Umfrage Stimmt so! - Werden Gäste in Cafés und Restaurants beim Trinkgeld geiziger?

Trier · Trinkgeld gilt als höfliche Geste derjenigen, die es sich leisten können und wollen. Doch für viele Servicekräfte ist es eine wichtige Ergänzung des Gehalts. Wir haben uns in Trier umgehört, wie viel Trinkgeld die Menschen geben und warum.

Trinkgeld ist in der Gastronomie eine wichtige Einnahmequelle.

Trinkgeld ist in der Gastronomie eine wichtige Einnahmequelle.

Foto: dpa-tmn/Kai Remmers

Corona, Energiekrise und Inflation: Die Bereitschaft, Trinkgeld zu geben, scheint abzunehmen. Die aktuelle Diskussion um die deutsche Trinkgeld-Kultur wurde von Journalistin Anja Reschke ausgelöst. „Was ist bitte los mit den Leuten? Das Trinkgeld nimmt seit Jahren ab“, twitterte die Moderatorin des ARD-Politmagazins „Panorama“.

Reschke hatte von einer Bekannten berichtet, die als Servicekraft arbeitet. Diese bekommt trotz guter Arbeit immer weniger Trinkgeld. Auch Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat sich an der Diskussion beteiligt und fordert mehr Trinkgeld in der Gastronomie: „Schon alleine wegen der dauernden Gefahr der Ansteckung mit dem Coronavirus ist es unverständlich, dass nicht großzügiger Trinkgeld bezahlt wird. Ausgenommen sind natürlich Ärmere. In der Gastronomie arbeiten die Menschen hart und tragen oft ein erhebliches Risiko.“

Liegt die Zurückhaltung nur an den steigenden Preisen? Oder gibt es auch andere Gründe? Wir haben uns in Trier umgehört.

Ein Paar aus Traben-Trarbach sieht Trinkgeld nicht als Selbstverständlichkeit: „Beim Trinkgeld runden wir den Betrag auf. Wenn das Essen aber schon zu teuer war, dann geben wir kein Trinkgeld mehr.“ Allerdings werden auch andere Gründe genannt, weniger bis gar kein Trinkgeld zu geben.

„Wenn der Service freundlich war und ich zufrieden bin, gebe ich gerne Trinkgeld“, sagt eine 65-jährige Frau aus Trier. „Allerdings habe ich auch einmal kein Trinkgeld gegeben, da der Service unfreundlich war und das Essen nicht geschmeckt hat.“ Ähnlich argumentiert eine 78-Jährige: „Ich gebe gerne Trinkgeld. Ganz selten kommt es vor, dass ich mal gar kein Trinkgeld gebe. Nur, wenn der Service unfreundlich ist.“

Tanja (53) aus Daleiden sagt: „Ich finde man sollte immer Trinkgeld geben, da man in der Gastronomie so wenig verdient. Beim Trinkgeld bin ich nicht sparsamer geworden.“ Auch Ziggy (76) aus Trier teilt diese Meinung: „Ich finde es notwendig, Trinkgeld zu geben, vor allem, weil das Gehalt bei Servicekräften so gering ist.“

Laut Trinkgeld-Knigge sollte in Deutschland zwischen fünf und zehn Prozent des Rechnungspreises gegeben werden. Dort steht auch: „Man sollte, muss aber nicht.“

Tim Reuter (26) aus Trier, folgt dem ziemlich genau: „Ich gebe immer zwischen fünf und zehn Prozent Trinkgeld, wobei ich mich am oberen Ende orientiere, wenn der Service gut war. Das wurde mir so beigebracht.“

Ein anderer Passant sieht es ähnlich: „Normalerweise gebe ich immer zehn Prozent Trinkgeld. In letzter Zeit bin ich allerdings etwas sparsamer geworden“, gesteht der Trierer. „Es ist aber noch nie vorgefallen, dass ich kein Trinkgeld gegeben habe.“ Auch Justin (24) aus Trier sagt: „Ich bin sparsamer geworden, aber versuche einen fairen Betrag zu geben. In sehr seltenen Fällen gebe ich gar kein Trinkgeld, aber nur wenn irgendwas sehr schlecht gelaufen ist.“

