Triers heimlicher Riesling-König

Neue Weinköniginnen werden alle Jahre wieder gekürt. Erwin Engel (46) hingegen ist die Kontinuität in Person: Seit 30 Jahren steht er in Diensten der Bischöflichen Weingüter und hat sich über seine Funktion als Verkaufschef hinaus zu Triers "heimlichem Riesling-König" gemausert.

 Faible für flüssige Kostbarkeiten: In seiner privaten Schatzkammer lagert Erwin Engel erlesene und betagte Weine wie diesen Bernkasteler Riesling von 1921. TV-Foto: Roland Morgen

Faible für flüssige Kostbarkeiten: In seiner privaten Schatzkammer lagert Erwin Engel erlesene und betagte Weine wie diesen Bernkasteler Riesling von 1921. TV-Foto: Roland Morgen

Trier. Manchmal haben "Verzweiflungstaten" ganz positive Folgen. Im Falle von Erwin Engel war das so. Nach der Mittleren Reife 1978 schrieb der junge Mann aus Ehrang, der trotz Empfehlung fürs Gymnasium "keinen Bock mehr auf Schule" hatte, "-zig Bewerbungen, erntete aber nur Absagen". Aus der Traum von der Lehre als technischer Zeichner. "Dann hörte ich, dass die Bischöflichen Weingüter einen Bürokaufmann-Azubi suchten und habe mich in meiner Not einfach daraufhin gemeldet." Letzter Versuch - Volltreffer. Erwin Engel bekam trotz großer Konkurrenz den Job, der ihn unerwarteter Weise zu "einem der glücklichsten Arbeitnehmer der Welt" machte. Noch als Azubi durfte der Jungspund bei Proben der Bischöflichen Weingüter assistieren und kam bald selbst auf den Geschmack. Im November 1982 kommentierte er seine erste Weinprobe im Alleingang - der Anfang einer erstaunlichen Karriere, die ihn zur Institution machte. 2007 leitete der "Bischofs-Engel" (Spitzname) neben seinem Büro-Job 157 Proben; alleine in diesem Monat sind es 30. Die Teilnehmer (meist zwischen zehn und zwei Dutzend Personen) sind Touristen, Fachleute, offizielle Gäste Triers oder des Bistums, aber auch Ehemalige oder Abiturienten des Friedrich-Wilhelm-Gymnasiums (FWG), dessen Weingut seit 2003 zu den Bischöflichen Gütern (Sitz: Gervasiusstraße 1) gehört.

Viel Genuss bei wenig Schlaf



Engels Aktionsradius ist keineswegs auf die weitläufigen Kelleranlagen entlang der Weberbach beschränkt. Für seinen Arbeitgeber (130 Hektar Rebfläche, 87 Prozent Riesling, jährlicher Absatz: 900 000 Flaschen) ist er als Botschafter auch schon mal zwischen Texas und Tokio unterwegs. Seinen persönlichen Teilnehmer-Rekord hat er in Leiwen aufgestellt: "1700 Leute bei einer von mir kommentierten Großweinprobe im Festzelt."

Was vielleicht nach sorglosem Umgang mit Alkohol klingen mag, sieht Engel völlig anders: "Ich vermittle Wein-Genuss und keinen unreflektierten Konsum." Wie steht's mit den eigenen Leberwerten? "Der Arzt sagt, die sind okay. Aber er sagt auch, ich soll nicht zu viel Sahne und Butter verwenden." Kochen - das ist seine zweite Leidenschaft, die sich auf wunderbare Weise mit Rebensaft kombinieren lässt. Für Engel Anlass, eigene weinkulinarische Veranstaltungsreihen zu kreieren.

"Mein Beruf ist mein Hobby - und umgekehrt. Ich habe riesige Freude daran", begründet der Riesling-Fan, warum man ihn trotz gelegentlicher 18-Stunden-Arbeitstage höchst selten einmal weniger gut gelaunt erlebt. Das liegt aber auch an einer weiteren charakteristischen Eigenschaft: Frohnatur Engel kommt mit wenig Schlaf aus und bringt es fertig, bis nachts um 1.30 Uhr Freunde zu beköcheln und um 5 Uhr putzmunter an der Autobahnauffahrt am Verteilerring zu stehen, um Bischof Reinhard Marx winkend gen München zu verabschieden. Diese Gabe erwies sich Anfang 2005 als besonders nützlich.

Damals fungierten Engel und Barbara Ries als Trie rer Prinzenpaar. Durchhaltewunder Erwin I. war nicht kleinzukriegen - trotz mancher Nacht mit nur drei Stunden Schlaf. Aus dem närrischen Spaß wurde Ernst: 2007 schlossen die Ex-Tollitäten den Bund fürs Leben. Derzeit sind sie dabei, ihr Domizil, das ehemalige Olewiger Pfarrhaus St. Anna, bezugsfertig zu machen.

Ein Freund hat dem Anwesen von Erwin Engel und Barbara Engel-Ries (39) schon den passenden Namen gegeben: "Engelsburg".

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