Und ewig lockt die Lott

Raversbeuren · Lieber alternativ als konventionell, lieber bunt als schwarz-weiß und lieber individuell als Mainstream: Das traditionelle Lott-Festival hat am Wochenende über 7000 Besucher auf die Wiesen bei Raversbeuren (Rhein-Hunsrück-Kreis) gelockt.

 Picknick mit Aussicht: Beim Lott-Festival hat man dank der Hanglage von überall beste Sicht auf die Bühne – hier beim Auftritt von „Budzillus“ am Freitagabend. TV-Foto: Andreas Feichtner

Picknick mit Aussicht: Beim Lott-Festival hat man dank der Hanglage von überall beste Sicht auf die Bühne – hier beim Auftritt von „Budzillus“ am Freitagabend. TV-Foto: Andreas Feichtner

Raversbeuren. Vielfalt ist wichtig. Toleranz, Verständnis und Rücksicht sowieso - aber mit einem Schlagwort treibt man vielen Lott-Fans der ersten Stunde immer noch zuverlässig die Skepsis-Furchen auf die Stirn: Techno!
Freitagabend, 23 Uhr, Augen zu auf der Wiese in Raversbeuren: Der Bass boxt sich in die Magengrube, darüber zischen elektronische Beats, schneidende Synthesizer, vor der Bühne tanzen Hunderte jüngere Fans. Weiter hintern murrt der eine oder andere: Macht die Lott jetzt auf Nature One? Das Elektro-Festival geht zeitgleich bei Kastellaun über die Bühne, gut 15 Kilometer Luftlinie entfernt. Aber das waren und sind zwei Welten, die sich nur den Termin und die Hunsrück-Lage teilen. Einer raunzt, er wolle "handgemachte Musik". Wie vorher beim französischen Duo The Inspector Cluzo. Wie nachher bei Corbeaux. Oder am Samstag bei Gasmac Gilmore oder Skindred. Wie sonst eigentlich immer auf der Lott.
Augen auf, Blick auf die Bühne: Bei den fünf österreichischen Beatboxern Bauchklang ist nichts handgemacht. Weil alles ausschließlich aus Bauch und Kehle kommt. Da stehen keine Instrumente, keine Computer, nur fünf Männer mit Mikros - menschlicher kann Techno nicht sein. Das überzeugt auch viele der Skeptiker.
"Wir haben uns lange überlegt, ob die Band zur Lott passt", sagt Jürgen Moog von der Lott-Gesellschaft. "Dann haben wir sie uns live angeschaut und gesagt: Ja, das passt. Das hat man auch gesehen. Eine Band, die so eine Stimmung macht, hatten wir selten." Das Lott-Festival gibt es seit 1977, gerne mal wird es als "Woodstock des Hunsrücks" bezeichnet, weil hier alles freier, unkommerzieller, unkonventioneller ist. Und weil bei keinem Rockfestival so selbstverständlich Dreijährige mit Mama und Papa ebenso zu Hause sind wie der 60+-Lott-Veteran. Aber auch das in der Vergangenheit immer friedliche Festival ist letztlich eine Großveranstaltung - und dafür gelten seit der Tragödie bei der Love Parade 2010 in Duisburg besondere Regeln.
"Dadurch wurde vieles teurer für uns", sagt Moog. Die Lott-Gesellschaft habe zwar kein kommerzielles Interesse. Der Überschuss fließt in andere Kulturprojekte in der Region. Sponsorenwerbung gibt es auf dem Festival auch weiterhin nicht. Aber die Kosten müssen auch umgelegt werden. So kostete das Festivalticket für drei Tage zum ersten Mal 30 Euro - was allerdings im Vergleich zu anderen Open Airs immer noch am unteren Ende liegt.
Zum ersten Mal gibt es bei der Lott auch eine externe Security. Die hält sich aber dezent zurück. Auch die Sanitäter hatten laut Moog trotz der Hitze vergleichsweise wenige Einsätze.
Den alten Charme bewahren statt höher/schneller/weiter - das ist das Motto der Lott-Macher. Das Interesse am Festival ist ungebrochen. Schon am Freitagabend waren trotz Gluthitze bereits 6000 Besucher angereist, insgesamt waren über 7000 vor Ort. Darunter sind ganz vereinzelt auch Leute, die mit dem Lott-Gedanken so gar nichts verbindet. Nächtliche Krawall-Dauerbeschallung auf dem Campingplatz mitsamt Bushido? Auch das kann man erleben, mit viel Pech bei der Platzwahl. Aber sein Flair lässt sich das Festival dadurch nicht kaputtmachen.

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