Vier Kandidaten und eine Pfeife
Trier · Bundestagsbewerber stehen beim TV-Wahlforum auf dem Hauptmarkt Rede und Antwort. Vor der Bühne fällt einer aus der Rolle.
Trier Wen soll ich wählen am 24. September? Wer auf diese Frage noch keine Antwort hat, der konnte sich beim öffentlichen Forum des TV am Samstagnachmittag auf dem Trierer Hauptmarkt eine Meinung bilden. Vier Bundestagsdirektkandidaten des Wahlkreises 203 (der die Stadt Trier und den Kreis Trier-Saarburg umfasst) standen Rede und Antwort:Andreas Steier (45 Jahre, CDU) aus Pellingen, Katarina Barley (48, SPD) aus Schweich, Adrian Assenmacher (28, FDP) aus Trier und Erwin Ludwig (59, AfD) aus Thörnich.Warum sie denn im nächsten Bundestag mitarbeiten wollen? Adrian Assenmacher: "Weil die Liberalen ein Korrektiv sind und schon deshalb ins Parlament gehören." Katarina Barley: "Weil ich schon viel bewegt habe und mich weiterhin auch für die Region einsetzen möchte." Erwin Ludwig: "Die bisherige Politik bringt uns kein Glück. Ich will auch dazu beitragen, eine gewisse Rechtsstaatlichkeit wiederherzustellen." An dreas Steier (Ingenieur): "Um für die Region zu kämpfen. Auch mit technischem Sachverstand."Marcus Hormes (Leiter Lokalredaktion Trier/Trier-Saarburg) und Redakteur Harald Jansen konfrontierten die Kandidaten mit Fragen auch zu regionalen Themen wie dem Moselaufstieg. Fazit hier: alle dafür, außer Katarina Barley. Während die Vertreter von CDU, FDP und AfD mit einer erheblich verbesserten Verkehrsanbindung für den Raum Trier/Konz/Saarburg argumentierten, warnte die SPD-Politikerin vor "extremen Belastungen" für Igel und Trier-Zewen.Wie gut kennen die Kandidaten ihren Wahlkreis? Da durfte gestaunt werden. Die Frage nach der Anzahl der Stadtteile Triers - 19 - beantwortete niemand richtig. Die am ausgiebigsten diskutierten Leserfragen waren die von Albert Hohmann (Föhren) und Günther Grünewald (Trier) zur Begrenzung des Klimawandels und zur Antriebstechnologie der Zukunft, zumal da unvermeidlicherweise auch der Dieselskandal zur Sprache kam. Alle waren sich einig darin, dass es grundfalsch sei, Dieselmotoren zu verteufeln, er sei weitaus effizienter als benzinbetriebene. Während Katarina Barley für den Elektroantrieb plädierte und Erwin Ludwig sich als "großer Anhänger der Brennstoffzelle" zeigte, warnten Adrian Assenmacher und An dreas Steier davor, einseitig nur eine Technologie zu fördern. Das schränke die Forschung nach Alternativen ein.Erwartungsgemäß keinen gemeinsamen Nenner gab es auch in der Frage, wer die kommenden vier Jahre im Kanzleramt residieren wird. Laut Katarina Barley "selbstverständlich Martin Schulz". Andreas Steier und Adrian Assenmacher erwarten, dass es bei Angela Merkel bleibt. Für Erwin Ludwig spielt es keine Rolle, wer regiert: "Uns geht es darum, in den nächsten vier Jahren ein bisschen Bundestag zu üben. In vier Jahren wird das viel spannender", orakelte er.Zwei weitere Bundestagskandidaten machten auf unterschiedliche Weise auf sich aufmerksam: Der parteilose Einzelbewerber Albert Niesen warb vor Veranstaltungsbeginn in einem Lied für sein politisches Anliegen "Mehr Demokratie wagen". Safet Babic (NDP) störte die Diskussion mit Zwischenrufen und minutenlangem Trillerpfeifen-Einsatz. "Aufhören!" und "Nazis raus!"