Vierbettzimmer und wenig Freizeit

Xiamen · Die Trierer Elisa Limbacher und Andreas Lehrfeld haben ein Jahr lang in Triers chinesischer Partnerstadt Xiamen studiert. Im elften Teil unserer Serie erzählen die beiden, wie es sich als Student in China lebt.

Xiamen. Die heutigen Partnerstädte Trier und Xiamen haben nicht über Nacht zusammengefunden. Der Stein kam ins Rollen, als eine von der Universität Xiamen stammende Doktorandin während ihres Auslandsjahres in Trier den Kontakt zwischen beiden Universitäten anregte. Erst durch mehrere Besuche der jeweiligen Universitätspräsidenten entstand auch der Wunsch, den gegenseitigen wissenschaftlichen Austausch zu vertiefen.
Mit der Gründung des Konfuzius-Instituts an der Universität Trier wurde 2008 dann ein großer Schritt hin zu einem dauerhaften Dialog gemacht und die universitäre Partnerschaft besiegelt.
Die Xiada - wie die Universität von Xiamen abgekürzt genannt wird - wurde 1921 gegründet. Ihr Campus gilt mit seinem weiträumigen Gelände, der direkten Lage am Meer und subtropischer Vegetation als einer der schönsten in ganz China. Anders als in Deutschland üblich gleicht das Universitätsgelände einer von der Außenwelt abgeschnittenen Stadt: Neben den Lehr- und Wohngebäuden gibt es nicht nur Einkaufsmöglichkeiten, sondern auch mehrere Cafés, Bankfilialen, zahlreiche Sportstätten und sogar ein eigenes Universitätskrankenhaus.
E-Mail aus Xiamen


Mehr als 36 000 Studenten sind an der Xiada eingeschrieben - und damit mehr als doppelt so viele wie an der Universität Trier. Aber auch, wenn man es kaum glauben mag: Im Vergleich zu anderen chinesischen Städten ist die Studentenzahl in Xiamen trotzdem vergleichsweise gering.
Dabei ist das Studentenleben in China längst nicht so luxuriös wie in Deutschland - selbst wenn der Wohnraum für Studenten in Trier seit Jahren notorisch knapp ist.
Studienanfänger bezahlen in Xiamen pro Semester maximal etwa 188 Euro (ohne Nebenkosten) für ein etwa 15 Quadratmeter großes Zimmer im Studentenwohnheim - das sie allerdings in der Regel noch mit drei weiteren Kommilitonen teilen müssen. Die Wohnungen sind streng nach Geschlechtern getrennt und verfügen bisweilen nicht über eine Toilette.
Halbjährlich fallen 640 Euro Studiengebühren an. Zum Vergleich: An der Universität Trier muss man aktuell lediglich 204 Euro als allgemeinen Semesterbeitrag zahlen, direkte Studiengebühren gibt es nicht.
Für Studenten, die in China auf das Grundstudium ein Masterstudium aufsatteln, verbessern sich die Wohnverhältnisse: Sie werden in einem Doppelzimmer untergebracht. Zudem lässt der nicht mehr ganz so straffe Stundenplan mehr Raum für Freizeitaktivitäten wie Musik oder Sport. Ohne staatliche Hilfsmaßnahmen hätten viele Studenten ärmerer chinesischer Familien bei solch hohen Studienkosten gar nicht die Möglichkeit, ein Studium aufzunehmen.
Während unseres Aufenthaltes in China haben wir eine besondere Feierlichkeit erlebt: den 90. Geburtstag der Universität Xiamen. Freunde von Prunk und Glanz kamen dabei ohne Frage auf ihre Kosten. Zu den Festlichkeiten, die sich über eine ganze Woche erstreckten, wurden nämlich weder Mühen noch Kosten gescheut. Das gesamte Uni-Gelände wurde herausgeputzt, renoviert oder teilweise wurden gar neue Gebäude gebaut. Dass noch roter Teppich ausgelegt und für den Transport wichtiger Gäste Golfkarts ausgeliehen wurden, soll nicht unerwähnt bleiben.
Begnügt haben sich die Offiziellen damit allerdings nicht: Nicht weniger als eine Handvoll Nobelpreisträger wurde für mehrere Vorträge und Podiumsdiskussionen eingeladen.
Sie kamen - entsprechend den Exzellenzfächern an der Universität Xiamen - aus den Bereichen Natur- und Wirtschaftswissenschaften. Ein Friedensnobelpreisträger hingegen war unseres Wissens aber nicht unter den Gästen.
Im Stadion war dann noch eine Abendgala zu sehen, die einen nach chinesischen Maßstäben standesgemäß pompösen Höhepunkt bildete.
Nach einem Jahr in Xiamen und dem direkten Einblick in eine fremde Kultur haben wir eines gelernt: Ein Dialog auf Augenhöhe bringt mehr als Skepsis und Vorurteile. Wir stehen aktuellen Entwicklungen und Problemen in China keineswegs unkritisch gegenüber. Doch China mit seiner langen und reichen Kulturgeschichte und der inneren Vielfalt hat es unserer Meinung nach nicht verdient, auf soziale Missstände reduziert zu werden. Das heißt nicht, dass man diese Probleme nicht auch offen ansprechen darf. Wir halten es aber eher mit Egon Bahr (SPD-Bundesminister von 1972 bis 1976), der in seiner berühmten Tutzinger Rede von 1963 die Formulierung "Wandel durch Annäherung" prägte. In einer zunehmend globalisierten Welt ist China uns näher als je zuvor in unserer Geschichte - wollen wir uns diese Chance zum Dialog durch kleingeistiges Denken wirklich entgehen lassen?Extra

Mit laut Süddeutscher Zeitung 485 Millionen Nutzern ist China der größte Internetmarkt weltweit. Das dortige Internet ist - anders, als der Xiamener Vize-Bürgermeister Zang Jiebin beispielsweise vor wenigen Monaten nach einem Deutschlandbesuch äußerte - allerdings keineswegs frei. Bekannte Seiten wie Youtube, Facebook oder Twitter existieren zwar in einer chinesischen Variante, die dortigen Einträge werden aber von staatlicher Seite streng kontrolliert. Die "Originale" dagegen fallen der Zensur zum Opfer und sind nicht aufrufbar. Als im vergangenen Jahr heftige Diskussionen um den chinesischen Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo im deutschen Netz geführt wurden, blieb dieses Thema in chinesischen Medien völlig unerwähnt. Informationen darüber erhielten wir vielmehr über westliche Nachrichtenseiten. Anders als erwartet waren diese Seiten frei zugänglich. Wenn überhaupt, waren lediglich die entsprechenden chinesischen Versionen (zum Beispiel von Wikipedia) zensiert. Doch mittlerweile gibt es Mittel und Wege, um die "Great Firewall" zu umgehen. Das Internet birgt ein großes Potenzial an Kritik an der chinesischen Regierung. Besonders anschaulich wird das daran, dass nahezu jeder zweite Nutzer Microblogs auf entsprechenden Plattformen schreibt, um seine Gedanken dort frei zu äußern.Extra

Beim vorhergehenden Serienteil über die Teekultur in China ist dem Trierischen Volksfreund leider ein technischer Fehler unterlaufen: Das Chinesische Schriftzeichen für Tee wurde in das Zahlwort "sechs" umgewandelt und nicht - wie es richtig gewesen wäre - in den Ausdruck "cha". Wir bitten um Entschuldigung. woc

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