Über den Ärmelkanal zum Weihnachtsmarkt

TRIER. Marx macht's möglich: Die Chinesen haben sich 2002 zur stärksten ausländischen Touristengruppe in Trier gemausert und selbst die Holländer abgehängt. Dank Flughafen Hahn und Ryan Air finden auch Schweden zunehmend Gefallen an Deutschlands ältester Stadt.

Der Chinese ist ein Mann nur für eine Nacht. Jedenfalls aus Sicht der Trierer Fremdenverkehrs-Experten. Der Hotel-Gast aus dem Reich der Mitte bleibt im Schnitt 24 Stunden, und schon geht es wieder weiter nach Paris oder Frankfurt - Europa im Schnelldurchlauf. Aber auch die Menge macht's. Die rund 20 400 Chinesen, die im vergangenen Jahr der Geburtsstadt des Sozialismus-Vordenkers Karl Marx (1818-1883) eine Visite abstatteten und über Nacht blieben, nehmen in der lokalen Gäste-Statistik einen besonderen Platz ein: Sie haben die Niederländer, bislang Triers beste Kunden, vom zweiten Platz verdrängt. Und schon entdeckt Trier seine spezielle Liebe zu den exotischen Besuchern: Marx-Devotionalien und Poster sind, kaum auf dem Markt, bereits der große Renner.Gäste-Plus auch im Kreis Trier-Saarburg

Mit insgesamt rund 340 000 Gästen und 638 000 Übernachtungen 2002 verbuchte Trier nicht nur einen neuen Besucher-Rekord, der das bisherige Top-Jahr 2000 in den Schatten stellte, sondern trotzte auch dem allgemeinen Trend. Während in Rheinland-Pfalz die Zahlen zurück gingen und auch Mainz und Koblenz kräftig einbüßten, legte Deutschland älteste Stadt sowohl bei Gästen (+ 6,5 Prozent) als auch bei Übernachtungen (+ 5,2 Prozent) deutlich zu. Trotz durchwachsener Bilanz darf sich auch der Kreis Trier-Saarburg zu den Gewinnern zählen: Die Zahl der Gäste stiegt um 4,4 Prozent auf 323 500, die Zahl der Übernachtungen sank jedoch um 0,2 Prozent auf 1,215 Millionen. Woher der Erfolg kommt, ist für die Verantwortlichen klar. Trotz Römern und Riesling: "Wir sind kein Selbstläufer. Wir müssen hart arbeiten und die Werbetrommel rühren", weiß Wirtschaftsdezernentin Christiane Horsch. Konkret: "Wir sind auf allen bedeutenden Tourismus-Messen wie etwa der ITB in Berlin vertreten und haben ein Top-Internet-Angebot mit über drei Millionen Zugriffen im vergangenen Jahr." Christiane Horsch zeigt sich "heilfroh, dass der Stadtrat die Mittel für Tourismus-Werbung nicht gekürzt hat. Es wäre fatal, an der völlig falschen Ecke sparen zu wollen". Denn die Fremdenverkehrs-Branche steckt in einer Phase grundlegenden Umbruchs. Stark im Kommen: innerdeutscher Städtetourismus mit kulturellem Touch. Von dem profitiert Trier in erstaunlichem Ausmaß. Die Besucher aus deutschen Landen strömten 2002 in Scharen: 245 400 zählten die Touristiker - 8,9 Prozent mehr als 2001. Auch bei den Übernachtungen legten sie kräftig zu: um 7,7 Prozent auf 464 000 und machten damit rückläufige Zahlen von niederländischen und US-amerikanischen Gästen mehr als wett. Gute Gründe für einen Trier-Trip gibt es viele. Hans-Albert Becker, Chef der Tourist-Information (TIT), führt die steigende Beliebtheit auch zurück "auf inzwischen etablierte Events wie die Antikenfestspiele und das Wein & Gourmet Festival. Hinzu kommen Phänomene wie der Eintracht- oder der Guildo Horn-Effekt, die Triers Sympathiewerte steigern". Dass sich auch internationale Werbung auszahlt, zeigen die Briten. Die zieht es vor allem im Advent nach Trier. "Sie kommen mit Bussen über den Ärmelkanal zum Weihnachtsmarkt, weil der als einer der schönsten in ganz Deutschland gilt." Und sie bleiben länger: 8135 Briten (+ 3,7 Prozent) buchten knapp 19 000 Übernachtungen (+ 20,2 Prozent).Der Flughafen Hahn macht es möglich

Regelrecht astronomisch sind die Wachstums-Zahlen bei den Schweden: 2590 Gäste bedeuten satte 26 Plus-Prozente, ihre 6140 Übernachtungen einen Zuwachs um gar 57,2 Prozent. Der Flughafen Hahn und Ryan Airs Billig-Angebote machen's möglich. Während die Zahl der Übernachtungen schwarz auf weiß belegt werden kann, gibt es keine gesicherten Zahlen über Touristen, die sich nur tagsüber zwischen Nells Ländchen und St. Matthias aufhalten. "Das dürften jährlich 3,5 bis 4 Millionen sein", schätzt Becker. Die sind ebenfalls höchst willkommen. Gibt der Hotel-Gast rund 100 Euro pro Tag aus, lassen sich die Kurz-Besucher das Trier-Vergnügen immerhin noch etwa 30 Euro kosten. Alles in allem Geld, das 3000 Arbeitsplätze sichert.

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