Vier Jahre Haft für eine Verzweiflungstat

TRIER/KONZ. Zu vier Jahren Haft hat die 3. Große Strafkammer des Trierer Landgerichts gestern einen Mann verurteilt, der am 20. Juni in Konz-Karthaus eine Tankstelle überfallen hatte. Der unmaskierte Täter war zwei Wochen später gefasst worden. Bei der Hauptverhandlung legte er ein umfassendes Geständnis ab.

Richtige Verbrecher sehen anders aus. In Handschellen und Fußfessel erschien vor der 3. Großen Strafkammer des Trierer Landgerichts eine gepflegte bürgerlich-ordentliche Gestalt in Hemd, Schlips, dunkler Hose und Blouson in Lederimitat. Ein Mann mit ganz normalem Lebenslauf: behütete Kindheit, Schule, Handelsschule, Ausbildung zum Bürokaufmann. Und dann die zunächst unmerkliche Spirale nach unten, die immer rascher Fahrt annahm und schließlich zum Tankstellen-Überfall in Konz am 20. Juni führte und nun zur Verurteilung zu vier Jahren Haft. Damals hatte der Angeklagte sein Auto betankt, die Geschäftsräume betreten, eine Flasche Campari und Zigaretten geordert, dann eine Pistole gezückt und einige Tausend Euro aus der Kasse erbeutet - unmaskiert und ohne Fluchtplan. Nach einer Irrfahrt kreuz und quer durch Deutschland wurde er zwei Wochen später in Trier gefasst. "Ein Hilfeschrei" sei das Verbrechen gewesen, sagte Verteidiger Peter Scheid. Vorangegangen waren mehrere Stellenwechsel, Kontaktlosigkeit, Geldmangel, erfolglose Psychotherapie, Schulden, Alkoholprobleme. Keine echte Verbrecherkarriere, eher schon ein Grenzfall bürgerlicher Normalität.Versöhnliche Stimmung im Saal

Sein Leben und den Tathergang erzählte der Angeklagte offen und in Übereinstimmung mit Zeugenaussagen und Beweisen. Ein rückhaltloses Geständnis. Verständlich, dass im Sitzungssaal auf allen Seiten eine milde, fast versöhnliche Stimmung herrschte. Staatsanwältin Sabine Blaschyk hob die Geständnis-Bereitschaft des Angeklagten hervor, erwähnte die erheblichen Alkoholprobleme, die Suizidgedanken und die subjektive Ausweglosigkeit des Angeklagten, bezeichnete den Überfall als "Verzweiflungstat" und forderte eine Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten. Die Verteidigung setzte die Akzente ähnlich, betonte, dass der Angeklagte seine Tat aufrichtig bereue und plädierte für vier Jahre Freiheitsentzug. Im Strafmaß folgte das Gericht der Verteidigung. Auch der Vorsitzende Richter Armin Hardt zollte dem "umfassenden und glaubhaften Geständnis" Anerkennung, betonte, dass die Tat spontan verübt wurde und nicht geplant und "nach klassischem Muster", dass der Angeklagte bisher nicht straffällig geworden war, dass Alkoholprobleme im Spiel sind und erkannte schließlich auf den bereits allseits ins Auge gefassten Tatbestand von schwerem Raub in einem minder schweren Fall. In seinem Schlusswort hatte der Angeklagte zuvor noch einmal beteuert, wie sehr er die Tat bereue und angekündigt, nach Haftentlassung mit einer umfassenden Therapie zu beginnen, um seine Alkoholprobleme ein für allemal zu lösen. Außerdem kündigte er an, Kontakt mit den Opfern aufzunehmen, um auch persönlich deren Leid zu mildern. Die Situation der Opfer war in der Tat bedrohlich. Als strafverschärfend wertete das Gericht die Tatsache, dass der Angeklagte mit seiner Kurzschluss-Aktion zwei Menschen nachhaltig in Angst und Schrecken versetzt hatte. Staatliche Hilfe ist nicht zu erwarten. Ein Antrag auf Zahlungen nach dem Opfer-Entschädigungsgesetz wurde abgelehnt. Die Begründung lautete: Die Waffe sei ja gesichert gewesen, und es hätte gar nichts passieren können. Wenn die Betroffenen das schon beim Überfall gewusst hätten!

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