Prozessbeginn Mordversuch oder Paniktat aus Angst?

Trier · „Versuchter Mord“ lautet die Anklage gegen eine Triererin wegen einer Messerattacke. Vor der Schwurgerichtskammer des Landgerichts Trier hat der Prozess gegen die 42-Jährige begonnen.

 Die Angeklagte (links) wird von einer Justizmitarbeiterin in den Verhandlungssaal des Trierer Landgerichts geführt.

Die Angeklagte (links) wird von einer Justizmitarbeiterin in den Verhandlungssaal des Trierer Landgerichts geführt.

Foto: TV/Friedhelm Knopp

An der Schulter blutend und mit einem 20 Zentimeter langen Küchenmesser in der Hand wankt am Morgen des 16. März 2020 ein groß gewachsener Mann in die Notaufnahme des Trierer Brüderkrankenhauses. Er sei von seiner Freundin angestochen worden, sagt er wohl noch sinngemäß,  übergibt  das Messer und wird zur Notoperation weggebracht.

Einen weiten Fußweg zum Krankenhaus hatte der Verletzte zum Glück nicht, denn die Tat soll sich in der Wohnung der Freundin abgespielt haben. Und die liegt praktisch „um die Ecke“ an der Lindenstraße. Rund 20 Minuten später, gegen 9.30 Uhr, wurde die Angeklagte vor einem Geschäft an einer anderen Straße von der Polizei abgeholt. Das Geschäft gehört ihrem Ehemann.  Sie war zu Fuß dorthin gelaufen und  hatte von dort aus selbst die Polizei verständigt. Damals lebten die Eheleute bereits getrennt, aber sie hatten nach eigenen Angaben vor der Tat noch gute Beziehungen gepflegt.

Streit nach dem Frühstück In seiner Anklageschrift wirft Staatsanwalt Volker Blindert der Frau versuchten Mord vor. Nach einer gemeinsamen Nacht zum 16. März in der Wohnung an der Lindenstraße sei es zum Streit gekommen. Grund soll der Inhalt von Facebook-Chats auf dem Handy der Frau gewesen sein – angeblich mit einem anderen,  ihm unbekannten Mann. Schließlich habe er verkündet, sich von ihr zur trennen. Als er sich daraufhin anschickte, die Wohnung zu verlassen, habe die Angeklagte den Tötungsentschluss gefasst, wobei sie wegen ihrer körperlichen Unterlegenheit seine Arg- und Wehrlosigkeit (ein Mordmerkmal) habe ausnutzen wollen.

Opfer läuft zum  Krankenhaus  In dem Moment, wo er sich umdrehte um den Schlüssel ins Türschloss zu stecken, habe sie sich ihm mit dem 20 Zentimeter langen Küchenmesser von hinten genähert und ihm die Klinge zweimal mit Wucht in den Rücken gerammt. In Panik habe der Mann das Messer selbst herausgezogen und sei leise um Hilfe rufend in Richtung Krankenhaus gelaufen. Die Angeklagte sei ihm noch nach draußen gefolgt und habe auf der Straße festgestellt, dass sie nun ohne Schlüssel und Handy draußen stand.

Die aus dem Saarland stammende Frau, deren Eltern im Zuschauerraum sitzen, ist bereit, sich zur Person und zum Sachverhalt zu äußern. Allerdings nicht persönlich, sondern ihr Verteidiger Otmar Schaffarczyk übernimmt diesen Part, wobei er von vorbereiteten Blättern abliest. Die gelernte Einzelhandelsverkäuferin ist seit 2011 mit einem Einzelhandelskaufmann verheiratet, seit 2018 lebt das Paar getrennt. Als Hobby nennt sie Fitnessport, mit Drogen oder Alkohol habe sie nichts zu tun, nehme aber Beruhigungsmittel. Als  Problem nennt sie  ihre Angst vor geschlossenen Räumen, wegen der sie schon einmal aus dem ersten Stock gesprungen sei, weil die Zimmertür ohne Klinke zugefallen war.

Reuebekundungen Sehr zwiespältig wird die Freundschaft zu dem Mann geschildert, den sie auf Facebook kennengelernt hatte. Bei einer Polizeivernehmung spricht sie später von einer „On-Off-Liebesbeziehung“. Er habe ihr auch erklärt, dass er sich niemals von seiner Frau trennen werde. Später soll er doch dazu bereit gewesen sein. Wie es heißt, hatten beide wegen ihrer Beziehung auch psychologische Hilfe in Anspruch genommen. Am Ende soll sie bereit gewesen sein, ein Kind von ihm zu bekommen. Was aus der Schwangerschaft wurde, die angeblich schon feststand, bleibt vor Gericht offen.

Den Vorfall vom 16. März schildert sie zunächst gemäß Anklage. Es begann nach dem Frühstück mit dem Streit wegen  Facebook-Chats auf ihrem Handy. Doch dann wechselt die Darstellung: Zitternd und mit rotem Gesicht habe er ihr das Handy entrissen und in die Höhe gehalten mit den Worten: „Wir klären das jetzt und hier.“ Dabei habe er Anstalten gemacht, die Küche abzuschließen. Da sei sie in Panik geraten, habe das Messer auf dem Tisch ergriffen und „wohl zweimal zugestochen, ich dachte, in den Arm“. Sie sei froh, dass ihm nichts Schlimmeres passiert ist, bereue die Tat und habe ihm auch Schmerzensgeld angeboten.

Die Verhandlung wird am 18. November, 9 Uhr, fortgesetzt.

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