Viel Toleranz, wenig Dialog

TRIER. Nach der Regensburger Vorlesung Papst Benedikts XVI. sind Diskussionen um das Verhältnis von Christentum und Islam entbrannt. Von der Aufregung im Vatikan und im Nahen Osten ist in Trier allerdings nicht viel zu spüren. Ein enger Dialog zwischen beiden Religionen findet dennoch nicht statt – es fehlt schlicht an gemeinsamen Plattformen.

Strahlende Gesichter auf der einen und brennende Fahnen auf der anderen Seite - so haben viele den sechstägigen Papstbesuch in Bayern in Erinnerung. Stein des Anstoßes war Benedikts Vorlesung in der Universität Regensburg, in der er den byzantinischen Kaiser Manuel II. Palaeologos zitierte. Dem zufolge habe Mohammed, der Begründer des Islams, "nur Schlechtes und Inhumanes" gebracht, da er den Glauben mit dem Schwert habe verbreiten wollen. Nach Bekanntwerden der Vorlesung brannten in vielen islamischen Ländern Fahnen und Strohpuppen - und der Vatikan bemühte sich um Schadensbegrenzung. Von dieser Aufregung ist in Trier und Umgebung nicht viel zu spüren. "Davon habe ich so viel gar nicht mitbekommen", sagt ein Passant in der Konzer Innenstadt. Doch schlichte Uninformiertheit bleibt die Ausnahme. Einige Passanten äußern ihre Betrachtungen sehr differenziert, andere möchten sich erst gar nicht zu dem Thema äußern. Diejenigen, die damit kein Problem haben, stehen zumeist hinter den Worten des Papstes. "Benedikt ist ein wissenschaftlich denkender Mensch, er wollte sicher niemanden verletzten", sagt eine Passantin in der Trierer Fußgängerzone. Auch bei Rudolf Voderholzer, Professor für Dogmatik an der Theologischen Fakultät der Universität Trier, hat sich dieser Eindruck verfestigt: "Ich habe das Gefühl, im Moment tut der Papst allen leid." Für ihn ist die kontroverse Diskussion um das Zitat allerdings wenig nachvollziehbar: "Im Rahmen dieses akademischen Vortrags war das völlig in Ordnung. Er hat das Zitat als solches gekennzeichnet und sich nicht damit identifiziert." Voderholzer sieht in dieser Kritikfähigkeit eine Voraussetzung zum akademischen Dialog. "Es geht nicht, dass man keinen sachlichen Dialog führen kann, ohne dass gleich irgendwo etwas in die Luft fliegt."Das Miteinander ist "eher ein Nebeneinander"

Auswirkungen auf das religiöse Leben der Trierer Christen und Muslime hat die Diskussion überraschenderweise keine. "Hier vor Ort hat die Vorlesung von Papst Benedikt keine hohen Wellen geschlagen", sagt Hans Casel von der Bischöflichen Pressestelle, "weder gab es zahlreiche Anfragen besorgter Katholiken, noch haben wir Stellungnahmen von Muslimen erhalten oder von Demonstrationen gehört." Auch Pfarrer Georg Goeres aus Heiligkreuz kann nicht von großen Auswirkungen auf seine Pfarrei berichten. "Hier und dort wird das Thema kurz angesprochen, aber mehr auch nicht", sagt Goeres. "Das Zitat hat dem Dialog aber auf alle Fälle geschadet", sagt Ilyas Pinar, Geschäftsführer des Multikulturellen Zentrums Trier, das sich zum Ziel gesetzt hat, das Zusammenleben von Mitgliedern aller Kulturen in Trier zu fördern. "Wir haben auch im Zentrum über den Konflikt gesprochen", berichtet Pinar, "und wir sind der Meinung, dass man sich für den Dialog zwischen Religionen einsetzen und ihn nicht gefährden sollte." Das Miteinander zwischen Christen und Muslimen beschreibt Pinar als "oftmals eher Nebeneinander". Doch es gebe auch viel gegenseitige Toleranz. "Wenn man mit Muslimen spricht, hört man nichts Negatives über Christen." Für Casel gibt es einen einfachen Grund für das fehlende Miteinander: "Einen lebendigen Dialog zwischen Christen und Muslimen in Trier zu führen, ist nicht einfach. Es gibt nur relativ wenige Muslime; Akademiedozenten und Theologieprofessoren haben bisher vor Ort keine entsprechenden Ansprechpartner gefunden, das Interesse an einem ernsthaften Dialog in den Gemeinden ist überschaubar." Dabei leidet der Islam aufgrund seiner unterschiedlichen Glaubensrichtungen an grundsätzlichen Organisationsproblemen. Denn "den Islam" gibt es nicht und somit auch keine einheitliche "islamische Kirche". Bundesweit sind mehrere große islamische Zusammenschlüsse aktiv. Für Geschäftsführer Ilyas Pinar, der früher selbst Muslim war und jetzt konfessionslos ist, muss auch der Islam kritikfähig sein. "Auch im Islam läuft vieles falsch. Deshalb ist es wichtig, dass man auch die eigene Religion kritisch hinterfragen können darf. Die Meinungsfreiheit der Individuen muss überall im Vordergrund stehen."

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