Vertrauen missbraucht: Landgericht Trier verurteilt Berufsbetreuer zu fünf Jahren Haft – Lebenslanges Berufsverbot

Trier · Für fünf Jahre muss ein 40-jähriger ehemaliger Berufsbetreuer ins Gefängnis. Das Urteil der Richter am Landgericht Trier entspricht exakt den Forderungen der Staatsanwaltschaft. Der Mann wird wegen Untreue in 137 Fällen schuldig gesprochen.

 Heute fällt ein Urteil im Betreuerprozess.

Heute fällt ein Urteil im Betreuerprozess.

Foto: Rainer Neubert

Als der Vorsitzende Richter Armin Hardt am Dienstag um 11.30 Uhr den Saal 70 im Landgericht Trier betritt, um das Urteil zu verkünden, kehrt im voll besetzten Zuschauerbereich schlagartig Stille ein. Normalerweise werden in diesem Saal vor allem Schwerverbrechen wie Mord und Totschlag verhandelt.

Darum geht es in dem Verfahren gegen einen 40-jährigen Diplom-Pädagogen nicht, der als Berufsbetreuer in den Jahren 2009 bis 2014 systematisch Geld von zwölf seiner hilflosen Schutzbefohlenen veruntreut haben soll (der TV berichtete mehrfach). Gesamtschaden: 170.000 Euro.

Relevanz und Wirkung des Prozesses sind dennoch so groß, dass Saal 70 angemessen scheint. "Sie haben die ärmsten und hilflosesten Mitglieder der Gesellschaft ausgebeutet", sagt Richter Hardt . "Sie gefährden das Ansehen der Betreuungsbehörde und der Rechtspflege. Sie beschädigen das Berufsbild des gesetzlichen Betreuers." Trotz des strafmindernden Geständnisses des seit August 2014 in Untersuchungshaft sitzenden Angeklagten verurteilt ihn das Gericht zu fünf Jahren Gefängnis und folgt damit dem Antrag von Staatsanwalt Arnold Schomer.

Auch die Rückzahlung fast der kompletten Schadenssumme an die einst vom Angeklagten betreuten Menschen oder deren Erben hat am Strafmaß nichts geändert. Denn Richter und Staatsanwalt wissen, dass in diesem Prozess bei weitem nicht alle Fälle verhandelt wurden, bei denen der Verdacht der Untreue besteht. "Das ist nur die Spitze des Eisberges", sagt Richter Armin Hardt. "Ein zeitlich begrenztes Berufsverbot halten wir für nicht ausreichend, um die Gesellschaft zu schützen."
Erwiesen ist nun, dass der 40-Jährige in 137 Fällen zwölf hilflose, teils sterbenskranke Menschen finanziell geschädigt hat. Der Mann, der seit 2000 bis kurz vor seiner Verhaftung als ungewöhnlich fleißiger und gut organisierter Berufsbetreuer galt, hat systematisch von Bankkonten seiner Schutzbefohlenen Geld abgehoben, Vermögensgegenstände unter Wert verkauft, Guthaben vor der Betreuungsbehörde verschwiegen sowie Barauszahlungen an seine Klienten vorgetäuscht. Richter Hardt: "Wenn Sie Geld gebraucht haben, sind Sie nicht an das eigene Konto, sondern an die Konten der von Ihnen betreuten Menschen gegangen."

Dem Erklärungsversuch des Angeklagten, er sei wegen der Umstellung des Vergütungssystems für Berufsbetreuer zunehmend in finanzielle Schwierigkeiten gekommen, glaubt das Gericht nicht. Und auch das Plädoyer seines Verteidigers Steffen Kling erzielt keine Wirkung. "Mein Mandant hat Vertrauen missbraucht", bekennt der Rechtsanwalt aus Mannheim. "Aber er wird dem Berufsstand nicht schaden und hat auch keinen aufwendigen Lebensstil geführt."
Klings Verhandlungsführung hatte zum Ziel, eine Haftstrafe von zwei Jahren auf Bewährung zu erreichen. Nach dem Urteil kündigt er im Gespräch mit dem Trierischen Volksfreund an, Revision anzumelden.

Der Angeklagte wirkt bei der Urteilsverkündung emotionslos. Während seines Schlussworts hat er zum ersten Mal in den drei Verhandlungstagen Blickkontakt mit dem ungewöhnlich großen Auditorium aufgenommen und sich entschuldigt: "Es tut mir aufrichtig leid. Ich habe eine Straftat begangen und sitze deshalb zu Recht im Gefängnis." Das wird sich nach dem Urteil zunächst nicht ändern. Vielleicht nimmt der ehemalige Berufsbetreuer die vielen zufriedenen Gesichter der ehemaligen Betreuten und Kollegen wahr, als er in Handschellen aus Saal 70 geführt wird.
Extra Gesetzliche Berufsbetreuer


Berufsbetreuer unterstützen Erwachsene, die aufgrund psychischer Erkrankung, körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung ihre persönlichen Angelegenheiten nicht mehr regeln können. Sie unterstützen diese Menschen rechtlich und handeln stellvertretend für sie, zum Beispiel in finanziellen Dingen, gegenüber Behörden, bei der Organisation der pflegerischen Dienste oder der Einwilligung in ärztliche Behandlungen.
Wer im Einzelfall als gesetzlicher Betreuer bestimmt wird, entscheidet das Amtsgericht auf Vorschlag und in Abstimmung mit der Betreuungsbehörde. Berufsbetreuer müssen ebenso wie ehrenamtliche Betreuer jährlich alle Ausgaben und Einnahmen ihrer Klienten dokumentieren. Geprüft wird diese Rechnungslegung vom Amtsgericht.
Viele Berufsbetreuer haben eine Ausbildung als Sozialarbeiter, Sozialpädagoge oder Jurist. Grundsätzlich kann aber jeder, der über entsprechende Fachkenntnisse verfügt, Berufsbetreuer werden. Die Eignung wird von der Betreuungsbehörde geprüft. r.n.

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