Viel Bewegung, weniger Zank

Trier · Stockmannplatz, ausgewaschener Weg und Wildtiergehege: Die Kinder des Waldkindergartens, der am 1. Juli seinen Betrieb aufgenommen hat, finden im Weißhauswald viele Lieblingsorte und unzählige Spielmöglichkeiten. Nachdem nun auch das Holzhaus am Waldstadion aufgebaut ist, startet im Januar nach drei Jahren Vorlaufzeit (der TV berichtete mehrfach) der Ganztagesbetrieb.

 Wer braucht da ein Schaukelpferd? Alba (links) und Henna sind nach wildem Ritt durch den Wald gerade von ihren „Reittieren“, zwei gebogenen Wurzeln, abgestiegen. TV-Foto: Mechthild Schneiders

Wer braucht da ein Schaukelpferd? Alba (links) und Henna sind nach wildem Ritt durch den Wald gerade von ihren „Reittieren“, zwei gebogenen Wurzeln, abgestiegen. TV-Foto: Mechthild Schneiders

Trier. "Ich baue mein Haus neu", erklärt Henna. Die Dreijährige sitzt an einer Böschung im Weißhauswald und kratzt mit einem Stock in der Erde. Unter ihr rührt Alba (2) Sand auf einem Stein. "Ich koche Essen", sagt sie. Spielmöglichkeiten finden Henna, Alba und ihre Freunde mehr als genug rund um das Wildtiergehege. Die neun bilden die erste Gruppe im Trierer Waldkindergarten, den der Verein Waldpänz seit 1. Juli betreibt.
Der Tag beginnt für die Zwei- bis Sechsjährigen und ihre vier Erzieher am Spielplatz neben dem Gehege. Den Tieren gehört das besondere Interesse: "Die Kinder wollen wissen, was sie fressen, beobachten, wie sie Winterfell bekommen, und kennen ihre Namen", erzählt Ruth Wollscheid, pädagogische Leiterin und Walderzieherin. Als alle Waldpänz eingetroffen sind, laufen sie, eingepackt in Matschhose, Regenjacke und Mütze los — die Ziegen wollen begrüßt werden. Die kommen an den Zaun, stecken ihre Nasen durch die Maschen, werden gestreichelt.
Weiter geht\'s in den Wald. Heute ist Bäume absägen aktuell, denn am Wildschweingehege fällen Arbeiter zwei Buchen. Die Kinder machen es ihnen nach: Eifrig reiben sie Zweige an Ästen und Bäumen. "Die Kinder spielen ganz kreativ mit dem, was sie im Wald finden", sagt Wollscheid, "mit Steinen, Stöcken, Sand, Blättern." Da wird ein Tannenzapfen zu einer Figur oder einem Auto, ein Zweig zu Rührlöffel, Schaufel oder Schlüssel, etwa für Janeks "Feuerwehrauto", einen Baumstumpf.
"Die Kinder kommunizieren viel", sagt Wollscheid, "weil sie sagen müssen, was sie gerade womit tun. Und sie helfen sich gegenseitig beim Gehen, Klettern und Tragen von Steinen und Ästen. Das ist gut fürs Sozialverhalten." Es gebe auch weniger Zank, weil es kaum vorgefertigtes Spielzeug gebe. "Man hat ganz andere Möglichkeiten im Wald. Wenn die einen wilder spielen, können die andern dennoch ihre Ruhe haben." Die viele Bewegung sei toll für die Motorik, weiß Wollscheid. "Die Kinder sind viel an der frischen Luft, das ist gesund." Da sei natürlich die richtige Kleidung sehr wichtig, besonders wenn`s kalt ist oder regnet.
Die Nachfrage sei hoch, sagt Vereinsvorsitzender Ingo Langner. Ab Januar werden weitere Kinder eingewöhnt, darunter ein Inklusionskind. Die Waldkita ist auf 18 Plätze ausgelegt, die vier für unter Zweijährige sind besetzt. Für Kinder über fünf Jahren sind noch Plätze frei. "Wir möchten eine gute Mischung, was das Alter und das Geschlecht der Kinder angeht", sagt Langner.
Gegen 10.30 Uhr versammeln sich alle zu Frühstück und Morgenkreis. Dann schultern die Kleinen wieder ihre Rucksäcke und gehen los zu einem ihrer Lieblingsplätze, die alle Namen haben: Wurzelwerkstatt, Käferplatz, ausgewaschener Weg oder Stockmannplatz. Zurzeit endet der Waldpänz-Tag um 13 Uhr; ab 8. Januar, wenn die Schutzhütte neben dem Waldstadion eingerichtet ist, ist die Kita von 8 bis 16 Uhr geöffnet. Das 37 Quadratmeter große rote Holzhaus beherbergt einen beheizbaren Schutz- und Ruheraum mit Teeküche und Toiletten. Dort wird künftig mittags das Essen ausgeteilt, das das Studentenwerk liefert. Lager und Umkleide sind in einem Zirkuswagen. "Die Kinder werden ein, zwei Stunden täglich in und um die Hütte sein", sagt Langner. Die älteren treffen sich dort zum Vorschulprogramm.
Henna und Alba haben sich auf zwei gebogene Wurzeln gesetzt. "Das sind unsere Pferde", sagt Henna, und zu Alba: "Wir sind da, absteigen." Beide schwingen ein Bein über das Holz, bleiben kurz stehen, steigen wieder auf und reiten weiter.Extra

Der Stadtrat hat im März 2013 dem Investitionskostenplan zugestimmt. Demnach beliefen sich die Kosten für das Holzhaus auf 223 000 Euro. 200 700 Euro trägt das Investitionsprogramm "Kinderbetreuungsfinanzierung 2013-2014" von Bund und Land; 22 300 Euro gewährt die Stadt als Zuschuss. Durch die Umplanung haben sich die Kosten auf 258 000 Euro erhöht, die Stadt trägt die kompletten Mehrkosten. 2050 Euro stehen im Ergebnishaushalt 2013 bereit, 32 950 Euro werden durch Minderausgaben bei anderen Kitas gedeckt. Das beschloss der Stadtrat im Dezember. mehiExtra

2010: Die Initiatoren der Waldkita treffen sich mit Vertretern der Jugendämter. 2011: Der Verein Waldpänz gründet sich im März mit dem Ziel, einen Waldkindergarten im Weißhauswald zu betreiben. Trotz Gesprächen mit den städtischen Behörden lehnt das Bauamt den Bauantrag für einen inzwischen gekauften Zirkuswagen ab. 2012: Im Februar benennt die Stadt das ehemalige Sportjugendheim am Waldstadion als Unterkunft. Ein halbes Jahr später steht fest: Es ist marode. Der Kompromiss: der Zirkuswagen als Materiallager in Kombination mit dem Neubau einer Hütte. Im November beschließt der Stadtrat die Aufnahme der Waldkita in den Kindertagesstättenbedarfsplan der Stadt Trier. 2013: Im April äußert das Forstamt Bedenken wegen des Sportjugendheims. Am 1. Juni stellt der Verein das pädagogische Personal ein; die Waldkita nimmt am 1. Juli mit fünf Kindern ihren Halbtagsbetrieb auf. Im Dezember ist der Tennenplatz am Waldstadion hergerichtet, ein Holzhaus errichtet. Für den Ganztagesbetrieb sucht die Waldkita zurzeit einen weiteren Erzieher. mehi

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort