Verein Baukultur Trier: Katastrophen, Unräume, Unverschämtheiten

Trier · Zur Auftaktveranstaltung des neuen Vereins Baukultur Trier kommen doppelt so viele Besucher wie erwartet. Die werden nicht enttäuscht. Was vor allem am Chef des Deutschen Stadtbaukunst-Instituts und seinen markigen Äußerungen liegt. Außerdem wird eine Ausstellung gezeigt.

 Trierer Beispiel in der Ausstellung „Plätze in Deutschland 1950 und heute“, die derzeit in den Thermen am Viehmarkt zu sehen ist: die Bahnhofstraße 2016 (links) und in den 1950er Jahren, abfotografiert von den präsentierten Aufnahmen. Auffallend viel Raum ist für die Straßenverbreiterung geopfert worden. TV-Fotos (3): Friedemann Vetter

Trierer Beispiel in der Ausstellung „Plätze in Deutschland 1950 und heute“, die derzeit in den Thermen am Viehmarkt zu sehen ist: die Bahnhofstraße 2016 (links) und in den 1950er Jahren, abfotografiert von den präsentierten Aufnahmen. Auffallend viel Raum ist für die Straßenverbreiterung geopfert worden. TV-Fotos (3): Friedemann Vetter

Foto: Friedemann Vetter (ClickMe)

Mittwoch, kurz nach 19 Uhr in den Thermen am Viehmarkt. Alle 100 aufgestellten Stühle sind besetzt, weitere 50 werden eilends herbeigeschafft. Doch auch die reichen nicht. Mehr als 50 Besucher erleben die Premierenveranstaltung des neuen Vereins Baukultur Trier stehend. Kein Problem, denn vor ihnen liegen spannende und äußerst kurzweilige zweieinhalb Stunden. Was vor allem an einem Mann liegt: Professor Christoph Mäckler, Direktor des Deutschen Instituts für Stadtbaukunst an der Technischen Universität Dortmund, zieht vom Leder, dass es eine helle Freude ist.

Die Wanderausstellung "Plätze in Deutschland 1950 und heute - eine Gegenüberstellung", in die er zu Beginn der Veranstaltung einführt, hat er selbst mitgestaltet, um "Katastrophen, Unräume und andere Unverschämtheiten" zu dokumentieren. Unverschämtheiten gegenüber der Gesellschaft, der die Städte gehören. Die Städte aber seien allesamt dem Gewinnstreben geopfert und dem Autoverkehr preisgegeben worden.

In der nachfolgenden Podiumsdiskussion (besetzt mit prominenten Architekten und Landschaftsplanern) legt Mäckler nach und geht auch mit dem eigenen Berufsstand hart ins Gericht: "Wir Architekten und Planer wissen doch gar nicht mehr, wie gute Architektur geht." Grund: Heutzutage würden Architekten und Raumplaner getrennt voneinander ausgebildet. Der Raumplaner lerne keine Architektur und umgekehrt. Folge: "Da sitzen Leute in Planungsämtern, die noch nie ein Haus gebaut haben."

Thomas Metz, Chef der Landesgeneraldirektion Kulturelles Erbe (GDKE), bringt noch eine andere Facette ins Spiel: "Manche Architekten sind gute Verkäufer, aber eben keine guten Planer." Die Nachgiebigkeit der Politik verschärfe die Misere: "Gehör findet meist derjenige, der am lautesten schreit", findet Rena Wandel-Hoefer, frühere Saarbrücker Baudezernentin. Ihre Forderung: Gewählte Volksvertreter sollten ihrer Verantwortung gerecht werden, denn "wir übergeben den Raum, den wir heute gestalten, an künftige Generationen." Beispiel Trier: Es bedürfe einer Gestaltungssatzung als Selbstverpflichtung für die nächsten Jahrzehnte. "Dann kann man Variationen über ein Thema machen, und es knallt nicht jeder ein neues, eigenes Thema in den Raum."

Spätestens an dieser Stelle darf sich der neue Verein Baukultur Trier angesprochen fühlen, der angetreten ist, die Entscheidungsträger in Sachen Bauen zu unterstützen "Wir wollen die Stadtentwicklung nicht dem freien Markt überlassen, denn das ist nicht, was die Bürger wollen und brauchen", sagt der Vorsitzende Hans-Jürgen Stein, der zudem betont, "dass zwar Architekten den Verein gegründet haben, wir aber offen für alle Bürger sind".

