Benefizaktion Trierer Verein KCNQ2: „Wir planen wieder etwas ganz Großes“

Trier · Mit der spektakulären Everesting-Aktion hat der Verein KCNQ2 auf eine seltene Generkrankung aufmerksam gemacht. Nun ziehen die Verantwortlichen Bilanz und blicken in die Zukunft.

 Die Fotocollage zeigt Impressionen rund um die Benefizaktion Everesting 2018.

Die Fotocollage zeigt Impressionen rund um die Benefizaktion Everesting 2018.

Foto: Rainer Neubert

8848 Meter ist der Mount Everest hoch. Ihn real mit dem Fahrrad zu bezwingen ist etwas, wovon Ulrich Rose möglicherweise träumt. Ein vermutlich nicht wirklich ernst gemeinter Hinweis darauf ist zumindest in seinem Blog „Rosenkavalier.org“ zu finden, unter dem Bericht, in dem er beschreibt, wie er den 1. September 2018 erlebt hat. An diesem schönen Tag im Spätsommer ist Rose um 8.30 Uhr auf sein Mountainbike gestiegen und hat sich zum ersten Mal auf die 1000 Meter lange Extremsteigung des Kuhwegs in Trier-West gemacht. Abgestiegen ist er erst 10,5 Stunden später. Nach 62 Runden auf den Markusberg und die bis zu 25 Prozent steile Straße wieder hinunter stehen 124,6 Kilometer auf dem Tacho. Die 9549 gesammelten Höhenmeter ragen weit über den höchsten Berg der Erde hinaus.

„Für mich hat diese Aktion einen ganz besonderen Stellenwert“, sagt der Extremradsportler drei Monate später, „ein Alleinstellungsmerkmal.“ Wesentlich dazu beigetragen habe die tolle Stimmung an der Strecke, besonders aber die wochenlange intensive Vorbereitung und Zusammenarbeit mit den Freunden des Vereins KCNQ2.

Angesprochen sind damit in erster Linie Simone und Sebastian Bethge, die Eltern des kleinen Sepp (2), der mit dem seltenen Gendefekt zur Welt gekommen ist. „Was Ulrich geleistet hat, ist nach wie vor unvorstellbar“, betont Sebastian Bethge. Er ist Vorsitzender des Vereins, der ein weltweites Selbsthilfenetz für die Eltern der meist mit heftigen epileptischen Anfällen und starken Entwicklungsstörungen betroffenen Kinder aufbauen will. Die Everesting-Aktion hat diesem Vorhaben einen mächtigen Schub gegeben. So hat die Präsenz in den Medien und sozialen Netzwerken nicht nur bundesweit für hohe Aufmerksamkeit gesorgt.

„Mit den Spenden und Einnahmen der Aktion hat unser Verein insgesamt 45 000 Euro gesammelt, die wir zum größten Teil in die Forschung geben. Aber natürlich ist das auch eine finanzielle Basis für unseren Verein, zum Beispiel, um einen Messestand zu bauen oder Banner anzuschaffen.“ Zudem werde die überarbeitete Homepage mit Informationen in 13 Sprachen demnächst in Betrieb gehen. „Wir wollen uns als Verein besser aufstellen und die Kommunikation vereinfachen.“

Treibendes Mitglied im Vorstand des Vereins KCNQ2 ist auch Christoph „Steili“ Steil. Beim Gedanken an den 1. September muss er noch immer schlucken: „Für mich war das Everesting der emotionalste Tag, den ich je erlebt habe. Männer müssen sich nicht für ihre Tränen entschuldigen.“ Klar ist für ihn, dass eine solche Aktion zwar nicht wiederholt werden kann. „Wir werden im kommenden Jahr aber wieder mit einem echten Event am Start sein.“  Weder er noch die Mitstreiter des Vereins wollen aber schon verraten, worum es dann geht.

Simone Bethge – sie freut sich darüber, dass sich der Zustand ihres Sohns stabilisiert hat – verweist derzeit lieber auf das, was vor drei Monaten passiert ist. „Damals waren acht Familien mit betroffenen Kindern hier in Trier. Eine kam sogar 1000 Kilometer aus Tschechien, nur um dabei zu sein. Das Gefühl war toll. Wir alle waren an diesem Wochenende wie eine große Familie.“ Der Kontakt hat sich gehalten. Weitere Familien sind hinzugekommen und nutzen die Trierer Internetseite KCNQ2 als Kommunikationsplattform. „Als wir vor 14 Monaten den Verein gegründet haben, waren in Deutschland acht Kinder mit KCNQ2 bekannt“, erinnert sich Sebastian Bethge. „Inzwischen sind es schon 21. Wir freuen uns wirklich sehr, dass wir immer mehr Familien zusammenführen können.“

Die Wochen vor und nach dem Everesting seien wie eine Blase gewesen, beschreibt Bethge diese erfüllende, aber auch sehr fordernde Zeit. „Wir haben in den Wochen vor dem 1. September insgesamt 44 Gruppen am Kuhweg begleitet. Nur zwei haben die Challenge nicht geschafft, gemeinsam die 8848 Höhenmeter zu sammeln.“ Mit ihren kostenlosen Auftritten hätten auch die Bands und Künstler zu dem finanziellen Erfolg der Veranstaltung beigetragen. Nun hoffen die wenigen aktiven Streiter des Vereins, noch einige Mitstreiter für den Alltag zu gewinnen. Simone Bethge: „Wir sind alle berufstätig und mit der Pflege unseres Sohnes beschäftigt. Über ehrenamtliche Hilfe wären wir deshalb sehr dankbar. Senioren oder Studenten, die helfen wollen, sind sehr willkommen.“

Im Büro von Ulrich Rose, dem bescheidenen Extremradsportler, hängt seit einer Woche ein Bild vom Everesting. „Das erinnert mich an diesen Tag, an dem ich gefahren bin, weil ich es kann.“ An seinem Alltag habe sich nicht viel geändert. „Ein paar Leute, die ich bislang nicht kannte, grüßen mich seitdem.“

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