-Rufe aus dem Publikum ignorierte er. Für seinen Kommentar "Zum Glück gibt's hier nur eine Pfeife" erntete Marcus Hormes den größten Applaus der rund 90-minütigen Veranstaltung.Hätte sich das unerwünschte Intermezzo unterbinden lassen? "Ja", sagt Oberstaatsanwalt Thomas Albrecht. "Die Polizei kann bei einer solchen Störung einen Platzverweis aussprechen." Als ein Streifenwagen vorfuhr, war der Störer aber schon weg. Das Schlusswort von Marcus Hormes nach einem teils stark verregneten Forum war ein Appell ans Publikum: "Gehen Sie auf jeden Fall wählen am 24. September!"Mehr zum Wahlforum online unter <%LINK auto="true" href="http://www.volksfreund.de" text="www.volksfreund.de" class="more"%>KommentarMeinung
Ein RandaspektZu unbedeutend, um verboten zu werden. So urteilten die Verfassungsrichter Anfang 2017 zur NPD. Und wenig hat sich seitdem geändert - die Nazi-Partei findet kaum Wähler. Doch selbst ein einzelner NPD-Fanatiker kann nerven. Safet Babic brüllte seine wirren Parolen und störte unsere Veranstaltung mit Kandidaten für die Bundestagswahl am Samstag. Er sah sich - wieder einmal - als Opfer, wollte als Vertreter der NPD mitdiskutieren. Zum Hintergrund: Wir hatten beschlossen, nur die Kandidaten der Parteien zu befragen, die Chancen auf den Einzug in den Bundestag haben. Doch selbst bei einem anderen Modus hätte Babic keinen Platz auf unserem Podium gefunden. Ja, ich selbst habe am Samstag geschrieben, extreme Positionen sollten im Wahlkampf geäußert werden dürfen. Doch es gibt einen Unterschied zwischen extrem und extremistisch. Die NPD vertritt rassistische Positionen - das findet sich ebenfalls in den Ausführungen der obersten Richter im Verbotsverfahren. Und wir werden ihr dafür keinen Raum bieten. Unbedeutend, aber manchmal nervend. So lange dies die Beschreibung der NPD ist, werden wir Auftritte wie den am Samstag nicht ausschließen können. Die Politiker auf dem Podium gaben sich trotz der Störaktion gelassen, die Zuschauer zeigten offen ihren Unmut, blieben aber ebenfalls ruhig. Dafür sagen wir besten Dank - wir widmen der NPD nun wieder den Platz, den sie den Richtern zufolge einnimmt: ganz am Rande der Gesellschaft, nah an der Wahrnehmungsgrenze. t.roth@volksfreund.deExtra: TV-FORUM: WER WESHALB DABEI WAR
Insgesamt zehn Frauen und Männer aus dem Wahlkreis 203 (Trier und Trier-Saarburg) bewerben sich um ein Mandat im nächsten Deutschen Bundestag. Die sechs von ihnen, deren Parteien laut Umfragen realistische Chancen auf einen Einzug ins Parlament haben, waren zum TV-Forum eingeladen - eine bewusst getroffene Entscheidung der Redaktion, um den Rahmen nicht zu sprengen. Zwei eingeladene Politikerinnen, die wie Bundesfamilienministerin Katarina Barley bereits Abgeordnete sind, fehlten beim Forum: Katrin Werner (Linke) konnte wegen anderer Termine nicht, Corinna Rüffer (Grüne) wollte nicht - aus grundsätzlichen Erwägungen: Sie nehme nicht an Veranstaltungen teil, die der AfD Raum böten. Die vier anderen Bewerber, die sich am 24. September zur Wahl stellen, sind: Stephan Wefelscheid (Freie Wähler), Andrej Soffel (Die Partei), Albert Niesen (parteilos) und Safet Babic (NPD).