Von Christoph Mäckler ("begrüßenswerte interdisziplinäre Diskussionsplattform") und den anderen Podiumsteilnehmern gibt es großes Lob für die ehrenamtliche Initiative. Rena Wandel-Hoefer spricht von einem "Geschenk an die Politik", Landschaftsarchitekt Christoph Heckel (Trier) bezeichnet den Verein und seine Arbeit als "sehr wichtig".

Triers Baudezernent Andreas Ludwig begrüßt das Unterstützungsangebot. Sein persönliches Ziel sei es, "auch weiterhin nicht für solche Entscheidungen zu stehen, die dann als unrühmliche Beispiele in einer Wanderausstellung landen. Ich bin selbstkritisch und stelle mich immer selber infrage." Abende wie dieser könnten dabei helfen, Fehler zu vermeiden.
Schließlich kommt es so, wie es wohl kommen musste. Am Ende einer langen Diskussion bleibt manche Frage aus dem Publikum aus Zeitgründen unbeantwortet. Moderatorin Elena Wiezorek (Architektenkammer Rheinland-Pfalz) weist darauf hin, "dass dies ja eine Auftaktveranstaltung ist".

Baukultur-Vorsitzende Hans-Jürgen Stein zeigt sich vom starken Publikumsandrang "überrascht, überwältigt und bestätigt" und betont: "Ja, wir wollen noch viele Gelegenheiten bieten, ins Gespräch zu kommen." Nächster Schritt? "Wir denken über eine Bilderaktion nach. Sprich: Bürger aufrufen, uns Fotos von dem zu schicken, was sie gut und was sie schlecht finden am Stadtbild."
Die Ausstellung "Plätze in Deutschland 1950 und heute - eine Gegenüberstellung" ist bis zum 17. April in den Thermen am Viehmarkt zu sehen (geöffnet dienstags bis sonntags, 9 bis 16.30 Uhr). Eintritt in die Thermen: 4 Euro.
Infos zum Verein:
www.bau-kultur-trier.de KommentarMeinung

Verein Baukultur Trier: Katastrophen, Unräume, Unverschämtheiten
Foto: Friedemann Vetter (ClickMe)
 Volles Haus: Mehr als 200 Besucher erleben die erste Veranstaltung des neuen Vereins Baukultur Trier in den Thermen am Viemarkt. Die bei dieser Gelegenheit eröffnete Ausstellung ist noch einen Monat lang zu sehen.

Volles Haus: Mehr als 200 Besucher erleben die erste Veranstaltung des neuen Vereins Baukultur Trier in den Thermen am Viemarkt. Die bei dieser Gelegenheit eröffnete Ausstellung ist noch einen Monat lang zu sehen.

Foto: Friedemann Vetter (ClickMe)

Für den Anfang ganz stark
Es war eine sehr ambitionierte Auftaktveranstaltung mit einem auf den ersten Blick verwirrenden Widerspruch: Einerseits spricht Stadtbaukunst-Professor Mäckler dem Architekten-Berufsstand die Kompetenz für gute Architektur ab. Andererseits lobt er den Verein Baukultur Trier, der bei der städtebaulichen Entwicklung beratend mitwirken will - und von Architekten gegründet wurde. Aber so ist er eben, der Herr Professor: Gerne mal überspitzen, losledern, provozieren und damit wachrütteln - im Interesse der Sache. Insofern hat er seine Mission erfüllt. Wer Mäckler einlädt, muss/darf damit rechnen, dass die (verbalen) Fetzen fliegen. Jedenfalls war die öffentliche Premiere des Vereins Baukultur Trier eine ganz starke Sache. Doppelt so viele Besucher wie erwartet - das zeigt: Das öffentliche Interesse ist da. Nun sollten die Baukulturleute am Ball bleiben und bald nachlegen, wenn sie ihrem Ziel näher kommen wollen. Das ist nicht weniger, als Trier und das Umland mitzugestalten und durch Dialog Veränderungen herbeizuführen. r.morgen@volksfreund.de

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