Viel Lärm um nichts

Das "La Memoria"-Festival, mit dem das Waldstadion als Veranstaltungsort am Wochenende reaktiviert wurde, war vielen im Vorfeld nicht ganz geheuer. Befürchtungen, das Hardrockfestival werde zu einem Neonazitreffen ausarten, bewahrheiteten sich nicht. Und waren vielleicht auch gar nicht begründet.

 Im Waldstadion feiern 1800 Fans die Hardrockband „Enkelz“. TV-Foto: Frank Göbel

Im Waldstadion feiern 1800 Fans die Hardrockband „Enkelz“. TV-Foto: Frank Göbel

Trier. Auf der Rasenfläche vor der Bühne am Waldstadion ist am Samstagabend noch reichlich Platz. Das angepeilte Ziel von dreitausend Besuchern scheint nur zur Hälfte erreicht zu werden. Markus Gördel, beim "La Memoria"-Festival für die Organisation verantwortlich, sieht einen möglichen Grund darin, dass die Veranstaltung gezielt in Misskredit gebracht worden sei: "Das Exhaus hat Ordnungsamt und Polizei gewarnt, wir würden eine rechtsradikale Veranstaltung durchführen. Die ganze Diskussion danach hat sicherlich manchen potenziellen Besucher abgeschreckt", sagt Gördel. Der kündigt auch juristische Schritte an und zeigt auf dem Platz herum: Asia-Imbiss, Dönerstand und der typische Festivalhändler mit seinen Bob-Marley-Flaggen seien doch eher untypisch für ein Nazikonzert. Nur ein Bruchteil der Besucher besteht aus martialisch aussehenden Skinheads, die auch nicht offenkundig dem rechten Spektrum zuzuordnen sind. Sollte der Zusatz "Rock gegen Rechts" auf dem Festivalplakat tatsächlich nur ein verlogenes Feigenblatt sein und der Platz voller getarnter Nazis, dann haben viele anscheinend nicht nur ein gutes Haarwuchsmittel, sondern manche sogar ihre Hautfarbe verändert."Enkelz" sorgen für Feierlaune

Sicher, wenn man auf dem Festivalplakat die Bandlogos in Frakturschrift sieht und dann hört, dass zwei Gruppen Lieder der kontrovers diskutierten "Böhsen Onkelz" covern, ist der Verdacht nicht völlig absurd, hier könnten Neonazis angesprochen werden. Allerdings erhärtet dieser sich nicht, besucht man etwa die Webseiten der einzelnen Bands. Zudem sind martialisches Auftreten und eine an Naziästhetik erinnernde Typographie auch im Punklager an der Tagesordnung. Death-Metal-Bands mit kruden, gewaltverherrlichenden Texten proben auch im Exhaus-Bunker.Als gegen 21 Uhr der Hauptact "Enkelz" die Bühne betritt, herrscht auf dem wunderschön gelegenen Platz bei angenehmen Temperaturen einfach nur Feierlaune: Der Sound ist ordentlich, das Auge wird mit Pyrotechnik und Lasereffekten unterhalten. Sicherlich nicht jedermanns Sache, rotzt die Band neben eigenen Stücken vor allem Lieder von den jüngeren Alben der "Böhsen Onkelz" in die begeisterte Menge. Die Original-"Onkelz" drifteten Anfang der Achtziger zeitweise ins Rechtsextreme ab. Später distanzierten sie sich immer wieder, auch musikalisch, von diesen "pubertären Dummheiten". Kritiker empfanden dies jedoch als geheuchelt, den brachialen Stampfsound der Frankfurter Band weiterhin als latent faschistoid. Ihre Fans hingegen verweisen auf die Authentizität der Musiker, die ihre Vergangenheit nicht einfach durch einen Namenswechsel ausradieren wollten, sondern zeigen, dass man sich verändern kann. Nach einem Aufstieg zu Deutschlands Rockband Nr. 1 endete das Phänomen "Böhse Onkelz" mit deren Auflösung vor drei Jahren. So bleibt es Aufgabe der zahlreichen Coverbands, den Fans weiterhin ein Live-Erlebnis zu ermöglichen: Die "Enkelz", die als eine der besten gelten, durften erst nach etlichen Zugaben die Bühne im Waldstadion verlassen. Fazit des Wochenendes: eine gelungene Reaktivierung des Waldstadions mit friedlichem Verlauf, wie auch Rotes Kreuz und Polizei bestätigten. Und dass hier ein Veranstalter von subkulturellen Events so vehement gegen einen anderen gekeilt hat, könnte das Exhaus viel Sympathie bei den jungen Leuten gekostet haben.

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