Vier junge Winzer wagen ein Experiment

Die Winzer Max von Kunow (Saar), Johannes Hasselbach (Rheinhessen) und Alwin und Steffi Jurtschitsch (Österrreich) haben mit ihrem Projekt "Wurzelwerk & Winzers Beitrag" international für Furore gesorgt. Sie suchen Antworten auf die Fragen: Welche Rolle spielt das Terroir, und welche Rolle der Winzer?

Trier/Konz. Maximilian von Kunow ist Winzer mit Leib und Seele. Kein Wunder also, das er mit drei befreundeten Berufskollegen ein bislang einmaliges Experiment auf die Beine gestellt hat, das in der globalen Weinwelt mächtig für Wirbel sorgt. Den weininteressierten Gästen, die an diesem Abend ins Weinhaus Minarski nach Trier gekommen sind, erzählt er von der spontanen Idee, dem schnellen Traubentausch, dem zeitintensiven Ausbau und der kniffligen Suche nach dem Terroir (siehe Hintergrund).

Die Situation: Die Winzer Max von Kunow (Weingut van Hövel an der Saar), Johannes Hasselbach (Weingut Gunderloch in Rheinhessen) und Alwin und Steffi Jurschitsch (Weingut Sonnenhof im österreichischen Kamptal) (siehe Extra) kennen sich aus Studientagen an der Weinbau-Hochschule in Geisenheim. Doch zwei Fragen blieben auch nach dem Studium offen: Welche Rolle spielt das Terroir? Und welche Rolle der Ausbau durch den Winzer? Drei Wochen vor der Lese des 2012er Jahrgangs kam ihnen plötzlich eine Idee …

Die Idee: Jeder erntet an einem bestimmten Tag exakt 1500 Kilo Trauben aus seiner Toplage: Scharzhofberg (Saar), Rothenberg (Rheinhessen) und Heiligenstein (Kamptal). Jeder gibt dem anderen 500 Kilo Trauben ab und behält 500 Kilo für sich selbst. Jeder Winzer baut drei unterschiedliche Weine aus den jeweiligen Lagen getrennt aus, und zwar trocken (Ausbau bedeutet alle kellerwirtschaftlichen Arbeiten in der Zeitspanne zwischen dem Ende der Gärung und der Abfüllung eines Weins).

Zwischenspiel: Im Sinne der Qualitätsweinregeln ist es nicht erlaubt, landesfremde Weine im eigenen Keller auszubauen. Und so mussten die Weinpioniere einen Umweg gehen: Erstens dürfen sie ihren Wein nur als europäischen Tafelwein vermarkten. Zweitens mussten sie sich Fantasienamen für die Lagen ausdenken: Aus Scharzhofberg wurde Schatzberg, aus Rothenberg der Rote Berg, aus Heiligenstein der Heilige Stein.

Das Experiment: An besagtem Tag flitzten gleich nach der Ernte mehrere Lieferwagen zwischen den Weingütern hin und her. Die Trauben wurden gleich nach der Ankunft gepresst, in Edelstahltanks spontan vergoren (also kein Zusatz von gezüchteten Hefen) und in allen drei Betrieben in alten Naturkellern gelagert. Im August 2013 war der Wein fertig, und jeder Winzer füllte drei Weine in Halbliterflaschen mit Schraubverschluss. Gesamtmenge: 2700 Flaschen.

Das Ergebnis können die Gäste selbst beurteilen. Ihnen werden je drei Weine in einer sogenannten Blindprobe ausgeschenkt, wobei niemand weiß, welcher Wein in welches Glas kommt. - Insgesamt werden alle neun Weine probiert. - Dann sollen sie raten: Ist es dieselbe Lage, von drei verschiedenen Weingütern ausgebaut?
Oder sind es drei verschiedene Lagen von demselben Winzer? Wie sich herausstellt, eine äußerst schwierige Aufgabe, an der "schon Profis gescheitert sind", beruhigt von Kunow.
Doch tatsächlich haben einige Gäste so feine Nasen und Gaumen, dass sie richtig liegen: Dreimal ist Scharzhofberg im Glas, aber er schmeckt dreimal völlig anders.
Die Erklärung: "Wein ist lebendig, er nimmt ganz viel von außen auf", erklärt von Kunow. Und die natürlichen Hefen, die überall im Keller "herumschwirren", beeinflussen den Geschmack in diesem Stadium. Also macht doch der Winzer den Wein und nicht das Terroir? Max von Kunow und seine Mitstreiter experimentieren 2014 weiter. Diesmal jedoch streng wissenschaftlich, in Zusammenarbeit mit der Hochschule in Geisenheim. "Wir legen genug Wein zurück, um in zehn Jahren noch einmal eine Verkostung zu machen. Dann sehen wir, wie sich die Weine verändert haben."

Die Resonanz: "Ich finde es hochinteressant. Man muss eben in ein paar Jahren die Probe noch mal machen. Erst dann kann man ein Resümee ziehen." Jürgen Erfurth (41) aus Trier. Uschi Schneider (48) aus Föhren: "Bei den ersten beiden Durchgängen habe ich noch richtig gelegen, beim letzten komplett daneben. Erstaunlich, wie unterschiedlich die gleiche Lage geschmeckt hat."
Extra

Der Begriff Terroir kommt aus dem Französischen und heißt übersetzt Herkunftsgebiet. Er beschreibt die Standortfaktoren einer Lage. Dazu gehören Klima (Temperatur und Niederschlag, Sonneneinstrahlung), Bodenbeschaffenheit (Steilhang, Flachlage), Geologie (physikalische und chemische Zusammensetzung des Bodens) sowie die Arbeit des Winzers im Weinberg. Der Begriff definiert also die Eigenheiten, den Charakter und den Wert dieses Gebietes. Bei dem Projekt "Wurzelwerk und Winzers Beitrag" handelt es sich um drei der besten Riesling-Lagen der Welt: Scharzhofberg (Saar), Nackenheimer Rothenberg (Rheinhessen) und der Heiligenstein (Kamptal/Österrich). vkExtra

Maximilian von Kunow, Weingut von Hövel, Konz-Oberemmel Fläche: 12 Hektar Inhaber: Maximilian von Kunow Gegründet: 1803 Die Philosophie: naturnahe Bewirtschaftung, überwiegend Spontanvergärung (ohne Zusatz von gezüchteten Hefen), schonende Verarbeitung der Trauben, den Geschmack vom Weinberg im Glas schmecken. Johannes Hasselbach, Weingut Gunderloch in Rheinhessen Fläche: 23 Hektar Rebfläche Inhaberin: Agnes Hasselbach-Usinger Gegründet: 1890 Die Philosophie: eine naturnahe Bewirtschaftung, eine Perspektive ist der ökologische Weinbau, die schonende Verarbeitung der Trauben, in der Regel Spontanvergärung. Steffi und Alwin Jurtschitsch, Weingut Jurtschitsch, Kamptal Österreich Fläche: 62 Hektar Rebflächen Inhaber: Stefanie und Alwin Jurtschitsch haben 2008 die Leitung des Weingutes übernommen. Die Philosophie: Biologische Wirtschaftsweise, gesunde Böden, minimale Eingriffe im Keller, Lagenweine werden spontan vergoren. vk

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