Viel Dampf im Kessel

Trier · Ob die Trierer Stadtwerke (SWT) sich weiterhin am Bau eines neuen Kohlekraftwerks beteiligen sollen, darüber diskutiert am heutigen Donnerstag der Stadtrat. Mehr Einfluss als dieser dürften auf die Entscheidung allerdings der Strommarkt und die anderen 22 Stadtwerke im Konsortium haben.

Trier. Münster und Trier gelten beide als Studentenstädte, beide haben einen Bischof, beide sind bekannt für ihre schönen Altstädte. Und beide sind Anteilseigner am Kohlekraftwerk, das im nordrhein-westfälischen Hamm gebaut wird.
Doch der Kraftwerkbau droht zu einem finanziellen Fiasko zu werden. Und während das zumindest der Münster\'sche Stadtrat schon vor mehr als einem Jahr erkannt hat, steht an der Mosel die Diskussion darüber erst bei der heutigen Stadtratssitzung an: Die Grünen fordern, dass sich die Trierer Stadtwerke "schnellstmöglich" von ihren Kraftwerk-Gesellschafteranteilen trennen und diese "gewinnbringend veräußern" sollen.
In Münster versucht man genau das seit über einem Jahr - bislang erfolglos. Bereits im Mai 2010 hatte der Rat der Tatort-Stadt seine Stadtwerke mit dem Verkauf der Anteile beauftragt. "Und diesen politischen Auftrag setzen wir natürlich um", sagt Petra Willing von den münsterschen Stadtwerken. Einfach sei es nicht, den Auftrag zu erfüllen. "Aber wir arbeiten daran", sagt die Unternehmenssprecherin.
Andere äußern sich deutlicher: "Mit Gewinn bekommt man die Anteile mit Sicherheit nicht los", erklärt ein Insider im TV-Gespräch. Schließlich hat sich der Bau von zwei auf wohl 2,4 Milliarden Euro verteuert, außerdem kann das Kraftwerk frühestens Mitte 2013 statt wie avisiert 2012 ans Netz gehen - wodurch die Stadtwerke erst viel später Geld aus dem Stromverkauf umsetzen können.
In Osnabrück dürfte man sich über das Engagement in Münster und auch über die anstehende Diskussion im Trierer Stadtrat zumindest wundern. Der Vorstandsvorsitzende der dortigen Stadtwerke ist der Sprecher des Stadtwerke-Konsortiums, das am Gekko-Bau beteiligt ist (siehe Extra). "Wir haben eigentlich die Rückmeldung von allen Stadtwerken, dass wir alle an einem Strang ziehen", sagt Marco Hörmeyer, Pressesprecher der Osnabrücker Stadtwerke. Für die Verhandlungen, die das Konsortium gerade mit dem Hauptgesellschafter RWE führt, sei es schließlich wichtig, mit einer Stimme zu sprechen. Vom RWE fordern die Stadtwerke Ausgleichszahlungen für die befürchteten Verluste aus der Verzögerung und Verteuerung des Baus (der TV berichtete). Das RWE verhandelt darüber allerdings gar nicht einzeln mit den Stadtwerken, sondern mit dem Konsortiumsvorsteher Osnabrück. "Anfangs lagen die Forderung unseres Konsortiums und das Angebot des RWE weit auseinander, mittlerweile haben wir uns angenähert und sind uns ziemlich sicher, dass alle Gesellschafter Anfang Dezember dem Verhandlungsergebnis zustimmen können", sagt Hörmeyer. Über die Höhe der Ausgleichszahlungen will der Osnabrücker Stadtwerkesprecher nichts sagen. Auch der zuständige RWE-Pressesprecher Lothar Lambertz gibt sich zugeknöpft: "Wir haben vertraglich festgelegt, solche Dinge nicht öffentlich zu machen." Auch von den Trierer Stadtwerken gibt es keine Zahlen. "Wir erwarten Rückzahlungen in Millionenhöhe", sagt SWT-Vertriebschef Matthias Sommer lediglich.Meinung

Willkommen im Volkstheater
Stadtratsitzung, großer Rathaussaal zu Trier. In Neuauflage aufgeführt wird: "Die Realität ist anders." Ein humoristisches Stück über Kommunalpolitiker, die sich einbilden, auf Milliardengeschäfte der Stromindustrie Einfluss nehmen zu können. Hauptakteur diesmal: Die Grünen - die schon vor vier Jahren gegen den Kraftwerkbau ins Feld gezogen sind und nun nicht ohne Schadenfreude verlangen, dass die Stadtwerke ihre Gesellschafteranteile so schnell es geht und obendrein noch mit Gewinn verkaufen sollen. Ob die anderen Fraktionen zustimmen oder nicht, ist eigentlich egal. Viel mehr als einen symbolischen Charakter wird der Ratsbeschluss ohnehin nicht haben. Denn anders als den Stadträten ist allen Insidern offenbar klar, dass sich eh kein Käufer für die Kohlekraftwerks-Anteile findet - geschweige denn jemand, der dafür mehr zahlt, als das RWE den Stadtwerken abgeknöpft hat. Die Stadtwerke in Münster und demnächst vielleicht auch in Trier spielen das Theaterstück mit. Risse erhält das schöne Bild vom Mitbestimmungsrecht der Kommunalpolitik nur durch die Erklärungen aus Osnabrück: Nach eigenständigem Handlungsspielraum der einzelnen Stadtwerke und Stadträte klingen die Bekundungen des Konsortiumssprechers nicht. c.wolff@volksfreund.deExtra

23 Stadtwerke und - als größter Gesellschafter - der Stromriese RWE sind am Bau des Kohlekraftwerks Gekko beteiligt. Je nach Höhe ihrer Investition, haben sich die Gesellschafter eine fixe Strommenge gesichert, die ihnen das Kraftwerk einst liefern soll. Trier wollte 12,6 Millionen investieren und dafür zehn Megawatt pro Jahr erhalten. Eine Fehlinvestition, kritisiert das Bündnis erneuerbare Energien Trier (Beet). Das Bündnis hatte bereits 2007 nicht nur vor den ökologischen sondern auch vor den ökonomischen Risiken gewarnt. Wie die Grünen fordert auch Beet, dass die SWT ihre Gekko-Anteile nun "ohne Wenn und Aber" verkaufen sollen. Auch Greenpeace und das Anti-atomnetz Trier fordern den Gekko-Ausstieg. woc

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