Unmut wächst: Ist das Kraftwerk bei Ensch an der Mosel gestorben?

Ensch/Trier · Mehr als vier Jahre laufen die Vorplanungen für das Pumpspeicherkraftwerk (PSKW) an der Mosel. Doch ob es tatsächlich kommt, ist weiterhin unklar. Der Gemeinderat Ensch hat nun bei den Stadtwerken Trier nachgehakt und angemahnt, dass die Grundstücksbesitzer, insbesondere Winzer, eine Perspektive bräuchten.

 Winzer und andere Grundstücksbesitzer in Ensch machen Druck auf die Stadtwerke Trier. Das geplante Pumpspeicherkraftwerk liegt auf Eis, und damit auch die daran gekoppelte Flurbereinigung. TV-Foto: Albert Follmann

Winzer und andere Grundstücksbesitzer in Ensch machen Druck auf die Stadtwerke Trier. Das geplante Pumpspeicherkraftwerk liegt auf Eis, und damit auch die daran gekoppelte Flurbereinigung. TV-Foto: Albert Follmann

Foto: (h_tl )

Was das Mega-Projekt Pumpspeicherkraftwerk "Rio" der Stadtwerke Trier (SWT) angeht, hielt sich die Kritik bisher in Grenzen. Während des Raumordnungsverfahrens, mit dem die grundsätzliche Machbarkeit des Kraftwerks festgestellt wurde (der TV berichtete), gab es nur wenige Einwände von Seiten der Bürger. Doch der Unmut wächst. Die Gemeinde Ensch, die am nächsten zum geplanten unteren Stausee im Kautenbachtal liegt, hatte die Stadtwerke Trier zum Rapport gebeten.

In der Gemeinderatssitzung am Donnerstagabend wurde SWT-Projektleiter Rudolf Schöller mit vielen Fragen konfrontiert: Ist das Kraftwerk gestorben? Wie geht es mit der Flurbereinigung weiter? "Wir haben lange mitgespielt", sagte Lothar Schätter, "aber jetzt muss etwas zu Gunsten der Bürger und Winzer passieren."

"Wir glauben nach wie vor an den Standort und das Projekt", versicherte Schöller. Dass das Kraftwerk bisher "wirtschaftlich nicht darstellbar" sei, liege am Gesetzgeber. Der habe noch keine Fördermöglichkeit für Stromspeicher aufgelegt, aber es werde nach Lösungen gesucht. Das neue Strommarktgesetz bietet laut Schöller eine Chance für das PSKW bei Ensch. Jeder Stromanbieter müsse künftig seine Lieferverpflichtungen für jede Viertelstunde absichern. Und genau diese Reglerfunktion könne das Speicherkraftwerk übernehmen.

Nach Mitteilung des Projektleiters wollen die Stadtwerke und die Juwi-Gruppe - beide haben wegen des Kraftwerkbaus eine Projektentwicklungsgesellschaft gegründet - bis zum Jahreswechsel entscheiden, ob das PSKW weiterverfolgt wird oder nicht. Damit die Winzer Planungssicherheit haben, wollen die Stadtwerke Weinbergslagen von 15 bis 25 Hektar Größe aus dem Umlegungsverfahren auslösen und den Winzern zur Verfügung stellen. Das sei mit dem Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum (DLR) besprochen, sagte Landschaftsplaner Bernhard Gillich vom Umweltbüro BGH plan Trier. Zukunftsfähige Betriebe sollen so die Möglichkeit haben, sich zu entwickeln.

Die Stadtwerke Trier haben für das Kraftwerk einen Flächenbedarf von 250 bis 350 Hektar.
Um die Flächen durch Ankauf und Tausch zusammenzubekommen, hat das DLR ein Flurbereinigungsverfahren auf einer Fläche von 925 Hektar eingeleitet. Wie die Stadtwerke den Enscher Räten mitteilten, lagen im Mai vergangenen Jahres Verzichtserklärungen über 620 Hektar vor. Von den 43 Hektar, die für das Unterbecken benötigt werden, seien 50 Prozent gesichert. Der Rest käme über Ankauf oder Tausch bei der Flurbereinigung.Meinung

Risiko oder Rückzug?
Als die Stadtwerke Trier vor mehr als vier Jahren mit ihrem Pumpspeicherkraftwerk "Rio" daherkamen, war die energiepolitische Großwetterlage eine andere als heute. Der Wille zur Energiewende war groß. Weg von der Kernkraft, weg von Kohlekraftwerken - die erneuerbare Energie sollte Deutschlands Zukunft sein. Weil Sonne und Wind unregelmäßig Strom liefern, hätte auch die Regler- und Speichertechnik an Bedeutung gewonnen - und damit auch das Pumpspeicherkraftwerk an der Mosel. Doch die Politiker, allen voran Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel, sind meileinweit von ihren einstigen Ansprüchen entfernt.

Sie liebäugeln immer noch mit der Großindustrie, scheuen den Wandel auf dem Energiesektor. Ob das neue Strommarktgesetz wirklich eine wirtschaftliche Chance für das große Moselkraftwerk eröffnet, wollen die Stadtwerke bis zum Jahresende prüfen. Entscheidend wird sein, ob sich ein Konsortium findet, das bereit ist, die Investitionssumme von 600 Millionen Euro aufzubringen. Mehr als drei Millionen Euro hat das Projekt schon gekostet. Das zahlen auch die Stadtwerke nicht aus der Portokasse, aber ein Rückzug wäre jetzt noch finanziell zu verschmerzen und argumentativ auch nachvollziehbar. Das Risiko ist groß. Haben die Bagger einmal losgelegt, das kennt man ja von Großprojekten, sind Kostenschätzungen Makulatur. a.follmann@volksfreund.deExtra

 Die Moselgemeinde Ensch mit dem Unterbecken des geplanten Pumpspeicherkraftwerks. Visualisierung: Stadtwerke Trier

Die Moselgemeinde Ensch mit dem Unterbecken des geplanten Pumpspeicherkraftwerks. Visualisierung: Stadtwerke Trier

Foto: (g_pol1 )

Das geplante Mosel-Pumpspeicherkraftwerk "Rio" nutzt die Wasserkraft im Gefälle. Das Wasser treibt eine Turbine an und produziert Strom, der ins Netz eingespeist wird. Das Gefälle zwischen dem Oberbecken auf dem Hummelsberg und dem Unterbecken im Kautenbachtal beträgt 200 Meter. Beide Becken fassen rund sechs Millionen Kubikmeter Wasser. Das Kraftwerk soll 300 Megawatt leisten und den Strombedarf von rund 500 000 Menschen in der Region sichern. Wie funktioniert das PSKW? Ist der Stromverbrauch schwach, wird Wasser mit überschüssiger Energie ins Oberbecken gepumpt, ist der Verbrauch stark, erzeugt das abwärts schießende Wasser Strom. Geschätzte Kosten: rund 600 Millionen Euro. alf

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