Johanna (28) aus Rallingen finde es sehr wichtig, Trinkgeld zu geben: „Ich gebe eigentlich immer zehn Prozent, auch wenn ich für mehrere Leute bezahle. Mein Vater hatte eine Gastronomie, daher weiß ich, dass die Angestellten darauf angewiesen sind. Wenn jemand sehr unfreundlich ist, gebe ich nicht so viel. Aber dann hat er es anscheinend nicht nötig, welches zu bekommen.“

Stefanie sagt: „Ich habe selbst gekellnert und finde Trinkgeld unnötig und unlogisch. Ich habe mich damals selbstverständlich darüber gefreut. Aber ich fand nicht, dass ich den Extra-Fuffi mehr verdient hätte als der Paketbote.“ Die 24-Jährige versteht nicht, wieso es Jobs mit und ohne Trinkgeld gibt. „Trotzdem gebe ich Trinkgeld, weil man es macht. Wenn die Servicekraft ansteckende gute Laune hat, gibt es auch gutes Trinkgeld. Und wenn der Kellner erklärt, dass er die Bestellungen alle verpeilt hat, weil er gerade von einem Rave kommt, dann gibt es auch guten Gewissens kein Trinkgeld“, erzählt die Trierin.

Insgesamt scheint die Mehrheit der Menschen in der Region bereit zu sein, Trinkgeld zu geben. Zudem wird deutlich, dass Gehälter in der Gastronomie aus der Sicht der Bürger zu gering sind. Auch das Verhalten des Personals beeinflusst die Trinkgeldgabe.

Doch was sagen Restaurants, Cafés und Servicekräfte in Trier zur Trinkgeldgabe?

Christina Leibram (30) vom Restaurant „Donna Mia“ am Kornmarkt: „Ja, die Servicekräfte bekommen meistens Trinkgeld. Es kommt auf die Menge der Arbeit an und auf den Wochentag.“ Eine Servicekraft erzählt: „ An einem Tag bekommen wir bis zu 60 Euro. Wenn unter der Woche weniger los ist, kann es vorkommen, dass es nur 15 Euro sind.“ Dabei seien Deutsche weitaus spendabler als andere Touristen. Christina klärt auf: „Es kommt auch auf die Nationalität der Gäste an. Deutsche geben meistens gutes Trinkgeld und selten keins. Holländer hingegen geben kein Trinkgeld und Franzosen geben wenig Trinkgeld. Amerikaner geben sehr viel Trinkgeld.“

Allerdings tauchen auch andere Gründe auf. Servicekraft Emily Nwatt (17) vom Restaurant „Kartoffelkiste“ sagt: „Es kommt darauf an, ob wir Trinkgeld bekommen oder nicht. Bei Kartenzahlung gibt es oft kein Trinkgeld, da viele nicht wissen, dass sie auch dann aufrunden können. Vor allem in den vergangenen Wochen ist das Trinkgeld weniger geworden.“ Ein Kollege fügt hinzu: „Seit Corona ist es weniger geworden. Aber jetzt ist es noch schlimmer.“

Eine Servicekraft der Weinstube „Kesselstatt“ am Dom sagt hingegen: „Nach den Corona-Lockerungen war es anfangs mehr Trinkgeld. Jetzt ist es wieder weniger geworden. Ich würde sagen, es hat sich normalisiert. Kein Trinkgeld gibt es nicht. Pro Person bekommen wir zwischen 6 und 30 Euro am Tag. Ich habe aber keine Erwartung.“

Ein paar Schritte entfernt liegt das Eiscafé Venezia in der Trier Galerie. Dort kellnert Servicekraft Christina. Auch sie teilt diese Einstellung: „Ich erwarte kein Trinkgeld, ich bin aber sehr zufrieden, wenn ich es bekomme. In Italien gibt es keine Trinkgeld-Kultur, daher erwarte ich es auch nicht“, erzählt die Italienerin. Zur Trinkgeldgabe sagt die 32-Jährige: „Es kommt immer auf den Betrieb an. Am Tag bekomme ich zwischen 20 und 50 Euro. Sehr selten gibt es kein Trinkgeld.“

Auch wenn Trinkgeld keine Pflicht ist, scheint es für die meisten in Deutschland üblich zu sein. Insgesamt gehen die Trinkgelder für Servicepersonal zurück, die Gäste der Cafés und Restaurants werden sparsamer.

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