Viez-Jupp

Hätt\' ich ja nie gedacht, dass ich das mal sagen würde, aber: Gut, dass es Facebook gibt! Sonst wären der Bärbel und mir an Silvester wohl mal wieder vor lauter Langeweile beim Raclette die Füße unterm Eichentisch eingeschlafen. Stattdessen waren meine Werteste und ich aus.

Grund für den Ausflug ins kulturelle Hochland: Das Trierer Theater hatte auf seiner Facebook-Seite verkündet, dass "eine hochrangige Politikerin aus den neuen Bundesländern" die Silvestervorstellung der Fledermaus beehren würde. Dazu hatte ich dann erstmal drei Fragen. Erstens: Wenn die neuen Bundesländer immer noch neu genannt werden dürfen, dann darf ich doch getrost auch das Saarland als neues Bundesland bezeichnen, oder? Zweitens: Was verschlägt die Kanzlerin an Silvester ausgerechnet nach Trier? Drittens: Warum hat unser CDU-Mann in Berlin, Bernhard Kaster, ein solches Partei-Ereignis nicht wie sonst üblich stolz im Vorfeld auf allen Kanälen angekündigt? Egal. Meine Bärbel wollte Mutti jedenfalls nicht verpassen. Ab in die Abendrobe (ihre natürlich passend zum Anlass tief dekolletiert) und ins Theater also. Statt Viez perlte Sekt im Glas. Und dann, dritter Akt, fünfte Szene, steht plötzlich unsere Kanzlerin auf der Bühne! Die Finger zur Raute gepresst, hält sie ihre Neujahrsansprache! Die Föhnfrisur sitzt, der uckermärkische Akzent auch. Und die Bärbel und ich live dabei! Meine Frau war so durchdrungen von der durch die räumliche Nähe zur Kanzlerin gestiegenen eigenen Bedeutung, dass ihr Tränen der Rührung in die Augen stiegen. Und den Blick trübten. Ich hab mich nämlich gleich gewundert, warum Angela so dünn aussieht. Und so seltsame Sachen sagt, von wegen, dass die großen Notenbanken "den Bass-Schlüssel weiter gesenkt haben" und "billige Noten nur noch im Zweiviertel- und Dreiviertel-Takt" herausgeben würden. Gut, Politiker reden ja öfter Unsinn. Und es wäre auch nicht die erste Neujahrsansprache, über die man sich wundern müsste (Wissen Sie noch, damals, als die ARD an Neujahr 1987 versehentlich Kohls Ansprache vom 1. Januar 1986 ausgestrahlt hat?). Aber irgendwie kam\'s mir trotzdem komisch vor. Und die anderen Operettenfans waren auch gar nicht angemessen aus dem Häuschen. Tja. Bärbel und ich waren tatsächlich auf einen PR-Gag des Theaters reingefallen: Bei besonderen Vorstellungen der Fledermaus ist es nämlich durchaus üblich, dass die Orlofsky\'sche-Festszene verfremdet wird. Dank des Trierer Esemble-Mitglieds Alexander Trauth bei uns mit einer sehr unterhaltsamen Merkel-Imitation. Prost! Alle Kolumnen online unter www.volksfreund.de/kolumne

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