium in der Südallee leer, in dem 88 von den 300 dort arbeitenden Polizisten teilweise schwer erkrankt sind. Die Ursache blieb ein Rätsel, auch wenn das Land heute einen Zusammenhang mit der Sanierung sieht, die kurz vorher stattgefunden hat. 2014 soll der Bau verkauft werden.

 Das Land räumt heute ein, dass die Asbest- und PCB-Sanierung von 2004 mit der Krankheitswelle zusammenhängen könnte. TV-Foto: Roland Morgen

Das Land räumt heute ein, dass die Asbest- und PCB-Sanierung von 2004 mit der Krankheitswelle zusammenhängen könnte. TV-Foto: Roland Morgen

Trier. Die typische Gruselatmosphäre eines Geisterhauses kann das alte Präsidium nicht bieten. Der Besucher findet keine düsteren Räume mit einer an finstere Ereignisse erinnernden Einrichtung. Stattdessen ist der Funktionsbau aus den 70ern leer, hell und still. Fünf Stockwerke sind seit 2005 eine Sperrzone, in denen der Auslöser für Atemwegserkrankungen bis hin zu schweren Verätzungen steckte.
Helmut Heinz vom Landesbetrieb Liegenschafts- und Baubetreuung aktiviert den Fahrstuhl. "Stockwerk gesperrt" steht bei den Nummern eins, zwei, drei, vier und sechs. "Hier hat sich seit sechs Jahren nichts bewegt", erklärt er. "Für Benutzer ohne Schlüssel hält der Fahrstuhl hier nicht an." Die Ziele solcher Benutzer sind entweder das heute noch aktive kriminaltechnische Labor im fünften und die beliebte Betriebskantine im siebten Stock. Zwei Inseln in einem leeren Gebäude.
"Wir halten es für ausgeschlossen, dass im Labor oder der Kantine die Gefahr einer Erkrankung besteht", sagt Heinz. "Vor allem die Kantine hat einen vollkommen anderen Boden und ebenso wie das Labor ein Belüftungssystem." Ein kurzer Abstecher in die Kantine lässt in der Tat alle Gedanken an einen mysteriösen Krankmacher verschwinden. Dort speisen Beamte und Besucher, betreut von einer fröhlichen Wirtin und umgeben von einem der wahrscheinlich schönsten Ausblicke auf Trier-Süd. Heinz ergänzt: "Außerdem halten sich in Menschen in beiden Stockwerken nur zeitweise und eher kurzfristig auf."
Zurück in die gesperrten Etagen: An manchen Büros hängen noch die Namensschilder ihrer früheren Insassen, auf einer Fensterbank steht noch ein Telefon, in einer Ecke sieht man einen vergessenen Bürostuhl. Nichts sieht alt und verkommen aus. Die Sperrzonen sind bereit, neue Einwohner aufzunehmen. Kein Wunder: Kurz vor Beginn der Erkrankungswelle im Frühjahr 2005 war das Gebäude für sechs Millionen Euro saniert worden.
Eine schwere Hypothek


Dennoch sind die Krankheitsfälle eine schwere Hypothek. "Es gibt keine spezielle Ecke, in der sich die Erkrankungen geballt haben", sagt Karl-Peter Jochem von der Pressestelle des Polizeipräsidiums Trier beim Rundgang. "Das kam von überall."
Ist "das" möglicherweise auch heute noch da? Markus Ramp, Pressesprecher des Landesbetriebs Liegenschafts- und Baubetreuung in Mainz, stellt sich den Fragen des TV. "Auch wenn die damalige Ursachensuche mit Raumluftmessungen kein zweifelsfreies Ergebnis brachte, kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Erkrankungen mit der Sanierung in Zusammenhang standen." Eine der bisher klarsten Antworten auf die Frage, was die 88 Beamten krank gemacht hat. Ramps Folgerung ist neu: "Aufgrund der mittlerweile verstrichenen Zeit ist anzunehmen, dass Kleb-, Farb- und Reinigungsstoffe heute ausgetrocknet sind und sich mögliche Luftbelastungen deshalb verflüchtigt haben." Das Land hat konkrete Pläne mit seinem modernen Geisterhaus. Ein Abriss gehört nicht dazu. Im Gegenteil: Ab 2014 wird das alte Präsidium zum Verkauf angeboten. "Bis dahin wird der komplette Umzug der Polizei ins neue Präsidium am Hauptbahnhof abgeschlossen sein", sagt Markus Ramp. Ende 2004: Eine sechs Millionen Euro teure Asbest- und PCB-Sanierung wird abgeschlossen. Frühjahr 2005: Polizisten klagen über Gesundheitsbeschwerden, die nur dann auftauchen, wenn sie arbeiten. Die Symptome: blutige Nasenschleimhäute, Kurzatmigkeit, Antriebslosigkeit und auch irreparable Schäden an den Bronchien. Gutachter nehmen das Gebäude unter die Lupe. Keine ihrer Theorien vom Harz-Schutzanstrich an Wänden und Decken über Allergien auslösende Pflanzen und Staubbelastungen bis zu Reizstoffe freisetzende Reinigungsmittel wurde jemals definitiv bestätigt. Oktober 2005: Der damalige Polizeipräsident Manfred Bitter verkündet: Wir räumen das Gebäude. März 2006: Innenminister Karl-Peter Bruch erklärt, eine weitere mit 15 Millionen Euro bezifferte Sanierung und eine Rückkehr seien ausgeschlossen. jp

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